Einer trage des anderen Last
Bewerbungs-Rede auf der LandesvertreterInnenversammlung der PDS Berlin
6. August 2005
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Ich bewerbe mich bei euch für den Listenplatz 2. Und ich will erneut das Direktmandat für die PDS, für die Linkspartei.PDS, im Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf erringen.
Ihr wisst: Ich habe mich immer für eine soziale und gerechte Gesellschaft engagiert. Ich habe stets gegen die Militarisierung der Politik gestimmt.
Und als Berliner Ost-Gewächs habe ich auch entsprechend gekämpft.
Meine Kurzbilanz aus dem ablaufenden Bundestag wurde inzwischen zum geflügelten Wort: In allen großen Fragen stand es 2 zu 4 - zwei PDS-Frauen gegen vier Fraktionen. Das war wirklich so. Was nur zeigt: Der Bundestag repräsentiert längst nicht mehr die Meinung der Bevölkerung. Deshalb bin ich - aus politischen Gründen - für Neuwahlen, auch wenn das Verfahren rechtlich umstritten ist.
Aber eine Mehrheit der Bevölkerung ist gegen den systematischen Sozialabbau. Und eine Mehrheit im Bundestag befördert ihn. Das ist ein Widerspruch, das kann nicht gut gehen, und das können, ja müssen wir ändern.
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Nun stehen seit dieser Woche die ersten Großflächen rum. Meine liebste kommt von der SPD und meint: Wir sind für soziale Gerechtigkeit. Und was tun die Anderen? Auf der nächsten ist die SPD für den Frieden und auf der dritten auch noch mutig. Deshalb greife ich mal ein Bild auf, dass ich zum Jahreswechsel umrissen habe, und das mehr beschreibt, als jede Sonntags-Rede.
Ihr erinnert euch: Das große Thema rund um die Weihnachtstage war der Tsunami in Asien, seine Zerstörung und seine Opfer. Es gab eine Welle der Solidarität. Ich kenne selbst Hartz-Betroffene, die gespendet haben. Im Fernsehen liefen Sonder- und Benefiz-Sendungen. Daher wissen wir: Die ALDI-Brüder -Multi-Milliardäre - haben je 250.000 Euro gespendet. Die Bundesregierung war spendabler. Sie stellte 500 Millionen Euro für die zerstörten Regionen bereit. Ich habe das begrüßt.
Allerdings: Kurz zuvor hatte die Bundesregierung mit den Stimmen der SPD und der Grünen 13 Milliarden Euro für neue Rüstungsprojekte beschlossen. Das haben wir natürlich abgelehnt. Allein diese Zahlen zeigen: Das Militärische hat in der aktuellen Politik einen Vorteil von 26 zu 1 gegenüber ziviler Hilfe. Und genau das muss endlich umgekehrt werden.
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Aber das Beispiel geht noch weiter. Die ALDI-Brüder können ihre 250.000 Euro locker abbuchen. Sie zahlen es aus der Zins-Kasse. Mehr noch: Durch die rot-grüne Steuerreform haben sie und andere obendrein Milliarden eingeheimst, während ALG-II-Empfängern die angestammte Wohnung geneidet wird.
Ich frage euch: Was ist an alledem gerecht, was ist an alledem friedlich und was ist an alledem mutig? Nichts! Und deshalb muss endlich wieder eine starke Linksfraktion in den Bundestag.
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Nun höre ich seit Wochen von der SPD und von den Grünen wundersame Dinge. Die Reichen sollen stärker besteuert werden, weil das gerecht sei. Die Löhne sollen steigen, weil das den Binnenmarkt stärkt. Und das ALG-II-Ost soll angeglichen werden, weil das geboten sei.
Ich kann Euch nur warnen. Denn immer, wenn wir Ähnliches gefordert haben, dann wurden wir drei Jahr lang belehrt, solche Forderungen seien Schwachsinn, populistisch und obendrein unbezahlbar.
