Anrede
In Berlin am Bahnhof Friedrichstraße gibt es eine Skulptur.
Sie erinnert an die Kindertransporte 1938/39.
Damals konnten über 10.000 jüdische Kinder nach England gebracht
und so dem tödlichen Zugriff der deutschen Nazis entzogen werden.
Das Denkmal zeigt zwei Gruppen Kinder.
Die einen blicken in die Zukunft, die anderen in den Abgrund.
Ähnliche Erinnerungswerke gibt es in Hamburg und London.
Sie wurden von dem Künstler Frank Meissler geschaffen.
Ich traf ihn in Berlin und besuchte ihn in Israel, seinem späteren Wohnsitz.
Er war seiner Zeit in Deutschland selbst ein Kind und wurde gerettet.
Bei der Ausstellung Meine jüdischen Eltern – Meine polnischen Eltern
geht es ebenso darum, wie seinerzeit Kinder, die durch die Nazis dem Tod geweiht waren, gerettet wurden, wobei geweiht ein unpassendes Wort ist, denn es ging um Mord. Indem Polen sich jüdischer Kinder annahmen, leisteten sie selbstlos antifaschistischen Widerstand im Namen des Lebens und der Liebe.
Das Buch zur Ausstellung bietet Einblicke in einige Schicksale.
Nun gehöre ich, wie die meisten hier, zu Nachkriegsgenerationen.
Wir sind also nicht verantwortlich für die Gräuel zur Nazi-Zeit,
wohl aber dafür, dass so etwas nie wieder geschieht.
Denn das Unsägliche, das einmal geschehen ist, kann wieder geschehen.
Aktuelle Daten sprechen eine bedrohliche Sprache.
Die Zahl antisemitischer Straf- und Gewalttaten nimmt zu,
in Deutschland, in Europa. Die Alarmglocken müssten läuten.
Jüdische Einrichtungen müssen polizeilich besonders geschützt werden.
Immer mehr Jüdinnen und Juden geben sich im Alltag nicht mehr als solche zu erkennen.
Wir erinnern also auch aus aktuellen Anlässen an die Finsternis der Geschichte:
für Bürgerrechte und Demokratie, für Menschlichkeit, für uns.
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