Projekt 04-06: der Wahlkampf hat begonnen

Rede von Petra Pau, PDS-Landesvorsitzende, auf dem Landesparteitag der PDS Mecklenburg-Vorpommern,
Rostock, 26. Februar 2006

0. 

Ihr kennt mein "Projekt 04-06": 2004 Wiederwahl der PDS-Gruppe ins EU-Parlament und 2006 Wiederwahl einer PDS-Fraktion in den Bundestag. 04 haben wir gemeinsam geschafft, 06 ist noch zu leisten.
Da helfen keine Umfragen, da müssen wir uns sputen. Wir können als PDS im selbst gebastelten strategischen Dreieck springen, auf Parteitagen, in der Basis, im „Neuen Deutschland“. Im wahren Leben interessiert das niemanden.
Meine Erfahrungen, wenn ich über Land reise und für die PDS werbe, sind immer dieselben, in Ost und West: Sorgen haben die Menschen auch ohne uns. Sie erwarten glaubhafte, politische Alternativen.
Anders gesagt: Slogans, wie „Hartz IV - weg damit“, mögen gut gemeint sein. Aber sie tragen nicht allzu weit. Sie stärken berechtigten Frust, aber sie geben keine Hoffnung. Frust wird geteilt, gewählt wird Hoffnung.
Deshalb wiederhole ich mein Credo: Politik, Politik, Politik und immer an die Wähler denken - und noch mehr an die Wählerinnen. Dafür kämpfen Gesine und ich im Bundestag und dafür werbe ich.
Ich möchte Euch drei Geschichten aus der PDS und aus dem Bundestag erzählen, alle aus dem letzten Quartal, alle haben etwas mit unserem Profil zu tun und damit auch mit dem „Projekt 04-06“.

1. 

Rechtsextremismus
Wir haben seit Wochen im Bundestag eine Auseinandersetzung über den zunehmenden Rechtsextremismus. Aktueller Auslöser war die Wahl der NPD in den sächsischen Landtag und die Absicht der NPD, am 8. Mai durchs Brandenburger Tor zu marschieren.
Die meisten Medien halten voll drauf und damit voll daneben. Denn bislang gibt es keine ernsthafte Auseinandersetzung im Bundestag zum Rechtsextremismus und Neofaschismus - weder über Ursachen, noch über Gegenstrategien. Stattdessen gibt es indirekte Werbung für die NPD.
Es gibt wechselseitige Vorwürfe und unterschiedliche Versuche, das Demonstrationsrecht und weitere demokratische Grundrechte zu beschneiden. CDU/CSU versuchen es, die SPD auch, Otto Schily so wie so. Und genau da machen wir als PDS im Bundestag nicht mit.
Mein Befund ist ohnehin ein anderer und ich wiederhole im Wortlaut meine kurze Redepassage aus dem Bundestag:
„Über 20 Prozent der Bevölkerung sind latent und aktivierbar antisemitisch eingestellt. Hinzu kommt eine Verrohung der Sitten, eine zunehmende Gewaltbereitschaft, nicht nur bei Kinder und Jugendlichen. Große Teile der Bevölkerung fühlen sich sozial verunsichert, nicht nur Arbeitslose. Die allgemeine Bildung bekommt im internationalen Vergleich schlechte Noten. Wir erleben eine zunehmende Politik- und Demokratie-Verdrossenheit, u.s.w..
Es geht also längst nicht mehr nur um die NPD und den rechtsextremen Rand, es geht um die Mitte und um die Substanz der Gesellschaft. Deshalb wiederhole ich meinen Vorschlag: Befördern wir einen gesellschaftlichen Ratschlag gegen Rechts, der Analysen bündelt, Strategien entwickelt, der Demokratie und Zivilcourage stärkt.“
So weit meine Intervention im Bundestag. Parallel bekam ich eine dringende Einladung von einer PDS-Organisation. Man habe vernommen, hieß es, dass es innenpolitische Differenzen zwischen Peter Porsch, Matthi Gärtner und mir gebe, insbesondere zum NPD-Verbot.
Deshalb wolle man mit uns drei eine öffentliche Podiums-Diskussion machen. Das wäre doch spannend. Ich sage Euch; Das wäre langweilig. Wenn die einzige Partei, die sich antifaschistisch definiert, die antifaschistisch agiert und die zu 95 Prozent dieselben antifaschistischen Positionen vertritt, wenn ausgerechnet diese Partei, sich öffentlich über 5 Prozent Differenz streitet, dann wäre das zudem tödlich.
Deshalb wiederhole ich: Politik, Politik, Politik und immer an die Wähler denken. Die PDS muss als moderne sozialistische Bürgerrechts-Partei Demokratie und Zivilcourage stärken. Wir dürfen uns nicht verzetteln.

2. 

