„Pro Ethik“ will verbinden, „Pro Reli“ würde trennen

Diskussionsbeitrag von Petra Pau auf der VertreterInnenversammlung der Linkspartei Marzahn-Hellersdorf am 20. Februar 2009

1. 

In der ersten Wochenhälfte war ich in London. Dort fand eine internationale Konferenz zum Kampf gegen Antisemitismus statt. An ihr nahmen 150 Parlamentarier aus 40 Ländern teil. Ich war gebeten worden, als Vize-Präsidentin des Bundestages einen Redebeitrag beizusteuern. Das habe ich gerne getan. Wer von euch mehr dazu wissen möchte, wird auf meiner Web-Seite fündig. Selbstverständlich hilft auch mein Wahlkreisbüro. Aber das nur als Anregung vorweg.

2. 

Mein Thema heute ist „mehr Demokratie wagen“. Das war ein Wahl-Slogan von Willi Brandt. Und das ist ein Markenzeichen der Partei DIE LINKE. Seit Rot-Rot in Berlin regiert, rangiert das Land Berlin im demokratischen Bundesvergleich auf Rang 1. Vorher war Berlin mit Platz 15 „Bummel-Letzter“. Das hat sich geändert - gegen den anhaltenden Widerstand der Berliner CDU.

3. 

Dieser Widerstand gegen „mehr Demokratie“ ist bei der Bundes-Union übrigens ungebrochen. Es gab vorige Woche eine Vor-Abstimmung im Innenausschuss des Bundestages. DIE LINKE, die FDP und die Grünen hatten jeweils beantragt, Volksabstimmungen endlich auch auf Bundesebene zuzulassen. DIE CDU/CSU stellte sich quer und auch die SPD hat nicht zugestimmt.

4. 

Wir alle spüren: Es gibt gesellschaftliche Anzeichen für zunehmenden Demokratie-Verdruss. Dagegen nützt weder Schönreden, noch Klagen. Gegen Demokratie-Verdruss hilft nur mehr Demokratie, mehr direkte Demokratie. Umgekehrt ist Demokratie-Verdruss ein klassisches Einfalls-Tor für Rechtsextremisten mit ihren menschenfeindlichen Parolen. Auch deshalb ist die Ablehnung der großen Koalition ja so fatal.

5. 

Aber zurück ins Land Berlin: Seit Volksabstimmungen hier dank Rot-Rot und gegen den Widerstand der CDU alltäglicher geworden sind, übertrifft sich ausgerechnet die CDU als APO auf der Straße! Erst wollte sie verhindern, dass es eine Rudi-Dutschke-Straße gibt. Dann wollte sie den Flughafen Tempelhof offen halten. Nun kämpft sie für „Pro Reli“. Und spätestens hier ist DIE LINKE massiv gefordert.

6. 

Worum geht es? In Berlin, auch im alten West-Berlin, gab es Religions-Unterricht an den Schulen immer nur als Kür. Daran hat sich nichts geändert. Wer seine Kinder in Religion unterrichten lassen will, kann das unverändert tun. Die Schulen bieten dafür - wie gehabt - eine Heimstatt. Rot-Rot hat den Kirchen also nichts genommen, wohl aber der Stadt etwas gegeben. Und das ist das Pflichtfach „Ethik“ - aus gutem Grund.

7. 

In Berlin leben Bürgerinnen und Bürger aus 150 Nationen. Sie kommen aus unterschiedlichen Kulturen und sie folgen unterschiedlichen Religionen. Was also liegt näher, als diese Unterschiede auch in den Schulen für alle verständlich und erlebbar zu machen. Multikulturell und interreligiös und zwar Miteinander - das ist der tiefere Sinn des Unterrichtsfaches, das verkürzt „Ethik“ heißt.

8. 

