Nach 100 Jahren frisch auf

Festveranstaltung 100 Jahre FC Nordost, 12. 01. 2008
Rede von Petra Pau

1. 

Natürlich habe ich gern zugesagt, zu diesem Jubiläum zu kommen und auch kurz zu sprechen. Es ist ja auch noch nicht alltäglich, dass in Marzahn-Hellersdorf jemand 100 Jahre alt wird. Und dann auch noch einer, der selbst im hohen Alter noch "frisch auf" ist, wie der FC Nordost. Dazu gratuliere ich allen, die den Verein durch seine wechselvolle Geschichte begleitet haben und ihm eine Zukunft geben.

2. 

Gleichwohl will ich eingangs etwas tun, was man Politikern gewöhnlich selten zutraut. Ich gestehe nämlich ganz ehrlich ein: Meine Fußball-Kenntnisse sind sehr bescheiden, ganz zu schweigen vom Regelwerk. Ich kenne ein paar gängige Sprüche, wie „das Runde muss ins Eckige“ oder die Devise „Ball flach halten, Ergebnis hochschrauben“ oder „Abseits ist wenn der Schiri pfeift.“

3. 

Die habe ich gelernt, weil ich mehrfach Ehren-Coach beim Berliner Avitall- Cup war. Bei diesem Turnier spielen Juden, Muslime, Christen, Atheisten, bekennende Schwule und zuletzt auch Polizisten mit ihren Mannschaften um den Pokal, der von der namhaften Kantorin der jüdischen Gemeinde gestiftet wurde. Es geht dabei also nicht nur um den Sieg, sondern vor allem auch um das Miteinander verschiedener Kulturen.

4. 

So ein Engagement, weit über den Fußball hinaus, kann sehr vielfältig sein. So, wie sich der FC Nordost ja auch im Quartiers-Management einsetzt, aus Eigennutz und zum Nutzen des Bezirkes. Und meine besondere Hochachtung gilt auch allen, die sich Woche für Woche für die Kinder und Jugendlichen einsetzen. Das ist viel wertvoller und hilfreicher, als das aktuelle Wahlkampf-Hick-Hack über das Jugendstrafrecht.

5. 

Gestern gab es Life- und Sonder-Sendungen, weil Klinsmann demnächst Trainer beim FC Bayern wird. Das ist die Vorzeige-Seite des Fußballs. Dass dabei hohe Millionen-Summen im Spiel sind, versteht sich. Das Herzblut aber, der Elan und die Verlässlichkeit, von denen Vereine, wie der FC Nordost leben, ist eine andere Währung. Sie wird weniger öffentlich gewürdigt. Ich tue es daher ausdrücklich und mit Dank.

6. 

Eine Episode will ich noch erzählen. 2003 bekam ich einen Anruf von der BILD- Zeitung. Günter Netzer hatte gesagt, aus Michael Ballack würde nie ein Führungsspieler. Denn der Ballack komme aus dem Osten und wer aus dem Osten komme, könne nicht führen. Der BILD- Journalist hatte sich offenbar gedacht: Ein Wessi hat einen Ossi beleidigt - also ein Fall für Petra Pau von der PDS. Und deshalb solle ich dazu etwas erklären.
 
Nun hatte ich eingangs gesagt: Meine Fußball-Kenntnisse sind sehr bescheiden. Also suchte ich Hilfe. Ein Freund meinte, er habe da so eine Ahnung. Vielleicht war Netzer bei dem WM-Spiel 1974 in Hamburg dabei, als die DDR überraschend 1:0 gegen die BRD gewonnen hatte. Er bat um eine Stunde Zeit, googelte im Internet, wurde fündig und tatsächlich, es war so und es war sogar noch besser, als er geahnt hatte.
 
Und so stand in der BILD, bundesweit, auf Seite 1: Die fußball-politische Sprecherin der PDS im Bundestag, Petra Pau, hat die Ausfälle Netzers gegen Ballack scharf zurück gewiesen und an das Hamburger Spiel 1974 erinnert. Wörtlich: „In der 69. Minute wurde Günter Netzer eingewechselt. Und während Wessi Netzer im Mittelfeld vor sich hin döste, schoss Ossi Sparwasser in der 78. Minute das Führungs- und Sieg-Tor.“
 
Tags darauf kamen mehrere Bundestagskollegen zu mir, von CDU bis SPD, vorwiegend Wessis. Sie freuten sich alle diebisch. „Endlich hat es dem arroganten Netzer mal einer gegeben“, meinten sie. Die Moral von der Geschicht': Selbst wenn man mal nicht so gut drauf ist - wie ich beim Thema Fußball - man kommt immer weiter, wenn man gute Freunde hat. Und genau die wünsche ich dem FC Nordost für die nächsten 100 Jahre.
 

 

 

12.1.2008
www.petra-pau.de

 

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