Liebe Freundinnen und Freunde,
1. Wer wüsste es besser als Sie: Newroz hat eine Jahrtausend alte Tradition.
Und das Fest hat viele Gesichter. Es kündet von Freude, Frieden und Freiheit.
Umso verwunderter las ich, dass Newroz in Schöneberg mit einer Stafette hochwichtiger Reden gewürzt werden soll. Das muss an der Linken liegen.
Noch verwunderter las ich die Empörung eines Berliner Abgeordneten darüber, dass Parlamentspräsident Walter Momper zu Newroz sprechen wolle.
Es geht um eine Veranstaltung im Berliner Abgeordnetenhaus kommende Woche. Der empörte Ex-CDUler wähnt das deutsche Abendland bedroht.
Das wiederum ist nicht neu. Seit Jahren kämpft Derselbe gegen eine Moschee in Pankow. Der Beifall rechtsextremistischer Kameraden ist ihm Gewiss.
Deshalb will ich eingangs festhalten:
Zu einer multikulturellen Stadt wie Berlin gehört Newroz ebenso selbstverständlich, wie Ostern bei Christen und Nicht-Christen oder das jüdische Purim-Fest. Das ist jedenfalls meine Überzeugung.
2. Nun wissen wir aus der Geschichte, dass es schon häufig Versuche gab, missliebige Bräuche zu entleeren, zu verhindern, ja zu verbieten. So ging es zum Beispiel auch dem Newroz-Fest, das 1923 unter Kemal Atatürk aus dem neu-türkischen Alltag verbannt wurde, von Staats wegen.
Wir erleben hierzulande heute zuweilen ähnliche Debatten, zum Beispiel wenn es um eine so genannte deutsche Leitkultur geht. Ich lehne sie ab. Im besten Fall ist sie nichtssagend-borniert. Im schlechten Fall ist sie nationalistisch-gefährlich. Auf keinen Fall ist sie weltoffen und tolerant.
3. Und weil wir hier in Berlin sind, erinnere ich gern auch an das Potsdamer-Toleranz-Edikt aus dem Jahre 1685 vom Großen Kurfürst Friedrich Wilhelm. Er gab den Hugenotten Zuflucht. Er ließ ihnen Gotteshäuser bauen. Er erließ ihnen Steuern. Er hieß sie Willkommen und alle nach ihrer Fasson leben. Ein geschwätziger Wirrkopf wie Tilo Sarrazin wäre damals, bei Kurfürst Friedrich Wilhelm, sicherlich in tiefe Ungnade gefallen. Zu Recht, finde ich.
4. Natürlich ist das alltägliche Zusammenleben von Menschen verschiedener Herkunft und unterschiedlicher Prägungen kein Karneval der Kulturen. Umso mehr will ich an eine Mahnung der aktuellen Woche der Brüderlichkeit erinnern: Unser Problem heißt nicht Islam. Unser Problem ist Rassismus. Deshalb war ich heute Mittag auch in Neukölln, wo Anwohnerinnen und Anwohner zu einem antifaschistischen Spaziergang eingeladen hatten.
5. Seit rund zwei Jahren gehöre ich zum Berliner Ratschlag für Demokratie. Das ist ein Personenbündnis, das bunter und unterschiedlicher kaum sein könnte. Zu unseren Initiativen gehört eine Respekt-Kampagne. Je bekannter sie wird und je mehr Mitstreiter sie findet, desto besser für uns alle. Dafür werbe ich.
Unser Anliegen haben wir in einer Berliner Verpflichtung formuliert:
Du bist anders als ich. Ich respektiere dich.
Ich bin anders als du. Respektiere mich.
Wer andere Menschen wegen Aussehen, Hautfarbe, Sprache, Herkunft, Religion, Kleidung oder Lebensweise herabsetzt oder ausgrenzt,
trifft auf unseren Widerstand.
Wir zeigen Gesicht.
Für Konflikte gibt es keine einfachen Lösungsmuster. Wer Freund-Feind-Denken überwinden will, darf keinen simplen Parolen folgen.
Wir lassen uns nicht provozieren.
Wir verhalten uns solidarisch.
Wer andere Menschen mit Worten, Gebärden oder Fäusten angreift,
zeigt Schwäche.
Wir sehen nicht tatenlos zu.
Berlin ist unsere Stadt: In der Schule und am Arbeitsplatz, auf der Straße oder im Stadion, in der Nachbarschaft, im Kiez und in öffentlichen Verkehrsmitteln, in öffentlichen Gebäuden oder in der Disko. Wir teilen die gleichen Räume und lassen sie nicht beschädigen.
Wir bleiben offen für das Unbekannte und nehmen aufeinander Rücksicht.
Wir verpflichten uns zu gegenseitigem Respekt.
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6. So, nun habe ich genug politisiert und hoffentlich der viel zitierten Redseligkeit von Linken vorerst Genüge getan.
Aber Newroz ist ein Fest und kein Palaver. Also feiern Sie, feiert ihr, feiern wir, mit offenen Herzen und voller Freude. Ich danke für die Einladung.
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