Nun will „Pro Reli“ per Volksabstimmung erwirken, dass der Religions-Unterricht und der Ethik-Unterricht gleichberechtigt ab erster Klasse angeboten werden. Der werbewirksame „Pro Reli“-Slogan heißt Wahl-Freiheit. Ich habe diese Kampagne öffentlich als Lüge kritisiert. Die Berliner Morgenpost hat daraufhin auf Seite 1 getitelt: „Pau giftet gegen Pro Reli!“ Ich bleibe dennoch dabei.

9. 

Und lasst Euch bitte nicht täuschen: Die bisherige „Pro-Reli“-Kampagne hat auch deshalb so viel Zuspruch erhalten, weil sie namhaft unterstützt wird: von Spitzen-Politikern und TV-Stars, von religiösen Repräsentanten und bekannten Sportlern, von Wirtschafts-Unternehmen und von Medien, die tendenziös für „Pro Reli“ berichten. Über den finanziellen Rückhalt von „Pro Reli“ lässt sich bestenfalls mutmaßen.

10. 

Dagegen steht das Bündnis Pro Ethik. Die Humanistische Union gehört dazu, die Berliner SPD, die Berliner Linkspartei, auch zahlreiche Gliederungen der Kirche und viele andere mehr. Unter www.proethik.info findet ihr im Internet mehr dazu. Aber Fakt ist: „Pro Reli“ ist medial in der Vorderhand. Außerdem lockt ihr Werbefeldzug selbst Leute an, die eigentlich das Gegenteil wollen. Worum geht es also wirklich?

11. 

Sollte „Pro Reli“ den Volksentscheid gewinnen, dann passiert Zweierlei. Erstens: Das Fach „Ethik“ wird sinnentleert. Denn wenn alle Schülerinnen und Schüler mit einem religiösen Bezug dem "Ethik"-Unterricht entzogen werden, dann bleibt eine Handvoll Atheisten übrig. Von einem interkulturellen und interreligiösen Dialog könnte dann nicht mehr die Rede sein. Das Fach „Ethik“ wäre faktisch abgeschafft.

12. 

Zugleich bekämen Kirchen und Religionsgemeinschaften in Berliner Schulen einen Status und einen Einfluss, den sie vordem nie hatten. Ich halte das für eine doppelte Rolle rückwärts. „Ethik“ würde geköpft und „Reli“ würde gekrönt. Das kann DIE LINKE nicht wollen. Aktiver gesagt: Das müssen wir verhindern. Deshalb müssen ab jetzt wir alle aktiv für die anstehende Volksabstimmung am 26. April werben.

13. 

Die erste Phase des Volksbegehrens hat gezeigt: „Pro Reli“ vermag viel Zuspruch einzuheimsen. Also hilft kein Aussitzen. Wir müssen endlich breit dafür werben, dass „Pro Ethik“ ein Zukunftsfach ist. Es wäre übrigens ein Treppenwitz der Geschichte, wenn „Pro Reli“ ausgerechnet im rot-roten Berlin ein Roll-Back gelänge. Genau das aber droht. Und deshalb bitte ich euch alle um aktive Mitarbeit.

14. 

Dabei führen wir keinen Anti-Kirchen-Kampf. Manche hätten das gern. Aber das wäre nicht nur falsch, das wäre sogar regelrecht kontraproduktiv. Im Kern geht es um bessere Bildung für alle. Das war und bleibt ein zentrales Thema der Linken. „Pro Ethik“ will verbinden. „Pro Reli“ würde trennen. Das sollten die vielen Unentschlossenen wissen, damit sie entschlossen gegen „Pro Reli“ stimmen.

15. 

Wir haben immer für mehr Demokratie gekämpft. Aber wenn es denn schon mehr Demokratie gibt, wie nun endlich auch in Berlin, dann müssen wir das auch nutzen. Also sprecht mit euren Nachbarn, sprecht mit euren Bekannten: Die Volksabstimmung am 26. April ist wichtig für Berlin. Sie wird übrigens auch zeigen, was wir als LINKE drauf haben. Und das wiederum ist wichtig für die bevorstehende Bundestags-Wahl.
 

 

 

14.1.2009
www.petra-pau.de

 

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