Brücken zwischen Deutschland und Vietnam

Grußwort von Petra Pau zum Tet-Fet Vietnams
Berlin, 18. Januar 2020

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Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,

gern bin ich Ihrer Einladung gefolgt, zumal dieses Tet-Fest zugleich der Auftakt für weitere Aktivitäten anlässlich 45 Jahre diplomatischer Beziehungen zwischen Vietnam und Deutschland ist.
Vielfältige zwischengesellschaftliche Kontakte prägen die Beziehungen. Deutschland und Vietnam sehen sich als Partner im Engagement für regelbasierte Ordnung, Respekt vor dem Völkerrecht, Multilateralismus sowie Umwelt- und Klimaschutz.
Wir wissen, das war nicht immer so. Wir begehen hier in der Bundesrepublik in diesem Jahr auch den 30. Jahrestag der Deutschen Einheit. Mir scheint, die Erfahrungen dieses Prozesses sind auch in Vietnam von Interesse. Der Ministerpräsident des Freistaates Thüringen, Bodo Ramelow berichtete mir im Herbst des vergangenen Jahres begeistert von einer Veranstaltung an der Parteihochschule in Hanoi zum Thema "Transformation" und seinen Debatten vor allem auch mit jungen Menschen während des Besuches seiner Regierungs- und Wirtschaftsdelegation in ihrem Land.
Deutschland ist mit einem Handelsvolumen von fast 14 Mrd. Euro innerhalb der EU Vietnams größter Handelspartner. Rund 300 deutsche Firmen haben eine Repräsentanz in Vietnam; die Gesamtinvestitionssumme liegt bei etwa 1,8 Mrd. USD. Ein weiterer wichtiger Baustein der Beziehungen zwischen Deutschland und Vietnam ist die Entwicklungszusammenarbeit. Die Zusammenarbeit in den Schwerpunkten Berufliche Bildung, Energie und Umwelt ist an der vietnamesischen „Green Growth Strategy“ ausgerichtet. Deutschland will Vietnam so auf einem Wachstumspfad unterstützen, der natürliche Ressourcen schont, biologische Vielfalt erhält und im Einklang mit den Zielen aus dem Pariser Klimagipfel und der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung steht.
Die bilateralen Kulturbeziehungen entwickeln sich positiv. Viele Kultur- und Wissenschaftsinstitutionen (u.a. DAAD, Goethe-Institut, Vietnamesisch-Deutsche Universität, ZfA) sind im Lande tätig. Über 100.000 Vietnamesinnen und Vietnamesen, die in Deutschland gearbeitet oder studiert haben, bilden eine einzigartige Brücke zwischen Deutschland und Vietnam, die das wechselseitige Interesse wach hält und wachsen lässt.
Das Jahr 2020, in dem Deutschland und Vietnam 45 Jahre bilaterale Beziehungen feiern, bietet vielfältige Chancen für eine noch engere Zusammenarbeit auf bilateraler und multilateraler Ebene. Der im Dezember 2019 von beiden Regierungen unterzeichnete strategische Aktionsplan bietet dafür einen guten Rahmen.

Sehr geehrte Damen und Herren!

Ich freue mich aber auch darüber, dass Sie Traditionen aus ihrem Herkunftsland auch hierzulande pflegen. Einen solchen Satz werden und können Sie nicht von jedem Politiker erwarten. Deshalb will ich meinen Gedanken noch etwas illustrieren.

Dazu vorab: 2015 erschien mein Buch „Gottlose Type - meine unfrisierten Erinnerungen“. Es enthält 53 Episoden aus 25 Jahren meiner politischen Arbeit, heitere, überraschende, aber auch ernste. Inzwischen wurde das Buch in 4. Auflage gedruckt, derweil sind seit seiner Premiere auch schon wieder fünf Jahre vergangenen. Und so habe ich, wenn ich auf Lesungen unterwegs bin, stets auch eine Mappe mit neuen, ungedruckten Geschichten bei mir. Eine heißt

Mahnende Kunst
Empfange ich im Bundestag Besuch und reicht die Zeit, dann gehen wir durch die Parlamentsgebäude mit Halt bei einigen Kunstwerken. Davon gibt es viele, so viele, dass sie einen Bildband füllen. Zwei gehören zum Standardprogramm. Beide sind im Reichstagsgebäude. Und beide waren höchst umstritten, insbesondere durch die CDU/CSU.
Da ist der Andachtsraum von Günther Uecker. Er bietet Raum und Beigaben für alle relevanten Religionen, für Christen, für Juden, für Muslime, auch für Hindus. Unions-Politiker forderten ein dominierendes Kreuz, schließlich sei man hier im christlichen Abendland. Uecker lehnte das standhaft ab.
Das zweite Kunstwerk ist im Innenhof des Gebäudes. Es ist von Hans Haake. Er schuf einen Schriftzug "Der Bevölkerung", in bewusstem Kontrast zu der Giebelinschrift „Dem deutschen Volke“. Die Buchstaben werden umgrünt. Wer wollte, konnte aus seinem Wahlkreis ein Säckchen Erde mitbringen. Und was diese barg und was aus ihr erwächst, soll gedeihen, unbeschnitten, unbegradigt.

Uecker plädiert für einen gleichberechtigten Dialog, interreligiös. Haake mahnt uns Abgeordnete, für alle Bürgerinnen und Bürger da zu sein, multikulturell, und nicht nur für Nationalgermanen.

Lange hatte ich beide Botschaften vor allem als Erinnerung an die mörderische Zeit des Faschismus interpretiert.
Aber spätestens seit diese von einem bekannten AfD-Politiker als "Vogelschiss" verharmlost wurde, weiß ich: Ueckers und Haakes Mahnungen sind brandaktuell.“

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein friedliebendes neues Jahr 2020, für das ich zugleich an den einstigen Kanzler der Bundesrepublik Deutschland und Friedensnobel-Preisträger Willy Brandt erinnere.Der hatte gemahnt: „Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.“
Dieser Gedanke erscheint mir angesichts weltweit zunehmender Spannungen, Krisen und militärischer Auseinandersetzungen dringend geboten.
Danke!
 
 

 

 

18.1.2020
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