Mehrwertsteuer intelligenter und gerechter händeln

Bundestag, 31. Januar 2003, TOP 10, Mehrwertsteuer
Rede von Petra Pau

0.
Bevor ich zu den aufgeworfenen Steuerfragen komme, möchte ich etwas anderes festhalten. Wir alle sind Zeuge einer Sternstunde des Parlaments. Dafür ist der FDP-Antrag Beleg. Und ich wundere mich, warum dies niemand gebührend würdigt.

Im Mittelpunkt der Debatte steht nicht mehr, was politisch zu tun ist. Beraten werden soll, was nicht zu tun ist. Wenn künftig jede Partei ihren Katalog des Nicht-Tuns zur Abstimmung stellt, dann wird sich hier ein schier unendliches Feld eröffnen.

1.
Nun zum Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Sie enttäuschen mich, meine Damen und Herren von der Koalition. Sie beantragen, dass wir ihre Steuer- und Finanzpolitik lobpreisen.

Das sollten Sie nicht tun. Es klingt wie Bestechung und es widerspricht auch unserem Selbstverständnis als einziger, weil linker Opposition.

2.
Den Anlass für die hochgespielte Aufregung bietet die Mehrwertsteuer. Sie soll erhöht werden, sagen die einen. „Auf keinen Fall, jedenfalls nicht jetzt“, meinen die anderen. Und für all das gibt es hinreichend widerstreitende Belege, von der CDU ebenso, wie von der SPD.

3.
Ich rufe in diesem Zusammenhang einen besonders markanten Satz in Erinnerung: Der Bürger möge Konsumverzicht üben, damit es dem Staat besser gehe. Das Zitat ist vom 1. Dezember 2002. Es stammt von Franz Müntefering, Fraktionschef der SPD.

Das, teure Genossinnen und Genossen der Sozialdemokratie, teilen wir ausdrücklich nicht. Denn der Staat ist kein Selbstzweck und die Bürgerinnen und Bürger sind nicht für den Staat da. Umgekehrt wird ein Schuh draus.

4.
Nun zur Mehrwertsteuer. Sie diskutieren über die Höhe der Mehrwertsteuer. Uns bewegt, was über die Mehrwertssteuer politisch zu steuern wäre.
Das führt zu anderen Fragen. Zum Beispiel:

Warum erheben wir nicht endlich für Reparatur und Handwerksleistungen den halben Steuersatz? Es würde kleinen Betrieben helfen und der Mentalität begegnen, einen defekten Kühlschrank wegzuwerfen, anstatt ihn reparieren zu lassen.

Oder: Warum erheben wir nicht den doppelten Steuersatz auf Luxus-Güter? Wer sich einen Porsche-Plus leisten kann, den ruinieren ein paar Prozente mehr Mehrwertsteuer nicht. Das erzielte Plus könnte aber helfen, den Steuersatz für die Schulspeisung zu senken.

5.
Sagen Sie bitte nicht, das sei alles zu kompliziert und ohnehin rechtlich versiegelt.
Die EU hat bereits 1999 den Weg dafür geebnet, die Mehrwertsteuer intelligenter zu händeln.

6.
Sie merken, werte Kolleginnen und Kollegen von der FDP: Wir reden über dasselbe Thema, aber wir reden nicht über dieselbe Absicht.

Sie wollen weniger Steuern. Wir wollen gerechte Steuern. Das ist ein wesentlicher Unterschied.

7.
Und weil wir schon dabei sind, will ich Sie gern erneut an die Vermögenssteuer erinnern.

Die CDU wiegelt sie als Neid-Steuer ab. Für die FDP sind Steuern ohnehin Teufelswerk. Und die SPD will die Vermögenssteuer, solange sie im Wahlkampf ist.

Die PDS bleibt dabei: Die Wiedereinführung der Vermögenssteuer ist eine Frage der Gerechtigkeit und sie kann Länder und Gemeinden entlasten.

8.
Lassen Sie uns künftig wieder darüber diskutieren, was zu tun ist. Debatten übers Nicht-Tun sind nicht unser Ding, die Segnung von Rot-Grün auch nicht.
 

[download] Stenographischer Bericht, rtf-Datei

 

 

31.1.2003
www.petra-pau.de

 

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