General-Debatte zum Gesetz über den Bundes-Haushalt 2003

13. Sitzung der Deutschen Bundestages, 4. Dezember 2002,
Rede von Petra Pau

1. Es steht nicht gut um Rot-Grün. Herr Clement spricht von Start- und Kommunikations-Schwierigkeiten. Heidi Simonis erwartet gar eine „Blut-und-Tränen-Rede“ des Kanzlers.

Ich sage ihnen: Ihr Problem ist weniger mangelnde Kommunikation. Ihr Problem ist die Inkonsequenz, die Widersprüchlichkeit und die Gegenläufigkeit ihrer Politik.

Ich will ihnen das an drei Beispielen illustrieren. Sie werden sich übrigens klar von der Opposition zur Rechten unterscheiden.

2. Beispiel 1: Sozialstaat

Ihre erste Prämisse heißt:
Der Sozialstaat sei gerade in Zeiten der Globalisierung unverzichtbar.
Ihre zweite Prämisse lautet:
Die Wirtschaft müsse gerade in Zeiten der Globalisierung von Sozialstaats-Kosten entlastet werden.

Das Problem:
Beides passt nicht zusammen. Wer die Wirtschaft von Sozialstaats-Kosten entlastet, treibt den Sozial-Staat in die Krise. Und wer das zulässt, kann sich nicht als dessen Anwalt aufspielen.

Nun wurde Franz Müntefering ob seines Zitats gescholten: Die Bürger sollen weniger konsumieren und mehr dem Staat geben.

Politisch ist das Harakiri. Aber es hat seine Logik.

Der Sozial-Staat wird immer mehr von denen finanziert, die bedürftig sind, und immer weniger von denen, die dazu in der Lage sind.

Eine Putzfrau oder ein selbstausbeutender Computer-Experte müssen kräftig für den Sozialstaat zahlen. Große Gewinn-Konzerne brauchen das nicht, sie werden sogar noch alimentiert. Das ist hierzulande Usus, auch unter Rot-Grün!

Und weil das so ist und die Kassen klamm sind, hat Müntefering logischerweise nicht an die Vermögenden, sondern an die Zahlungs-Pflichtigen appelliert. Es sind dummerweise die Bedürftigen.

Eigentlich hätte er dafür heftigen Beifall von der CDU/CSU, allemal von der FDP verdient. Denn das ist deren Politik.

Ich will nur anmerken: Mit Solidarität hat das alles nichts zu tun. Und das ist der eigentliche Bruch mit einst sozial-demokratischen Grundsätzen.

3. Beispiel 2: Krieg oder Frieden

Rot-Grün lehnt eine Beteiligung an einem Krieg gegen den Irak ab. Ich nehme Ihnen sogar ab, dass sie dafür gute Gründe haben und nicht nur kurzfristige Wahlkampf-Motive.

Aber wieder ist Rot-Grün inkonsequent.

Ein Krieg gegen den Irak wäre ein Angriffs-Krieg. Er wäre nicht durch die UN-Charta gedeckt. Kein Nato-Vertrag nimmt sie in die Pflicht. Das Grundgesetz verbietet sogar eine deutsche Beteiligung.

Und doch stecken Rot-Grün mittendrin und damit wir alle.

Sie bewilligen Überflug- und andere Rechte, falls die USA auch von deutschem Boden aus einen Angriffs-Krieg führen sollte. Sie halten Spürpanzer und Marine-Einheiten im Aufmarsch-Gebiet vor. Und sie wollen Militär-Material in erweiterte Krisen-Gebiete liefern.

Das Problem:
Auch das ist eine typische Jein-Politik. Aber es gibt kein Jein zum Krieg! Es gibt nur Ja-Ja oder Nein-Nein!

Die PDS bleibt bei Nein-Nein!

4. Beispiel 3: Steuer-Politik

„Wir werden keine Steuer erhöhen“, hieß es bei Rot-Grün vor der Wahl.
„Wir schließen lediglich Schlupf-Löcher“, hieß es danach. Die Opposition zur Rechten schreit Zeter und Mordio.

Das Problem:
Rot-Grün geht in der gesamten Steuer-Debatte in die neoliberale Falle. CDU/CSU und FDP predigen landauf-, landab, Steuern seien Teufels-Werk.

Die Frage ist aber nicht, ob Steuern genehm sind. Die eigentliche Frage ist, ob sie gerecht sind. Und da kneift Rot-Grün!

Sie gehen nicht wirklich an das spekulierende und unproduktive Kapital ran. Anderenfalls müssten sie sich endlich der Tobin-Steuer nähern.

Sie nehmen den vorhandenen Reichtum nicht in die grundgesetzliche Pflicht. Anderenfalls würden sie aktiv für eine wirkliche Vermögens-Steuer streiten.

Sie machen nichts, um die überschuldeten Länder und Kommunen zu entlasten. Anderenfalls würden sie zu wirklichen Reformen schreiten.

Und Sie kleben an Modellen des vorigen Jahrhunderts. Anderenfalls würden sie sich wirklichen Neuerungen, etwa einer Wertschöpfungs-Abgabe, öffnen.

So aber bleibt Rot-Grün ein Muster ohne Wert!

5. Ich will meine grundsätzliche Kritik an zwei aktuellen Beispielen illustrieren.

a) Sie brüsten sich mit 4 Mrd. Bundes-Euro für eine bessere Bildungs-Politik in den Ländern. Das klingt unglaublich gut, allemal angesichts der vielzitierten PISA-Studie. Bundes-Ministerin Bulmahn sprach gestern sogar von einer rot-grünen Initialzündung.

Sie verschweigen dabei nur, dass ihre letzte Steuerreform die Länder das Dreifache, nämlich 12 Milliarden an Mindereinnahmen gekostet hat, die somit auch für die Bildungs-Politik fehlen.

Jede Klo-Frau, der sie zehn Cent auf den Teller legen und zugleich dreißig Cent klauen, würde sich zu recht beschissen fühlen.

b) Bundeskanzler Schröder hat verkündet: Keinem Opfer der jüngsten Hochwasser-Katastrophe soll es hernach schlechter gehen, als vordem.

Wir, also die PDS im Bundestag, waren erst jüngst Vor-Ort. Unsere Eindrücke sind ernüchternd und bedrückend:

Das Hochwasser ist weg, die Kameras sind weg, die Regierung auch. Zurück bleiben Zweifel und Verzweiflung.

6. Es geht ergo nicht um Reförmchen. Gefragt ist ein Politik-Wechsel: Hin zu sozialer Gerechtigkeit, zu mehr Demokratie und natürlich zu einer konsequenten Friedens- und Entwicklungspolitik.

7. Zum Schluss: Da in vermeintlich großen Debatten gern große Geister aufgerufen werden, will ich dem natürlich nicht nachstehen.

CDU/CSU und FDP fordern einen Lügenausschuss des Bundestages.

Würde der legendäre Baron Münchhausen das noch erleben, er würde sich wohl endgültig tot lachen.
 

[download] Stenographischer Bericht, rtf-Datei

 

 

5.12.2002
www.petra-pau.de

 

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