1. Bevor ich zu meinem eigentlichen Punkten komme, will ich auf das Thema der Woche eingehen. Jedenfalls wenn es nach der CDU ginge.
Ihr Parteitag hat beschlossen: Das Grundgesetz möge geändert werden.
Demnach soll Artikel 22 einen neuen Absatz 3 erhalten. Er bestimmt:
Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch.
Daraufhin habe ich einen Zusatzpunkt 4 vorgeschlagen: Das Wetter in der Bundesrepublik ist Deutsch, woher es auch kommen möge!
Ich spreche diesen Unsinn gerade bei euch an, weil die Union in Baden-Württemberg ja gelegentlich ähnlich deutschtümelnd daher kommt.
Das mag an Ministerpräsident Oettinger und seinen burschikosen Verbindungen liegen. Jedenfalls kommt zuweilen Absurdes heraus.
Erinnert euch. Eure Landes-CDU hatte einen Fragebogen für Migrantinnen und Migranten entwickelt - ein Einbürgerungs-Test.
Demnach sollte es eine Muslima gut finden, wenn ihr Sohn schwul ist. Und ein Muslime sollte sich freuen, wenn er endlich eine Frau zur Chefin bekommt. Angeblich, weil das zwingend zur deutschen Kultur gehöre.
Ich habe mich damals gefragt: Was hat der Oettinger eigentlich gegen den Papst aus Bayern? Denn Benedikt XVI. würde nie eine Frau über sich dulden. Und über einen schwulen Sohn darf er sich auch nicht freuen.
Zurück zur Politik:
Die so genannte deutsche Leitkultur ist kein gesellschaftliches Bindemittel. Sie ist vielmehr eine Worthülse mit nationalistischer Sprengkraft. Und deswegen lehnen wir Linke sie auch strikt ab.
2. Gestern Mittag war ich in Heidelberg. Ich habe das Dokumentations- und Kulturzentrum besucht und mit dem Zentralrat der Sinti und Roma gesprochen. Unter anderem ging es um die EU-Richtlinie zur Verbesserung der Situation der Roma und Sinti-Minderheiten in Europa - ein drängendes Thema.
Abends war ich in Rastatt. DIE LINKE hatte - nomen est omen - ins Freiheits-Museum geladen. Anlass war der 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Ich war gerne bereit als Vizepräsidentin über die Aktualität der allgemeinen Menschenrechte zu sprechen.
Und die Bilanz weltweit ist nach wie vor erschreckend. Zum Beispiel:
In Ägypten wird täglich eine Frau von ihrer Familie umgebracht.
In China werden Jahr für Jahr Hunderte Todesstrafen vollstreckt.
In Afrika werden Kinder zu Soldaten und damit zu Mördern gemacht.
In Syrien gehört Folter zum Standard, und
Guantanamo ist synonym für Menschenrechtsverletzungen der USA.
Die Schreckens-Bilanz von amnesty international ist viel länger.
Nun gibt es dieser Tage landauf, landab viele Festreden anlässlich 60 Jahre allgemeine Menschenrechtserklärung. Auf der Veranstaltung in Rastatt aber haben wir etwas getan, was nicht zum Standard gehört.
Wir haben die Realität hierzulande mit der Proklamation verglichen.
Artikel 13 besagt: Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen.
Schaut euch bitte die Repressalien an, die hierzulande für Menschen in Not, zum Beispiel für Asylbewerber, gelten.
Artikel 21 besagt: Jeder hat das Recht, an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten seines Landes unmittelbar (...) mitzuwirken.
Tatsächlich aber ist die Bundesrepublik Deutschland in Fragen direkter Demokratie noch immer ein EU-Entwicklungsland.
Artikel 23 besagt: Jeder hat das Recht auf freie Berufswahl, auf Schutz vor Arbeitslosigkeit und auf gleichen Lohn für gleiche Arbeit.
Allein das Hartz-IV-Gesetz, die Leiharbeit, aber auch die Ost-West-Tarif-Politik der Gewerkschaften, bewirken genau das Gegenteil.
Deshalb sage ich: Es ist wichtig an die allgemeinen Menschenrechte zu erinnern. Aber noch wichtiger ist es, dass wir auch hierzulande endlich eine Politik bekommen, die dieser Erklärung gerecht wird. Und genau dieser reale Politikwechsel, das ist unsere gemeinsame linke Mission.
3. Wer mich kennt, kennt auch mein politisches Credo.
DIE LINKE muss eine Partei der sozialen Gerechtigkeit sein.
Die LINKE muss eine Anti-Kriegs-Partei sein.
DIE LINKE muss aber immer auch eine moderne sozialistische Bürgerrechtspartei sein.
Alle drei Markenzeichen gehören zusammen.
Überall, wo Menschenrechte, Freiheitsrechte und Bürgerrechte bedroht werden, da muss DIE LINKE unterwegs und erkennbar sein.
Für euch heißt das aktuell: Leistet im breiten Bündnis Widerstand gegen das geplante Demonstrations-Verhinderungsrecht in Baden-Württemberg.
Das Demonstrations- und Versammlungsrecht ist ein Grundrecht, es ist ein Schutz- und Trutzrecht souveräner Bürgerinnen und Bürger - auch gegen den Staat. Und deshalb darf man es der Regierung nicht durchgehen lassen, wenn sie Bürger- und Grundrechte angreift.
4. Es gibt noch weitere Baustellen, zum Beispiel den Datenschutz. CDU/CSU und SPD haben verfügt, dass alle Telekommunikations-Verbindungsdaten sechs Monate auf Vorrat gespeichert werden:
jedes Telefonat, jede SMS, jede e-mail, jeder Internet-Besuch.
