Wir brauchen breiteste Bündnisse gegen Rassismus

Rede von Petra Pau auf dem Aktionstag „Hand in Hand gegen Rassismus - für Menschenrechte und Vielfalt“
Berlin Marzahn-Hellersdorf, 19. März 2016

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1. 

Der 21. März gilt seit Jahrzehnten international als „Aktionstag gegen Rassismus“. So weit, so gut.
 
Aber uns hilft kein Tag mehr. Wir brauchen Aktionstage gegen Rassismus, 365 im Jahr, weltweit und vor Ort.
 
Das ist das Gebot der Stunde.

2. 

Es wird Rassismus und Gewalt gepredigt, zunehmend und bundesweit.
Wer das tut oder toleriert ist mitnichten ein Verfechter irgendeines Abendlandes, sondern schlicht ein Feind unserer Verfassung.
 
Denn das Grundgesetz gebietet:
Die Würde des Menschen ist unantastbar, aller Menschen,
nicht nur der Schönen und Reichen,
und nicht nur der Deutschen und Weißen.

3. 

Es hatte sich abgezeichnet und doch kam es schockierend. Die AfD war der klare Sieger am Wahlabend des 13. März, in Baden-Württemberg, in Rheinland-Pfalz, vor allem in Sachsen-Anhalt.
 
Die Ergebnisse dieser drei Länder addiert, wählten insgesamt rund eine Million und 250 Tausend Bürgerinnen und Bürger die AfD.
Nicht, obwohl die AfD Rassismus propagiert, sondern häufig weil.
 
Das ist eine neue Herausforderung:
Nicht für irgendwen, sondern für mich, für Dich, für Sie, für uns.

4. 

Rassistisches und rechtes Gedankengut ist inzwischen in der Mitte der Gesellschaft verankert. Zugleich fallen Hemmungen und Schranken.
 
Die Zahl rassistisch und rechtsextrem motivierter Straftaten ist 2015 regelrecht explodiert. Dieser Trend setzt sich 2016 fort.
 
Leider auch das: Die wenigsten Straftäter wurden dafür bislang belangt.
Auch das ist nicht hinnehmbar.

5. 

Gleichwohl muss ich klarstellen, zumal man es hie und da anders liest:
 
Ja, Nazis mischen mit, aber Pegida ist keine faschistische Bewegung.
Und ja, es gibt Schnittstellen, aber die AfD ist keine rechtsextreme Partei.
 
Sie ist eine völkisch-nationale Partei, rassistisch grundiert.
Das macht sie weder besser, noch harmloser, als sie ist.
 
Die AfD wurde massenhaft gewählt. Sie bleibt für mich dennoch ein undemokratischer Fremdkörper in einer demokratischen Gesellschaft.

6. 

Auch wirtschafts-, sozial- und kulturpolitisch ist sie eine Katastrophe.
Laut eigenem Programm ist die AfD neoliberal-pur. Sie ist eine Partei für Reiche, die Solidarität untergräbt und Vielfalt bekämpft.
 
Die AfD ist keine Alternative für Deutschland, jedenfalls keine gute.
Ihr Programm verheißt Armut, Einfalt, Ausgrenzung.

7. 

Übrigens auch, wenn die AfD keine rechtsextreme Partei ist, so gilt doch, was der Schriftsteller Erich Kästner rückblickend sagte:
 
„Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen, später war es zu spät (…)
 
Man muss den rollenden Schneeball stoppen;
Die Lawine hält keiner mehr auf.“

 
Kästner hatte Recht und mahnte damit uns. Wen sonst?!

8. 

Und auch das gehört zu den bitteren Lehren aus der deutschen Geschichte:
 
Die Nazis kamen damals nicht an die Macht, weil die NSDAP so stark war. Sondern weil die Demokraten zu zerstritten waren.
 
Deshalb brauchen wir breitmöglichste Bündnisse gegen Hass und Rassismus, allemal gesellschaftliche.
Aber auch parteipolitisch von der Linken bis zur CDU und umgekehrt.
 
Ich weiß: Allein der Gedanke fällt manchen Linken schwer und vielen CDU-Anhängern dürfte es kaum besser gehen.
 
Aber zu verhindern, dass die Gesellschaft noch tiefer gespalten wird und dass sie in großen Teilen noch mehr nach rechts rückt, all das sollte für Demokraten aller Couleur übergreifende Priorität haben.

9. 

Seit einigen Tagen laden endlich einige prominent besetzte Bündnisse zur Mitarbeit ein:
 
„Die Würde des Menschen ist unantastbar!“
So heißt ein Aufruf, der von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden unterzeichnet wurde, von Kirchen und Religionsgemeinschaften, von Sport- und Kulturorganisationen, von Umwelt- und Sozialverbänden, und so weiter.
 
Diesen Mittwoch hatte ich ein weiteres Netzwerk vorgestellt:
„Aufstehen gegen Rassismus!“
 
Zu den 120 Erstunterzeichner gehörten Politiker der SPD, der LINKEN und von Bündnis 90/Die Grünen,. Wichtiger noch: Zahlreiche Repräsentanten von Organisationen, wie der IG Metall, der Naturfreunde, der VVN-BDA oder von Pro Asyl.
 
Inzwischen sind weitere hinzugekommen, der Chaos-Computer-Club gehört dazu, ebenso Attac oder der Zentralrat der Muslime.

10. 

Diese Aufrufe und ihre Unterstützer stehen nicht gegeneinander.
Im Gegenteil: Sie sind Signale für einen überfälligen Aufstand der Anständigen. Gemeinsam und vernetzt mit der klaren Botschaft:
 
Wir überlassen den demokratischen Ruf „Wir sind das Volk!“ nicht jenen, die ihn völkisch missbrauchen.

11. 

Aber Unterschriften unter einen Aufruf können nur ein demonstrativer Anfang sei. Wichtiger ist, dass deren Befürworter sich vernetzen, neue Mitstreiter gewinnen und im Alltag aktiv werden; dezentral und gemeinsam, öffentlich und wahrnehmbar.
 
Wir wollen eine andere, eine bessere Welt, als die AfD sie will.
Wir werden den Pegidas weder unsere Plätze, noch unsere Zukunft überlassen. Das sind unsere Botschaften!

12. 

Eine Schlussbemerkung:
 
Geschätzt engagieren sich in Deutschland seit vielen Monaten 9 Millionen Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich für Geflüchtete, also Menschen in Not, Tausende auch in Marzahn-Hellersdorf
 
Ich finde: Das ist hierzulande die größte Sozial-, Demokratie- und Menschenrechtsbewegung der letzten Jahrzehnte.
 
Ihnen allen gebührt viel mehr Anerkennung, als bislang - und Hilfe:
durch die Politik, durch Medien, durch die Gesellschaft, durch uns.

Danke!

 

 

19.3.2016
www.petra-pau.de

 

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