Aktuelle Notiz: PDS & WASG und viel mehr
von Petra Pau
Berlin, 24. Juni 2005
Ich bekomme viel Post und Fragen, zunehmend zu den laufenden Verhandlungen zwischen der PDS und der WASG, vor allem aus den alten Bundesländern. Viele Zuschriften erreichen mich über meine normale Bundestagsadresse, etliche über meine Treffpunkt-Seite im Internet.
Die Meinungen sind so unterschiedlich, wie ich sie innerhalb der PDS und in deren Umfeld erlebe. Da schwingt Euphorie mit und da keimt Hoffnung. Zugleich gibt es Bedenken und Ängste. Aber alle Zuschriften bezeugen: Es kommt Bewegung in die etablierte politische Starre. Und das ist gut.
Die Ereignisse überschlagen sich zuweilen von Tag zu Tag. Das war am Abend der NRW-Wahl so, als sich Bundeskanzler Schröder eine Neuwahl wünschte. Das war am 22. Juni so, als der PDS-Vorstand einen neuen Namen für die PDS vorschlug, um das angestrebte Bündnis mit der WASG zu ermöglichen.
Seither werde ich auch immer wieder von Medien zu meiner Sicht befragt. Sie wird dann in Halbsätzen verbreitet, mal eine neue Linken befürwortend, mal die PDS bewahrend. Das greift natürlich jeweils zu kurz. Deshalb beschreibe ich in - unvollständigen - Thesen meine aktuelle Sicht.
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Die soziale Frage ist für mich eine zentrale politische Frage. Sie war es immer. Sie galt offiziell lange als nachrangig. Sie wurde medial zugeschüttet. Spätestens mit Hartz IV ist sie wieder massiv spürbar.
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Meine Sicht geht noch weiter: Ich halte die gesamte Agenda 2010 von Bundeskanzler Schröder und der rot-grünen Koalition für einen Gegenentwurf zu einem modernen, sozialen Bürgerrechtsstaat.
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Das führt mich auch zu der Empfehlung: Es geht bei den vorgezogenen Neuwahlen nicht um Schröder oder Merkel. Zur Volks-Abstimmung stehen die Politik und die Zukunft der Bundesrepublik Deutschland
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In diesem Kontext gibt es Bemühungen linke Kräfte zu bündeln, die bislang nebeneinander oder gar gegeneinander agieren. Das finde ich grundsätzlich wichtig und deshalb engagiere ich mich dafür.
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Es ist ein großes Manko, dass es in Deutschland bisher keine bundesweit relevante Linke gibt. Das hat es der SPD auch erleichtert, nach rechts zu driften, was wiederum Millionen Menschen in sozialer Kälte bezahlen.
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Nun gibt es im Umfeld der PDS ein geflügeltes Wort: Vertragt euch doch, ihr Linken! Ernsthaft wird es immer dann gesprochen, wenn Klärungen anstehen, die Weh tun könnten und die man nicht will.
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Es geht aber nicht um Vertragen oder Betragen. Es geht um Politik, um Interessen, um Strategien und Programme. Es geht um Erfahrungen und Hoffnungen, um Risiken und Chancen, also um Abwägungen.
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Für all das bleibt aktuell wenig Zeit. Es gibt ein historisches Fenster, heißt es, und das stimmt wohl. Also gilt auch das gute alte Sprichwort: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Ich will wagen, aber auch gewinnen.
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Seit Spekulationen über eine mögliche Kooperation zwischen PDS und WASG ein bundesweites Medien-Thema sind, seither kam ein dritter Partner hinzu: Eine öffentliche Erwartung. Sie verhandelt mit.
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Es ist wie an der Börse. Ein neues Produkt wird angekündigt. Es gibt es noch nicht, aber es wird schon hoch gehandelt. Die neue Linksaktie wird aktuell bei der Sonntags-Frage mit 8 bis 10 Prozent dotiert.
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Das ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland - eine politische Innovation, eine überfällige. Deshalb werbe ich dafür. Aber alles hat seinen Preis und auch der will kalkuliert sein.
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Wie an der Börse gilt: Wer Gewinnwarnungen streut, verliert. Und wer das Produkt lädiert, riskiert Abschläge. Auch Angebot und Nachfrage müssen sich treffen. Beide sind nicht fix, sondern in Bewegung.
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Die Umfragen spiegeln Erwartungen, sie sind spekulativ, sie können platzen. Es gibt also auch Risiken. Sie gehören für mich zur Preis-Frage dazu. Und deshalb dürfen sie nicht euphorisch ausgeblendet werden.
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Für mich gibt es derzeit drei Preise, die ich nicht zahlen möchte.
a) Ich bin nicht bereit, das Markenzeichen PDS zu vernichten. Ein neuer Parteiname, z. B. Die Linkspartei, kann sein, aber nicht ohne PDS. Ich will Wählerinnen und Wähler weder enttäuschen, noch täuschen.
b) Ich bin nicht bereit, linke Positionen aufzugeben, z. B. für Bürgerrechte und Demokratie, gegen Rassismus und Nationalismus. Das ist keine PDS-Frage, das ist keine WASG-Frage, das ist eine linke Zukunfts-Frage.
c) Ich bin nicht bereit, mich auf Protest gegen die Hartz IV, beschränken zu lassen. Sie ist wichtig. Aber sie ist mir politisch zu dünn und strategisch zu eng. Zum Nein gehört das Ja, die Alternative.
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Erst die linke Alternative markiert die Grenzlinie zum Rechtspopulismus. Sie darf nicht verwischt, sie muss geschärft werden. Aktuelle Aufrufe von Neonazis, die WASG zu unterwandern, unterstreichen die Gefahr.
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Ich nehme den aktuellen Namensstreit ernst. Aber zugleich und endlich muss endlich wieder über Politik geredet werden, über linke Politik, gemeinsam. Es ist also höchste Zeit für konstruktive Signale.
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Das meine ich auch als PDS-Politikerin, die gemeinsam mit Gesine Lötzsch drei Jahre lang im Bundestag im Duo allein gegen Sozialabbau, gegen Kriegseinsätze und für Bürgerrechte gestritten hat.
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Linke Verstärkung ist dringend geboten - nicht nur für die PDS und nicht nur von der WASG. Allein die Warnung, links von SPD und den Grünen könnte ernsthaft etwas Neues wachsen, zeigt bereits bei beiden Wirkung.
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Es gibt also eine Chance, sie ist groß, vielleicht sogar historisch. Deshalb ist Kleingeist fehl am Platz. Die Linke hatte stets genug Scharmützel parat, um sich selbst zu zerlegen. Das ist nicht mein Politik-Feld.
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Gerade deshalb bin ich für Klarheit. Und ich bin für faire und sachliche Klärungen. Die Zeit drängt. Das kann gut sein, wenn sie genutzt wird. Das kann aber auch schlimm enden, wenn sie verzockt oder verjubelt wird.
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