Die Grundrichtung ist falsch

Bundestag, 14.11.2002, Regierungserklärung zum bevorstehenden NATO-Gipfel
Rede von Petra Pau

1. 

Die „PDS im Bundestag“ lehnt den vorliegenden Antrag ab. Wir teilen auch nicht die Intentionen, die Bundesaußenminister Fischer zum bevorstehenden NATO-Gipfel hier vorgetragen hat.

2. 

Grundsätzlich widersprechen wir dem Begehren der Opposition zur Rechten. Der Antrag der CDU/CSU zielt unverhohlen auf eine weitere Militarisierung der Außenpolitik, auf eine drastische Aufrüstung und auf eine „bedingungslose Solidarität“ gegenüber der USA-Politik.
Einem solchen Irr-Sinn unterliegt die PDS nicht.

3. 

1989/90 fand eine 40 Jahre währende Block-Konfrontation ihr Ende. Politische Instrumente aus jener Zeit, die auf friedliche Konflikt-Bewältigungen zielten, wurden seither klein gehalten - zum Beispiel die OSZE. Militärische Instrumente, die auf ein Diktat der Stärke setzen, wurden ausgebaut - zum Beispiel die NATO.
Das illustriert die Grundrichtung. Wir finden sie falsch.

4. 

Unübersehbar ist auch, dass die UNO immer mehr in den Schatten der NATO gerät und dass die Welt-Organisation von den USA ein ums andere Mal vorgeführt wird.
Das ist der Rahmen, aus dem sich unsere begründete Skepsis gegenüber dem NATO-Gipfel speist.

5. 

Hinzu kommen die Militär-Doktrin der USA. Sie kündigen Abrüstungs- und Kontrollverträge. Sie reklamieren für sich Präventivkriege. Und sie drohen mit atomaren Erstschlägen.
Eine solche Politik ist welt-untauglich! Sie passt nicht ins 21. Jahrhundert. Und sie wird auch mit Verweis auf terroristische Bedrohungen nicht besser.
Und deshalb, Kollege Schäuble, höre ich mit Schrecken, wenn sie namens der CDU/CSU sagen: „Mit dem Zweitschlag schützen sie die Bevölkerung nicht.“ Das ist nichts anderes, als die unsägliche Parole: „Angriff ist die beste Verteidigung“.
Erhellender konnten sie den Schafspelz nicht ablegen.

6. 

Folglich steht die rot-grüne Regierung vor der Frage, ob sie sich als NATO-Mitglied dieser Doktrin anschließt, also unterordnet. Oder ob die Bundesrepublik gemeinsam mit anderen eine selbstbewusste Politik verfolgt, die mehr denn je auf zivile, demokratische und humane Lösungen setzt.

7. 

Auf dem Prager Gipfel wird es um die 2. Runde der NATO-Erweiterung gehen. Es geht um die Beziehungen der NATO zu Russland und zur Ukraine. Und es geht um die Modernisierung der NATO. So jedenfalls beschreibt es die veröffentlichte Tagesordnung.
Was darüber hinaus verhandelt wird, entzieht sich wie stets der allgemeinen Beobachtung und Bewertung.

8. 

Ich verweise darauf, weil wir demnächst über ein „Entsende-Gesetz“ befinden.
Es soll unter anderem klären, wann und durch wen deutsche Soldaten in Marsch gesetzt werden dürfen. Nicht zur Übung in die Lüneburger Heide, sondern in militärische Auseinandersetzungen, welt-weit.

9. 

Auf dem NATO-Gipfel wird - ebenso, wie in der EU - über „schnelle Eingreif-Truppen“ beraten.
Ich will jetzt nicht fragen, in welchem Verhältnis beide stehen sollen.
Ich möchte die interessierte Öffentlichkeit auf das kleine Wörtchen „schnell“ richten. Denn es birgt nicht nur militärische Gefahren.

10. 

Dahinter steckt auch die Frage: Wer entscheidet über Militär-Einsätze?
Noch liegt das Votum beim Bundestag, mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Ich interpretiere Ihre Reden so, Herr Außenminister und Herr Verteidigungsminister: Das möge so bleiben.
Aber es gibt auch andere Bestrebungen. Ich verweise auf den Antrag der FDP: Damit soll das Parlament entmündigt werden und damit würden weitere lebenswichtige Entscheidungen von den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern entrückt.
Auch das ist ein Weg, den die PDS nicht mitgehen wird.
 

[download] Stenographischer Bericht, rtf-Datei

 

 

14.11.2002
www.petra-pau.de

 

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