Ich will eine kurze Geschichte erzählen, weil ich finde, dass sie genau hier erzählt werden sollte. Vor kurzem war ich in Ungarn. Mein Besuch begann in einem Dorf. Dort wurde vor Jahresfrist das Haus einer Familie angezündet. Als der Vater mit seinem 5-jährigen Sohn dem Inferno entkommen wollte, wurden beide von Neo-Nazis erschossen. Sie waren Roma. In Ungarn wurden im vergangenen Jahr elf Roma ermordet, weil sie Roma waren.
In dem Dorf war ich gemeinsam mit der deutschen Botschafterin in Ungarn, mit dem Zentralrat deutscher Sinti und Roma, mit Vertretern des DFB. Junge Leute, Freiwillige aus Bulgarien, Deutschland und Polen, bringen derzeit das Haus der Familie Szorba in einen bewohnbaren Zustand. Dafür wurden sie von DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger zum Länderspiel Ungarn-Deutschland eingeladen. Im Stadion waren rund 10.000 Zuschauer.
Nahezu zeitgleich wurde die neue Regierung vereidigt. Ihr jubelten über 100.000 Ungarn zu. Es ist eine konservativ-neofaschistische Regierung. Die Neo-Nazis predigen Hass gegen Juden und Roma. Sie wollen Groß-Ungarn zurück. Sie wurden mit 17 Prozent ins Parlament gewählt.
Ungarn hat große Probleme: finanzielle, soziale, gesellschaftliche - zunehmende Probleme. Viele Ungarn fühlen sich abgehängt und ohnmächtig. Wo sich Probleme derart häufen, da werden Schuldige gesucht. In Ungarn sind es vor allem zwei Schuldige. Und viele Medien bedienen die Klischees.
Die Bedrohung von Oben kommt vom Finanz-Kapital, also von Juden. Die Bedrohung von Unten kommt von faulen Kriminellen, also von Roma. Diese schlimme Beschreibung wurde uns von jüdischen Jugendlichen bestätigt. Angst grassiert in der jüdischen Gesellschaft - ebenso bei Roma.
Ich wollte diese Erlebnisse hier erzählen. Weil: Es ist gut und richtig, dass wir heute erneut an das erinnern, was in der NS-Zeit vor rund 70 Jahren geschah. Noch wichtiger ist es aber, alles Erdenkliche dafür zu tun, das sich so etwas niemals und nirgendwo wiederholt. Die Gefahr ist real.
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