Sie müssten es besser wissen, Herr Stolpe

14. Sitzung der Deutschen Bundestages, 5. Dezember 2002, Haushalts-Debatte, „neue Bundesländer“
Rede von Petra Pau

1. 

Herr Minister Stolpe: Sie haben in Ihrer Antritts-Rede zwei Sätze gesagt, die ich gerne aufgreifen möchte: Satz 1: Ich will meine Arbeit in Kontinuität (...) gestalten und dabei an eine erfolgreiche Arbeit anknüpfen. Der Kollege Friedrich von der FDP attestierte das mit dem Zwischenruf: „So erfolgreich kann sie nicht gewesen sein.“ Ich stimme der FDP selten zu, aber wo sie recht hat, hat sie recht.
 
Wir haben in den neuen Bundesländern eine reale Arbeitslosigkeit von über 30 Prozent, Tendenz steigend. Und wir haben es mit einer anhaltenden Abwanderung - insbesondere junger Leute - zu tun. Angesichts dessen klingt es nach Traum-Tänzerei, wenn sie in Kontinuität an Erfolge anknüpfen wollen. Viel mehr wäre kritisch zu prüfen, was falsch läuft, und umzusteuern.

2. 

Meine Kritik wird übrigens höchst-amtlich geteilt. Nehmen Sie nur den jüngsten Beschäftigungs-Bericht der EU. Er weist nach, dass die Lage in Ostdeutschland besonders dramatisch ist. Deshalb wird im EU-Bericht auch ein umfassendes Konzept für die östlichen Bundesländer mit regionalen, Arbeitsmarkt- und strukturpolitischen Maßnahmen gefordert.

3. 

Nun zum 2. Satz aus ihrer Rede, Herr Minister Stolpe: „Der Aufbau-Ost ist eine Aufgabe aller Ressourcen!“ Diesem Punkt stimme ich nun wieder ausdrücklich zu. Er hat sich aber offenbar unter ihren Koalitions-Kollegen noch nicht rumgesprochen. Nehmen wir nur das viel gepriesene Hartz-Konzept. Es ist nicht ost-tauglich. Denn es verschärft die Probleme, anstatt sie zu lösen. Eine Kritik, die übrigens generell auf struktur-schwache Regionen zutrifft. Sie müssten das eigentlich besser wissen, Herr Stolpe.

4. 

Sie rufen zu Recht die Angleichung der Lebensverhältnisse in den neuen Bundesländern an das Durchschnitts-Niveau „West“ auf und stellen das bis zum Jahre 2007 in Aussicht. Das ist grundsätzlich richtig. Nur, nach allem, was ich lese, ist ihre Ankündigung bisher mit keinem Cent untersetzt.

5. 

Sie verweisen, Herr Minister Stolpe, auf die Chancen für die neuen Bundesländer, die in der EU-Ost-Erweiterung liegen. Ein Thema, das schon heute viele bewegt und zwar aus sozialer Sicht nicht nur erwartungsfroh. Nun wurde durch mehrere EU-Länder gemahnt, eine Sozial-Charta mit Mindeststandards zu vereinbaren. Dafür ist die PDS ausdrücklich.
 
Aber es war ausgerechnet der Vertreter der Bundesregierung im EU-Konvent, ihr Kollege Glotz, der das als pure „Zeitverschwendung“ abtat. Inzwischen hat Außenminister Fischer seinen Platz im Konvent eingenommen. Von einer europäischen Sozial-Charta indes lese und höre ich bei Rot-Grün nichts.

6. 

Eine abschließende Anmerkung: Auch dieser Tage hörte ich wieder Sätze wie: „In den neuen Bundesländern ist das noch nicht so, wie bei uns!“ Solange Minister und Mitglieder des Bundestages so denken - „nicht, wie bei uns“ -, solange bleibt der Aufbau „Ost“ für viele etwas Fremdländisches. Deshalb wiederhole ich: Das zitierte „Weiter so“ ist keine Lösung. Sie, nein wir alle, brauchen einen Neuansatz. Anderenfalls wird der Aufbau-Ost zwar teuerer, aber nicht besser.
 
Die PDS hat nicht den Stein der Weisen. Aber unsere Konzepte liegen vor. Ich stelle sie ihnen gern noch einmal zur Verfügung.
 

[download] Stenographischer Bericht, rtf-Datei

 

 

5.12.2002
www.petra-pau.de

 

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