Gegen die Militarisierung der Politik!

Ostermarsch in Haldensleben, 24. März 2008
Rede von Petra Pau auf der Abschlusskundgebung

1. 

In den zurückliegenden Jahren war ich zum Ostermarsch stets in der Kyritz- Ruppiner Heide im Norden Brandenburgs. Dort kämpfen mehrere Bürgerinitiativen gegen die Wiederbelebung des „Bombodrom“. Sie wollen keinen Bombenabwurfplatz. Früher wurde er von der Roten Armee genutzt. Nunmehr wird er von der Nato begehrt.
 
Die Gegner des „Bombodroms“ haben vor Gericht mehrere Prozesse gewonnen. Und sie haben die Landtage von Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern auf ihrer Seite - aber nicht die vielfarbigen Bundesregierungen. Kurzum: Ohne den Widerstand der Bürgerinnen und Bürger würden dort längst wieder Bomben fallen. Das darf nicht sein.

2. 

Als der Kampf um das „Bombodrom“ begann, gab es ein internes Dokument. Es unterstellte: Die Bundesregierung werde erfolgreich sein, denn im Osten sei die Friedensbewegung schlechter organisiert, als im Westen, allemal im ländlichen Raum. Die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern wurden damit quasi als willfährig beschrieben.
 
Wir demonstrieren heute mit unserem Ostermarsch: Wir sind weder schwach, noch willfährig. Wir sind hier, weil wir nicht hinnehmen, dass Krieg noch immer ein Mittel der Politik ist. Und wir sind hier, weil wir nicht hinnehmen, dass die Außen- und Innenpolitik der Bundesrepublik Deutschland zunehmend militarisiert wird.

3. 

Aktuell gibt es eine Diskussion über eine neue Tapferkeits-Medaille für Bundeswehrsoldaten, die im militärischen Auslandseinsatz verstümmelt werden oder gar umkommen. Im Gespräch ist sogar ein neues Eisernes Kreuz. Ich hingegen finde: Tapfer sind nicht jene, die Kriege führen. Tapfer sind jene, die Kriege verhindern und Frieden schaffen.
 
Und hinzu kommt: Das „Eiserne Kreuz“ ist nach dem ersten und allemal seit dem 2. Weltkrieg ein verbranntes Symbol des Mordens. Millionen Menschen haben eiserne Tapferkeit mit dem Leben bezahlt. Schlimm genug, dass die Bundeswehr ein solches Kreuz wieder im Schilde führt. Ich jedenfalls lehne jegliche Heroisierung von Krieg und Gewalt ab!

4. 

Ich sprach von der Militarisierung der Innenpolitik. Beim G8-Gipfel in Heiligendamm vor Jahresfrist waren Tausend Soldaten der Bundeswehr inklusive Gerät im Einsatz. Richtig bekannt wurde das erst, als ein Tornado im Sturzflug über ein Camp von G8-Kritikern raste. Das galt selbst der Bild-Zeitung plötzlich als fragwürdig und überzogen.
 
Trotzdem: Bis heute ist nicht geklärt, wer diese militärische Droh-Gebärde gegen innenpolitische Kritikerinnen und Kritiker zu verantworten hatte. Und bis heute wird allgemein hingenommen, dass die Bundeswehr beim G8-Gipfel wie selbstverständlich präsent war. Ich hingegen sage: Das war ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz.

5. 

Das Grundgesetz regelt in Artikel 35, wann die Bundesswehr im Inneren eingesetzt werden darf: nämlich zur Hilfe bei großen Naturkatastrophen und bei besonders schweren Unglücksfällen. Wenn nun aber der G8-Gipfel eine außerordentliche Katastrophe oder ein großen Unglück war, warum hat dann die Bundesregierung so viel Elend ins Land geholt?
 
Aber das eigentliche Problem ist viel größer. Wir erleben seit einigen Jahren, wie ein demokratisch verfasster Rechtsstaat in einen präventiven Sicherheitsstaat umgewandelt wird - manche sprechen auch vom Überwachungsstaat. Ich war vor zehn Tagen in Köln, wo 2.000 Leute genau dagegen und für mehr Demokratie demonstriert haben.

6. 

