Aktuelle Notiz: Kronzeugen des Teufels

von Petra Pau
Berlin, 5. April 2008

1. 

Im Hamburger Landtag fand eine aktuelle Debatte statt. Es ging um China, um Tibet, um den Dalai Lama, um Olympische Spiele, um Menschenrechte, um Gott und die Welt. Ging es wirklich um Politik? Natürlich. In Hamburg laufen derzeit Koalitionsverhandlungen zwischen der CDU und den Grünen. Und beide Parteien hatten daher ein großes Interesse, alle aktuellen Hamburger Landes-Themen auszublenden. Also doch lieber Tibet.

2. 

Seit dieser Tibet-Debatte läuft die Empörungswelle über die Rede von Christiane Schneider von der Hamburger Linksfraktion. „Eklat“, schreibt die Netzeitung. „Hellauf entsetzt“, soll SPD-Fraktionschef Michael Neumann den Plenarsaal verlassen haben. „Es verschlägt einem die Sprache“, meinten CDU, SPD und GAL danach unisono. Ein taz-Kommentator schrieb von einem „heiligen Zorn“, der sich gegen DIE LINKE entlud.

3. 

Im taz-Kommentar hieß es wörtlich: „Die Hamburger Linkspolitikerin Christiane Schneider hat den Dalai Lama mit dem Ajatollah Chomeini verglichen. Genau genommen hat sie nur darauf hingewiesen, dass die Welt mit religiösen politischen Führern keine guten Erfahrungen gemacht hat. Zudem hat sie auch China zur Einhaltung der Menschenrechte angemahnt. Doch das zählte nicht mehr.“ So war es wohl.

4. 

Die GAL, einst der linke Flügel der Grünen, wollte nicht über Hamburger Themen reden. Also flog sie selig in die Ferne und stürzte sich daheim wollüstig auf DIE LINKE, die genau das sagte, was die GAL vordem jahrelang gepredigt hatte: Es muss eine staatliche Trennung zwischen Politik und Religion geben. Das war eine Forderung der Aufklärung. Sie gilt noch heute und zwar unabhängig davon, um welche Religion es geht.

5. 

Nun kann man trefflich streiten, ob der von Christiane Schneider suggerierte Vergleich zwischen dem Dalai Lama (Tibet) und Ajatolla Chomeini (Iran) wirklich klug war. Ich halte ihn für falsch. Gleichwohl erleben wir einen kleindeutschen Aufguss des islamistischen Streits über dänische Karikaturen. Wer hierzulande gegen den politisch verordneten Mainstream spricht, wird medial gesteinigt. Allemal, wenn es um DIE LINKE geht.

6. 

Insofern hat der Landtag in Hamburg eine Posse geboten, die mit Demokratie und Meinungsfreiheit wenig zu tun hat. Übrigens auch nichts mit Menschenrechten in China und anderswo. Es ging in der Hamburger Bürgerschaft um klein-taktischen Größenwahn. Man könnte es unter partei-politischer Satire abbuchen, gäbe es da nicht noch einen peinlichen Nachschlag. Und nur deshalb schreibe ich diese Notiz.

7. 

Mein Bundestags-Kollege Norman Paech sprang zugunsten der Linksfraktion in Hamburg in die Bresche. Er wird mit dem Satz zitiert: „Es gibt Zeiten, in denen die sozialen Menschenrechte, also die Befriedigung der Grundbedürfnisse, Vorrang vor den politischen Menschenrechten haben. „Erst kommt das Fressen“, habe schon Brecht gesagt. Bevor man demonstrieren könne, müsse man etwas zu essen haben“, so Paech.

8. 

8Es ist das freie Recht von Norman Paech, so etwas zu meinen. Auch Christa Müller (LINKE, Saarland) ist als Handelsreisende eigener Ideen unterwegs. Aber sie alle haben nichts mit der Programmatik der Linken zu tun. Gerade deshalb finden beide ja auch ein großes Medien-Interesse - als Kronzeugen des Teufels. DIE LINKE wird folglich nicht umhin kommen, auf ihrem nächsten Parteitag Klarheit zu schaffen. Obwohl es Wichtigeres gibt!
 

 

 

5.4.2008
www.petra-pau.de

 

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