Militarisierung:
Meine zweite aktuelle Geschichte zum Projekt 04-06 aus dem Bundestag stammt vom Dezember. Manchmal beschreibe ich Ereignisse in „Aktuellen Notizen“. Sie sind auf meiner web-Seite - www.petrapau.de - nachlesbar.
Und da mir vielfach die Frage gestellt wird, „was macht ihr eigentlich im Bundestag“, füge ich noch den Werbeblock ein: Ihr könnt über meine web-Seite - www.petrapau.de - einen Newsletter bestellen und ihr bekommt dann frei Haus aktuelle Informationen auf euren Computer.
Nun zurück zum Dezember 2004. Ich hatte drei Meldungen notiert.
Meldung 1: Am 21. 11. 2004 einigten sich die Verteidigungsminister der EU-Staaten auf die Bildung von 13 mobilen Kampftruppen, so genannte Battle Groups. Sie sollen binnen zehn Tagen weltweit eingreifen können, ab 2005, und bis 2010 insgesamt 60.000 Mann umfassen.
Meldung 2: Am 02. 12. 2004 bewilligte der Haushaltsausschuss des Bundestages auf einer Sondersitzung rund 17 Mrd. € für die Umrüstung der Bundeswehr. Insbesondere ging es um den Eurofighter und um einen neuen Schützenpanzer namens „Puma“.
Meldung 3: Am 03. 12. 2004 beschloss der Bundestag mit den Stimmen der SPD und der Grünen ein „Entsendegesetz“. Im Kern geht es darum, dass die Bundeswehr beschleunigt in Marsch gesetzt werden kann und der Bundestag nur noch in Ausnahmen zustimmen muss.
Praktisch kann die Bundesregierung nunmehr eigenständig Auslandeinsätze beschließen und verlängern. Der Bundestag hat das Recht, einen Rückholbeschluss zu fassen. Vorausgesetzt, 5 Prozent aller Abgeordneten beantragen überhaupt eine Debatte.
Das aber wird kaum der Fall sein Die Auslandseinsätze werden zunehmen, sie werden beschleunigt und sie werden der Öffentlichkeit entzogen. Und wir beide, die PDS im Bundestag, sind zahlenmäßig 6 Promille und keine 5 Prozent.
Wenn also noch irgendjemand ein Motiv braucht, warum die PDS 2006 wieder mit Fraktionsstärke in den Bundestag muss. Hier ist es. Denn ohne eine starke PDS verschwindet nicht nur der „Osten“ aus dem Bundestag. Auch der Friede wird verwaist.

3. 

Meine dritte Geschichte stammt aus dieser Woche. CDU und CSU hatten beantragt, die Statistik der Bundesagentur für Arbeit über die reale Arbeitslosigkeit zu verändern. Das wurde gestern abgelehnt. Das partei-politische Manöver der CDU/CSU war zu durchsichtig.
Aber wie bei der Debatte um den Rechtsextremismus gab es auch diesmal keine wirkliche Auseinandersetzung zur Massenarbeitslosigkeit. Wir waren die einzigen, die gegen die rot-grüne „Hartz- Prahlerei“ sprachen und gegen den konzertierten Unsinn der CDU/CSU.
Denn wer den Binnenmarkt schwächt, wer Menschen in Fron und Demut zwingt und wer reiche Unternehmen aus der Sozialpflicht entlässt, der handelt sozial ungerecht und wirtschaftlich unsinnig.
Genauso gilt: Wer unentwegt längere Arbeitszeiten und niedrigere Löhne fordert, der bekämpft nicht die Arbeitslosigkeit, der befördert sie.
Und wer eine Steuerpolitik fordert, bei der Wohlhabende entlastet und die Kommunen belastet werden, der mindert nicht die Arbeitslosigkeit, der gibt ihr neue Nahrung.
Aus all diesen und mehr Gründen lehnen wir die „Agenda 2010“ nebst „Hartz IV“ ebenso ab, wie die kapitalen Hof-Dienste der CDU/CSU.
Wir werben stattdessen für unsere „Agenda sozial“ und wir müssen es als Partei noch viel aktiver tun. Sonst gelingt das Projekt 04-06 nicht.

4. 

Schluss-Sätze:
Ich habe genug PDS-interne Konflikte und Geschichten im Kopf. Ich könnte damit Abende, Säle und Bücher füllen. Aber ich habe auch eine Vision im Herzen: Die von einer sozialen, gerechten, friedlichen Welt.
Mein Kopf lernt, das Herz ist entscheidend. Und mein Herz vergisst hoffentlich nie, der Kopf braucht immer rotes Blut.
Wir zwei halten im Bundestag durch, natürlich, und wir kämpfen - Gesine und ich, mit unseren Köpfen und Herzen, Das sind schon vier. Und wir hoffen und wir setzen natürlich darauf: Ihr tut es auch und weiterhin!
Denn das Projekt 04-06 kann nur gemeinsam gelingen. Wir haben 2002 bitter erfahren, dass auch die PDS verlieren kann. Und wir haben auf dem PDS-Parteitag in Gera demonstriert, wie man schlecht verlieren kann.
Aus diesem Tief sind wir raus. Jetzt geht es um 06 und um politische Alternativen, realistische, glaubwürdige, soziale. Sie sind bitter-nötig. Lasst uns gemeinsam darum kämpfen. - mit Herz, Kopf und Energie.
 

 

 

26.2.2005
www.petra-pau.de

 

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