Anfang November sind dagegen in Berlin rund 50.000 Bürgerinnen und Bürger auf die Straße gegangen. Es war die größte Bürgerrechts-Demonstration der letzten Jahrzehnte. Und es ist wichtig, dass DIE LINKE so zahlreich und prominent wie möglich dabei ist.
Es ist übrigens das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass gleich zwei Vizepräsidenten des Bundestages gegen ein Gesetz des Bundestages klagen: Otto Solms von der FDP und ich im Bündnis mit 30.000 Klägern gegen die Vorratsdatenspeicherung.
Aber verlassen wir uns nicht auf das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Der wirksamste Verfassungsschutz sind noch immer agile Bürgerinnen und Bürger, die ihre eigenen Grund- und Freiheitsrechte verteidigen. Und DIE LINKE sollte immer bei ihnen sein.
5. Baustelle Bundeswehr: Glaube niemand, dass Bundesinnenminister Schäuble und die CDU/CSU ihre Pläne aufgegeben hätten, die Bundeswehr bei brenzligen Situationen auch im Innern einsetzen zu können. Und es geschieht ja schon längst.
Erinnert euch nur an den G8-Gipfel in Heiligendamm. Die Bundeswehr war mit Gerät dabei. Der Höhepunkt war, als ein Jagdflugzeug im Tiefflug über ein Camp mit G8-Kritikern raste. Da wurden selbst die Medien munter. Ich sage: verfassungswidrig war der gesamte Einsatz.
Das Grundgesetz erlaubt Inneneinsätze der Bundeswehr nur bei schweren Unglücken oder Katastrophen. Ich hatte Kanzlerin Merkel danach gefragt: Wenn der G8-Gipfel ein schweres Unglück oder eine Katastrophe war, warum haben sie den G8-Gipfel dann überhaupt ins Land geholt?
6. Baustelle BKA-Gesetz: Ihr werdet es erleben, am 19. Dezember wird die SPD ihre kurze Aufruhr gegen die CDU/CSU abblasen und gemeinsam mit der Union das neue BKA-Gesetz beschließen. Und sie wird tönen, sie habe dank ihrer Hartnäckigkeit das Schlimmste verhindert.
Erreicht hat sie, dass Computer nur dann heimlich vom BKA ausgespäht werden dürfen, wenn vordem ein Richter zugestimmt hat. Viel fataler ist es, dass es diese Online-Durchsuchungen überhaupt geben darf. Denn sie sind ein ganz tiefer Eingriff in die Privatsphäre.
Aber selbst das ist nicht einmal der entscheidende Punkt. Das Bundeskriminalamt erhält mit dem Gesetz Befugnisse, die es nie kriegen dürfte. Dazu gehören Geheimdienstbefugnisse, obwohl aus gutem Grund ein striktes Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten gilt.
Das eigentlich Entscheidende ist: Das BKA soll jede Straftat und jeden Terrorakt verhindern, der denkbar scheint. Folglich soll die staatliche Sicherheit möglichst alles über jeden wissen. Jede und jeder gilt als verdächtig. Damit wird der Rechtsstaat regelrecht auf den Kopf gestellt.
Das Ergebnis zeichnet sich schon jetzt ab: Wir erleben den Umbau des demokratischen Rechtsstaates zu einem präventiven Sicherheitsstaat, andere sprechen auch vom Überwachungsstaat. Dagegen muss DIE LINKE als Bürgerrechtspartei jederzeit und allerorten sein.
7. Ein weiteres Wort zum Datenschutz: Er wird ja vielfach als Privatsache angesehen. Die einen schützen ihre Daten bestmöglich. Die anderen finden, sie hätten ja nicht zu verbergen. Aber das Ganze hat auch eine gesellschaftliche Dimension, und zwar eine sehr weitgehende.
Die Älteren werden sich erinnern. In den 1980er Jahren gab es in der Bundesrepublik (alt) zunehmende Proteste gegen eine Volkszählung. Der Streit kam vors Bundesverfassungsgericht und das entschied zugunsten der Bürgerinnen und Bürger. Es begründete das Recht auf Datenschutz.
In diesem so genannten Volkszählungs-Urteil hieß es sinngemäß:
Bürgerinnen und Bürger, die nicht mehr wissen oder wissen können, wer was über sie weiß, sind als Mensch nicht mehr souverän.
Wer als Mensch nicht mehr souverän ist, kann als Bürgerin oder Bürger kein gesellschaftlicher Souverän sein.
Eine Demokratie ohne Souveräne aber ist nicht denkbar.
Das ist die gesellschaftliche Dimension, um die es aktuell geht. Es geht um den Bestand und um die Zukunft der Demokratie. Für DIE LINKE sind Demokratie und Mitbestimmung zentrale politische Prämissen. Mehr Demokratie ist eine Schlüsselfrage für eine bessere Gesellschaft.
8. Und deswegen abschließend noch mal:
DIE LINKE muss immer auch eine moderne sozialistische Bürgerrechtspartei sein. Das lehrt die Geschichte und das ist unabdingbar für die Zukunft. Wenn nicht, dann gefährden wir selbst unser Engagement für soziale Gerechtigkeit und für weltweiten Frieden.
Das war meine Botschaft für heute. Und in diesem Sinne wünsche ich eurem Parteitag und eurem Landesverband alles Gute und viel Erfolg.
Das war meine Botschaft für heute. Und in diesem Sinne wünsche ich eurem Parteitag und eurem Landesverband alles Gute und viel Erfolg.
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