Zum NPD-Verbotsverfahren:

Brief an den Bundestagspräsidenten W. Thierse
 
Siehe auch Brief an innenpolitischen Sprecher der SPD - Bundestagsfraktion D. Wiefelspütz

An den Präsidenten des Deutschen Bundestages
Herrn Wolfgang Thierse
Platz der Republik 1
11011 Berlin
 
- per Fax und bitte sofort auf den Tisch-

Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident,

mein Schreiben betrifft primär das NPD-Verbotsverfahren. Zugleich geht es um praktizierte Verfahren, die im Widerspruch zu den Regeln des Bundestages stehen.

Am 31. Juli 2002 läuft die Frist ab, die das Bundesverfassungsgericht den Antragstellern im NPD-Verbotsverfahren gesetzt hat. Bis dahin haben diese, also auch der Bundestag, in der V-Leute-Problematik Klarheit zu schaffen.

Sollte das Verbotsverfahren ‚platzen', wäre der gesellschaftliche Schaden unermesslich groß. Gleichwohl droht - nicht nur nach meiner Einschätzung - ein solches Negativ-Szenario. Das darf nicht widerspruchslos bleiben.

Hinzu kommt, dass die Antragsteller, der Bundestag ebenso wie seine Fraktionen, nicht „Herr des eigenen Verfahrens“ sind. Wir alle sind abhängig von Auskünften des Bundesinnenministers und der Landesminister des Inneren. Das scheint zwar in der Natur der verhandelten Sache zu liegen, ist aber dennoch ein Unding.

Außerdem blieben mehrere schriftliche Aufklärungsersuchen der PDS-Fraktion, z. B. an die Prozessbevollmächtigten des Bundestages, bislang unbeantwortet. Zuletzt wurden wir an den innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion verwiesen. Er hat regulär keinerlei Mandat des Bundestages, er ist Sprecher seiner Fraktion, mehr nicht, nicht einmal Berichterstatter der SPD im NPD-Verbotsverfahren.

Gleichwohl entnehme ich einem Telefonat, das aus meinem Büro mit dem innenpolitischen Sprecher der SPD am 26. 07. 2002 geführt wurde, dass Herr Wiefelspütz seine Kompetenzen unbotmäßig überschreitet. Er maßt sich an, darüber zu entscheiden, ob und wann die PDS-Fraktion die erbetenen Informationen erhält.
Heute wiederum entnehme ich der Presse, dass der Kollege offensichtlich im Besitz der Stellungnahme ist und diese öffentlich bewertet. Meiner Fraktion und der zuständigen Berichterstatterin wurde diese bis heute nicht zur Prüfung und Bewertung zugestellt.

Auch das widerspricht den Regeln des Bundestages grob.

Unabhängig vom Ausgang des NPD-Verbotsverfahrens haben das demokratische System der Bundesrepublik und insbesondere der Bundestag schon jetzt Schaden genommen. Durch das Bild vom höchsten Repräsentanten zieht ein - weiterer - tiefer Riss.

Deshalb wende ich mich in aller gebotenen Eile an Sie als Präsidenten des Deutschen Bundestages. Bitte leiten Sie umgehend das Ihnen Gebotene ein, um weiteren Schaden vom Bundestag abzuwenden und um das gemeinsam angestrebte NPD-Verbotsverfahren gemäß den Ansprüchen des Bundesverfassungsgerichtes im Lot zu halten.

Oberstaufen, den 28. Juli 2002

Mit freundlichen Grüßen
Petra Pau

 

 

30.7.2002
www.petra-pau.de

 

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