1. Dein siebtes vollendetes Jahrzehnt hatten wir gemeinsam in Heideruh auf einem Kolloquium vollbracht. Nun wollte ich nachlesen, was ich damals zu Dir und zum Thema Rechtsextremismus und Antifaschismus gesagt hatte. Oh, je, ein böses Erwachen: Meine gut dokumentierende Web-Seite versagte.
Aber das Internet vergisst nichts. Und so fand ich meinen Beitrag von damals doch noch über Umwege im welt-weiten Gewebe. Und so kann ich hier gern noch mal an meinen ersten Gedanken von damals erinnern. Zitat:
Schon in den ersten Dokumenten der sich erneuernden PDS 1989 / 90 ist nachzulesen, dass sich die Partei des Demokratischen Sozialismus als antifaschistisch definiert.
Selbstverständlich mag man sagen. Aber so von selbst ist nichts verständlich, schon gar nicht ohne Selbst-Verständigung über alte und neue Fragen, wie es in der Tagungseinladung heißt.
Ich sage dies auch im Rückblick. (immer noch Zitat) Noch immer trifft man unter Linken auf vereinfachende Antworten. Etwa, dass kapitalistische Gesellschaften immanent zum Faschismus neigen, während sozialistische ebenso natürlich davor gefeit seien.
Was oberflächlich ist. Ebenso wie der Ruch, der dem Wort vom verordneten Antifaschismus anlastet, oder die Verkürzung, die in der Losung steckt: Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen! (Ende des Zitats)
2. Als ich dies nun nachlas, schoss mir sofort die aktuelle so genannte Antisemitismus-Debatte der Linkspartei in den Kopf. So weit ich dabei war, muss ich sagen: Es gab keine Debatte über Antisemitismus. Leider nicht. Nicht in der Bundestagfraktion, nicht in der Partei.
Ersatzweise gab es Statements und Streit. Statements von der Güte: DIE LINKE ist antifaschistisch und könne daher gar nicht antisemitisch sein. Und Streit im Sinne: Da wollen sich rechts abweichende Realos Posten erschleichen, anstatt linkstreu Israel in die Schranken zu weisen.
Dass Medien, die der LINKEN nicht hold sind, und dass Parteien, denen DIE LINKE im Wege steht, daraus Kampagnen gegen DIE LINKE inszenieren, ist naheliegend. Das enthebt DIE LINKE aber nicht einer eigenen Klärung, für uns und für Interessierte.
3. In diesem Sinne habe ich Norbert Madloch immer erlebt und hoffentlich auch wohl verstanden. Was hat sich im gesellschaftlichen Denken und im rechten Milieu seit den 1990er Jahren verändert? Diese Frage warf Norbert auf, als wir Anfang der Woche im Bundestag bei Kaffe und Kuchen zusammen saßen.
Norbert sprach davon, dass rechtsextremes Gedankengut nach einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung bei der Generation Ü-60 zunehme. Die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt wiederum belegen, dass rechtsextreme Einstellungen bei Jugendlichen überdurchschnittlich ankommen.
Beides muss kein Widerspruch sein. Beides kann sogar zusammenwirken. Umso mehr bedarf es gründlicher Analysen als Politik-Beratung und Parteien, die sich auch beraten lassen. Ich habe deinen Rat, lieber Norbert Madloch, immer gern bedacht. Also gratuliere ich Dir herzlich und mit Dank.
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