Deshalb muss sich die SPD entscheiden: Entweder unsere alten und ihre neuen Forderungen sind richtig. Dann kann sie die ganze Agenda 2010 in die Tonne werfen. Oder sie bleiben bei ihrer Agenda 2010. Dann sollten sie damit aufhören, populistisch Wahllügen zu streuen.
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Und auch darüber sollten wir sprechen: Die SPD ist zu Recht stolz darauf, die älteste Partei Deutschlands zu sein, so zu sagen eine ehrwürdige alte Dame. Das stimmt. Aber wir wissen auch: Bei Älteren nimmt das Langzeitgedächtnis zu, während das Kurzzeitgedächtnis abnimmt. Das erklärt vielleicht, warum Müntefering immer noch sagt, sie seien sozial und demokratisch.
Aus demselben Grund wird die SPD nach dem 18. September auch wahrscheinlich komplett vergessen haben, was sie vorher versprochen hatte. Auch deshalb müssen wir rein, um der chronisch vergesslichen SPD auf die Sprünge zu helfen.
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6. |
Das trifft übrigens auch schon auf die Grünen zu. Vor Jahren sah ich mal eine Karrikatur. Darauf war ein Bestattungsinstitut mit der Werbung: Erdbestattung, Feuerbestattung, Seebestattung, Kompostierung. Gefragt, was es mit der Kompostierung auf sich habe, antwortete der Bestatter: Jetzt kommen auch die Grünen ins Alter.
Ich habe jedenfalls aufgehört zu zählen, wie oft Bündnis 90/Die Grünen in den letzten sieben Jahren auf Parteitagen Volksabstimmungen auf Bundesebene gefordert und beschlossen haben. Doch immer, wenn es im Bundestag ernst wurde, dann war davon nichts mehr zu spüren.
Dass Deutschland im EU-Vergleich in Sachen direkter Demokratie noch immer ein Entwicklungsland ist, das gehört zu den größten Versäumnissen von Rot-Grün und das muss sich endlich ändern.
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Ich will Euch auch noch mein Lieblings-Zitat der Woche verraten.
Es heißt: Die Linkspartei ist die unsozialste Partei die sich um den Bundestag bewirbt. Ich liebe es nicht, weil es etwa stimmte. Ich liebe es, weil es von der FDP kommt.
Ausgerechnet die Partei, die einen Feldzug gegen die Gewerkschaften führt, ausgerechnet die Partei, bei der Privat immer vor Katastrophe geht, ausgerechnet die Partei, die mit dem Sozialstaat über Kreuz liegt, spricht über Soziales. Frei nach dem Motto: Frechheit siegt.
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Ich habe meinen Wahlkampf unter ein anderes Motto gestellt: Einer trage des anderen Last. Ich darf das, denn ich galt ja zuweilen als bibel-politische Sprecherin der PDS im Bundestag. Ich tue es, weil es Erinnerungen an einen DEFA-Film weckt, der in Ost und West preisgekrönt wurde. Eben: Einer trage des anderen Last!
Vor allem aber habe ich das Motto gewählt, weil ich Werte, wie Solidarität, Frieden und Gerechtigkeit stärker in der Politik verankern will. Ihr merkt: Ich komme damit sogar einer wiederholten Forderung der CDU/CSU nach, die ja unentwegt über Werte und Kultur reden will.
Allerdings verstehe ich unter Kultur etwas anderes, als Stoibers deutsche Leitkultur. Für mich sind auch andere Werte wichtig, als Becksteins Demut und Gehorsam. Ich will überhaupt eine andere Gesellschaft, als Merkel & Co. Ich will eine gerechte, eine friedliche, eine solidarische.
Deshalb und in diesem Sinne, liebe Genossinnen und Genossen,
bitte ich um Euer Votum für Platz zwei der Berliner Landesliste und für die Direktkandidatur in meinem Heimat-Bezirk Marzahn-Hellersdorf.
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