Im Alltag und allerorten

Gedenken an Kindertransporte
Grußwort Petra Pau, Berlin. 4. September 2020

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1. 

Seit 2008 erinnern wir hier am Bahnhof Friedrichstraße an die Kindertransporte von 1938/39. Mit ihnen wurden Tausende jüdische Kindern vor den Nazis und dem drohenden Tod gerettet.
 
Dass wir dies können, verdanken wir unter anderem dem jüdischen Künstler Frank Meisler. Er war damals auch ein Kind und schuf später die Gedenkskulptur vor dem Bahnhof.
 
Dank gebührt auch Frau Bechner für ihr Engagement, damit dieses Gedenken alljährlich stattfinden kann.
 
Und zu danken bleibt natürlich jenen Engländern, die sich damals für jüdische Kinder in Europa einsetzten.

2. 

Schon einmal hatte ich erwähnt, dass ich das Plenarprotokoll von der Unterhaussitzung gelesen habe, auf der im englischen Parlament die Kindertransporte beschlossen wurden.
 
Demnach wurden alle Bedenken vorgetragen, die dagegen sprechen könnten. Was wird das kosten und wer soll das bezahlen? Was sagen die Einheimischen und was macht das aus ihrer Lebenswelt? Welche Sicherheitsrisiken sind zu bedenken, und so weiter?
 
Zum Schluss überwog ein Für-Argument und das hieß schlicht: Wir wollen das, wir wollen helfen!

3. 

Ich erzähle dies nicht des Erinnerns wegen, sondern aus aktuellem Anlass. Tausende Kinder, viele unbegleitet, sitzen in Griechenland und in weiteren Staaten in Flüchtlingslagern fest, ohne Perspektive.
 
Einige Bundesländer, darunter Thüringen und Berlin, haben sich bereiterklärt, derart bedrohte Kinder aufzunehmen. Der letztlich zuständige Bundesinnenminister reagiert darauf mit einem Basta-Veto und sagt Nein!
 
Das ist ein unsäglicher Beleg dafür, wie wichtig und zeitgemäß das Erinnern an die Kindertransporte anno 1938/39 ist, finde ich.

4. 

Die Nazis haben den Antisemitismus zum Exzess getrieben. Aber Antisemitismus war nicht ihre Erfindung. Er ist älter, grassiert weltweit und erhebt schon wieder sein Haupt, auch hierzulande.
 
Auch deshalb reicht das Erinnern nicht. Wir sind gefragt, dagegen zu streiten, im Alltag und allerorten.
 
Zugleich wird antifaschistischen Initiativen von Staats wegen das Gemeinwohl abgesprochen. Ich habe dafür Null Verständnis.
 

 

 

4.9.2020
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