Es ist genau ein Jahr her, am 16. August 2002, da übergab die sogenannte Hartz-Kommission ihre Vorschläge feierlich Bundeskanzler Schröder (SPD). Zur Präsentation des Gesamtwerkes wurde extra der Französische Dom in Berlin angemietet. Es fehlte auch nicht an großen Worten. Und Versprechen. Ziel des Masterplans sei es, die Zahl der Arbeitslosen in drei Jahren um zwei Millionen zu reduzieren und die Dauer der Arbeitslosigkeit von heute durchschnittlich 33 auf 22 Wochen zu reduzieren. Das meinte die Bundesregierung, damals.
Drei Monate später gab es im Bundestag eine große Debatte. Bundeswirtschaftsminister Clemens (SPD) warnte alle Skeptiker vor Schwarz-Malerei. Es gibt keinen Grund für Hartz-Pralerei, erwiderte ich für die PDS im Bundestag. Ich sollte leider Recht behalten. Dieser Tage wartete die Uni Erlangen-Nürnberg mit einer Studie auf. Die Hartz-Erfolge werden marginal sein, wenn sie überhaupt eintreten, meinte deren Autor, Prof. Dr. Hermann Scherl. Ähnliches prognostiziert das DIW, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung.
Wer sich nicht ständig mit dem befasst, was alles unter den Namen Hartz firmiert, verliert schnell den Überblick. Gewiss, Begriffe wie JobCenter oder Ich-AG sprechen sich zuweilen herum. Aber die 13 Module des Hartz-Konzeptes und die inzwischen vier Gesetz-Pakete zu ihrer Umsetzung bieten hinreichend Stoff für Wirr-Warr oder Kuddel-Muddel. Was aber sind die Leitlinien und Kardinal-Fehler der angeblichen Jahrhundert-Reform?
Das Hartz-Konzept konzentriert sich auf die Arbeitssuchenden und Arbeitslosen, nicht auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Sie sollen ihr Schicksal besser meistern, flexibler werden, williger und billiger. Damit verknüpft werden Legenden und das ist die zweite Crux. Es wird das Bild vom faulen, schmarotzenden Arbeitslosen hofiert und es wird einem Billig-Lohnsektor das Wort geredet. Dies alles hält keinem ernsten Praxistest stand, hat aber fatale Langzeitwirkungen für die Betroffenen und für die Gesellschaft.
Nichts spricht dagegen, die Arbeitsämter zu modernisieren, Abläufe zu beschleunigen und die Betreuung von Arbeitssuchenden zu verbessern. Aber wo nichts zu vermitteln ist, nützt die beste Vermittlung nichts. Nichts spricht dagegen, Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II zusammenzulegen, um Bürokratie abzubauen. Aber vor allem geht es dabei um eine deutliche Senkung der Bezüge. Der Preis: wachsende Armut, sinkende Kaufkraft, fehlende Aufträge, noch mehr Arbeitslose.
Als Hartz im Französischen Dom gefeiert wurden, kam es zu einer erhellenden Episode. Er vermisse, sagte Helmut Holter (PDS), Arbeitsminister in Mecklenburg-Vorpommern, Vorschläge für die neuen Bundesländer. Er wurde gerügt: 12 Jahre nach der Vereinigung sei die Zeit für Sonderwünsche vorbei. Das war arrogant und engstirnig. Auch in den alten Ländern gibt es Regionen, wo auf einen freien Arbeitsplatz 25 Arbeitssuchende kommen. Das ist in Bayern so, auch im Saarland, nicht nur in Sachsen oder Berlin. Ganze Landstriche vergreisen, weil die Jungen ihr Heil in der Ferne suchen, müssen, von Staats wegen.
Übrigens: Wären Niedriglöhne ein Allheilmittel gegen hohe Arbeitslosigkeit, so würde das Dilemma im Osten gen Null tendieren. Dort muss noch immer länger gearbeitet werden, für weniger Geld, bei gleichen Lebenskosten wie im Westen. Das alles führt zu der Frage: Ist "Hartz" ein verfehltes Konzept? Leider nein, denn es ist gewollt und es hat Methode. Das größte gesellschaftliche Problem - die Massenarbeitslosigkeit - wird zunehmend bei den Betroffenen abgeladen. Der Staat entzieht sich seinem Sozialauftrag. Er wird ihm entzogen.
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