Ich will hier nur einige Stichworte nennen: Vorratsdatenspeicherung - Online-Durchsuchung - biometrische Pass-Daten - Video-Überwachung - elektronische Gesundheitskarte - usw. Die allgemeine Überwachung hat ein Maß erreicht, das noch vor 15 Jahren unvorstellbar schien. Deshalb ist eine neue Bürgerrechts-Bewegung dagegen überfällig.
 
Hinzu kommt: Jede und Jeder gilt inzwischen von Staats wegen als verdächtig. Das hat mit einem Rechtsstaat nichts mehr zu tun. Wir müssen Fingerabdrücke hinterlegen. Die DNA-Datei wächst. Und nun sollen diese Daten auch noch international ausgetauscht werden. Ich will jedenfalls nicht, dass z. B. die CIA Zugriff auf Ihre persönlichen Daten hat!

7. 

Alle Eingriffe in verbriefte Bürgerrechte werden mit der Terror-Gefahr begründet. Aber die größten Angriffe auf das Grundgesetz kommen derzeit nicht von Terroristen oder Extremisten, sondern von vereidigten Spezialisten für innere Sicherheit. Deshalb finde ich: Es gibt nur einen verlässlichen Verfassungsschutz: engagierte Bürgerinnen und Bürger.
 
Das Bundesverfassungsgericht hatte vor 25 Jahren geurteilt: Bürgerinnen und Bürger, die nicht mehr wissen oder wissen können, was andere über sie wissen, sind nicht mehr souverän. Wer nicht mehr souverän ist, kann auch kein Souverän sein. Eine Demokratie ohne Souveräne aber ist undenkbar. Das ist die große Dimension, um die es auch heute geht.

8. 

Ein abschließender Gedanke. Ich will nichts Falsches vergleichen. Aber wussten Sie, dass der Krieg in Afghanistan inzwischen länger dauert, als der gesamte 2. Welt-Krieg? Und was wurde bisher gewonnen? Nichts! Umso drängender stellt sich die Sinnfrage. Ich bleibe dabei: Das Grundgesetz wird nicht am Hindukusch verteidigt - im Gegenteil!
 
Und ich habe immer gesagt: Der Kampf gegen den Terrorismus lässt sich gewinnen, ein Krieg gegen den Terrorismus aber nicht. Deshalb bleibe ich auch dabei: Wir brauchen keinen Aufstockungs-Plan für die Bundeswehr. Wir brauchen ein Rückzugs-Szenario aus Afghanistan. Und wir brauchen endlich eine wirkliche und globale Friedens- und Entwicklungspolitik.

9. 

Und wir brauchen Ehrlichkeit in der Politik. Erinnern sie sich: Der Krieg gegen den Irak wurde lange angekündigt. Und er wurde mit einer dreisten Lüge vor der UNO begründet. Angeblich verfüge Irak über mobile Massenvernichtungsmittel und angeblich bedrohe der Irak damit die Welt. Nicht von alledem hat sich als wahr erwiesen.
 
Die Bilanz nach fünf Jahren Krieg ist verheerend, für den Irak, für den arabischen Raum, für die Welt. Und noch immer ist kein Ende abzusehen. Deshalb möchte ich noch etwas in Erinnerung rufen: Zu Beginn des Irak-Krieges stieg der weltweite Ölverbrauch erstmals schneller, als der Zuwachs an bekannten Öl-Lagerstätten. Das war der wahre Kriegsgrund.

10. 

Zur Ehrlichkeit gehört auch: Die Bundesrepublik Deutschland ist mitnichten am Irak-Krieg unbeteiligt, wie gern behauptet wird. 2005 hatte sogar der Bundesgerichtshof in einem Urteil festgestellt, dass Deutschland im Irakkrieg sehr wohl kriegsbeteiligt sei. Und zwar an der Seite der USA, die den völkerrechtswidrigen Irak-Krieg vom Zaun gebrochen hatten.
 
Deshalb bleiben die Forderungen der Friedensbewegung auch hoch aktuell: Schluss mit der Unterstützung der USA im Irak-Krieg! Raus mit der Bundeswehr aus Afghanistan! Weg mit den amerikanischen Atom-Waffen auf deutschem Boden. Keine Bundeswehreinsätze im Inneren! Und Stopp den Rüstungs-Exporten und Rüstungs-Milliarden!
 

 

 

24.3.2008
www.petra-pau.de

 

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