Worum geht es eigentlich? Es wird vorgezogene Neuwahlen zum Bundestag geben, wahrscheinlich. Jedenfalls stellen sich alle Parteien darauf ein. Die PDS selbstverständlich auch, denn wir wollen in Fraktionsstärke zurück ins höchste deutsche Parlament. Dabei nehme ich Bundeskanzler Schröder beim Wort. Er sagte noch am Abend der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen: Mit den vorgezogenen Neuwahlen gehe es ihm um eine Volksabstimmung über die rot-grüne Agenda 2010, nebst Hartz IV. Das finde ich ausgesprochen gut und ich werde so viele Wählerinnen und Wähler wie möglich ermutigen, sich an diesem Plebiszit zu beteiligen. Denn die Alternative heißt eben nicht, Schröder oder Merkel. Zur Wahl stehen Perspektiv-Entwürfe.
Der Wahlabend in NRW brachte noch eine weitere Überraschung. Die WASG erreichte 2,2 Prozent und blieb damit klar unter ihrem Wunschergebnis. Den WASG-Strategen wurde offenbar klar, dass sie es aus eigener Kraft nicht in den Bundestag schaffen werden. Und so gab es plötzlich Verhandlungsangebote über ein gemeinsames Links-Bündnis mit der PDS. Das ist insofern bemerkenswert, weil die WASG sich in Konkurrenz zur SPD und mit Distanz zur PDS gegründet hatte. Manche Landesverbände der WASG, etwa der Berliner, verstehen sich sogar als Stoßtrupp gegen die PDS, die in der Hauptstadt gemeinsam mit der SPD regiert.
Seit diesem 22. Mai 2005 ticken die Uhren also anders. Es gibt zwischen Bundesvertretern der PDS und der WASG ernsthafte Verhandlungen - hinter geschlossenen Türen. Und es gibt wilde Spekulationen - auf dem Markt der Eitelkeiten. Die verbreitete Meinung war: Es nützt weder der PDS, noch der WASG, wenn beide zur Bundestagswahl antreten und mit jeweils 4,9 Prozent scheitern. Das leuchtet ein. Viele Hoffnungen reichen sogar weit über den Wahltag hinaus. 15 Jahre nach der staatlichen Vereinigung sei es auch höchste Zeit für eine Einigung der politischen Linken, argumentiert zum Beispiel Gregor Gysi. Das finde ich auch.
Allerdings stelle ich auch Bedingungen an ein solches Bündnis: Es muss rechtlich solide sein, es muss politisch spannend sein und es muss auf Dauer angelegt sein. Es reicht nicht, gemeinsam einen Hauch der Geschichte zu spüren. Eine neue politische Vereinigung muss politisch etwas anbieten und damit überzeugen. WASG und PDS eint, dass beide Parteien die Agenda 2010 mit ihrer Renten-, Gesundheits-, Steuer- und Arbeitsmarkt-Politik für falsch halten. Das ist viel mehr als Nichts. Denn damit setzen beide einen wichtigen Kontrabass ins allgegenwärtige Hohelied auf den Sozialabbau.
Meine Erfahrungen sagen zugleich: Sorgen und Nöte haben die Menschen auch ohne PDS und ohne WASG. Sie suchen Hoffnung und Alternativen zur vorherrschenden Politik. Ein neues Links-Bündnis muss also Positives, es muss Ja-Angebote glaubhaft darbieten können. Darüber aber wurde zwischen der WASG und PDS bislang überhaupt nicht gesprochen. Die PDS hat eine „Agenda sozial“ vorgelegt. Sie wird unseren Wahlkampf bestimmen. Ein neues Links-Bündnis muss ähnliches in Petto haben. Aber eine Einigung auf die Positiv-Frage gibt es bislang nicht. Sie muss deshalb schnellstens gefunden werden. Das gehört zu politisch verträglich und zu auf Dauer angelegt.
Und natürlich muss ein Bündnis, noch dazu eines, das auf eine erfolgreiche Bundestagswahl zielt, rechtlich solide sein. Ich bin keine Wahlrechts- oder Parteienrechts-Expertin. Aber so manches Modell, welches in den letzten Tagen in die Debatte geworfen wurde, war einfach abenteuerlich. Man kann nämlich auch gemeinsam 8 Prozent erlangen, sich darüber diebisch freuen und hernach die Quittung erhalten: Das Bündnis war rechtswidrig. Viel gewollt, aber nichts gekonnt, wäre die Quintessenz. Deshalb müssen Aufbruchstimmung und Verlässlichkeit Hand in Hand gehen. Ebenso Weitsicht und Realitätssinn. Bisher dominierte allerdings das lang geübte Ritual westgeprägter Gewerkschafter.
Ich finde es geradezu unverschämt, wenn von der PDS ultimativ verlangt wird, sie möge ihren Namen und damit ihre Identität Preis geben. Partei des Demokratischen Sozialismus, also PDS, ist ein Programm für die gesamte Bundesrepublik. PDS ist obendrein ein Bezugspunkt für zwei und mehr Millionen Wählerinnen und Wähler. Das gibt man - das gebe ich - nicht für einen unbestimmten Mix auf. Ich will etwas Neues. Dafür kämpfe ich seit 15 Jahren - für ein gemeinsames, ein offenes und ein modernes linkes Projekt. Ein Wahlbündnis, bei dem es vorrangig um Listen-Plätze und Wahlkreise geht, ist mir zu wenig. Ich will bundesweit linke Politik.
Damit beschreibe ich kein Veto gegen ein Bündnis der PDS mit der WASG und weiteren Leuten, die mit der aktuellen Politik über Kreuz liegen und sich für soziale, demokratische, gerechte - kurz linke Alternativen - engagieren. Ich bekomme unglaublich viel Post von Menschen aus Ost und West, die sich genau das wünschen, die dabei sein wollen. Das ermutigt und das mahnt: Es gibt eine große Chance. Sie muss ernsthaft ergriffen werden und sie darf nicht leichtsinnig verspielt werden. Schließlich geht es aktuell um eine Volksabstimmung über eine unsoziale Politik und langfristig um einen wirklichen Politikwechsel.
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