Aktuelle Notiz: Die Eu-Wahl mit Fragen

von Petra Pau
Berlin, 20. Juni 2004

1. 

Am 13. Juni 2004 wurde ein neues EU-Parlament gewählt. Ein problematisches, denn die polischen Mehrheiten haben sich nach rechts verschoben. Die Links-Fraktion hat weniger Abgeordnete als bisher, ost-europäische Links-Parteien sind kaum vertreten. Am 8. Mai 2004 haben in Rom 14 Parteien eine gemeinsame Europa-Partei gegründet. Die West-Schieflage der EL wurde mit der EU-Wahl bestärkt. Zugleich gewannen konservative Parteien und solche, die generell gegen die EU sind.

2. 

In Deutschland waren die Nichtwähler wieder in absoluter Mehrheit. Das ist nachvollziehbar. Denn die EU-Konstruktion ist nicht spannend und die wirklich interessanten Zukunftsfragen werden weder durch die offizielle Politik, noch durch die Massen-Medien erörtert. Eine übergroße Koalition, von CSU bis Grüne, lehnt sogar eine Volksabstimmung über die künftige EU-Verfassung ab. Die eigentlichen Probleme, das Soziale und der Friede, bleiben strikt ausgeblendet. Nebenfragen, wie die nach einem Gottesbezug in der Präambel, dominieren die Nachrichten.

3. 

Die PDS hat einen doppelt wichtigen Wahlkampf geführt. Wir wollten erneut ins EU-Parlament. Das war die europäische Dimension. Und wir wollten uns bundespolitisch zurück melden. Auch das ist mit 6,1 Prozent der Wähler-Stimmen gelungen. Sie sind keine Garantie für künftige Wahlen, aber ich erlebe im Bundestag: Wir werden ernster genommen, als nach der Wahlschlappe von 2002. Unser Wort wird auch medial ein ganz klein wenig mehr registriert, als vor der EU-Wahl.

4. 

Gleichwohl hat die EU-Wahl auch Phänomene gezaubert. Eines ist der Erfolg von Bündnis 90/Die Grünen - insgesamt und vor allem in etlichen Großstädten, einschließlich Berlin. In der Hauptstadt haben die Grünen rund 22 Prozent und die Stadtmitte erobert. Brauchbare Analysen gibt es noch nicht. Parteien-Forscher stochern und grübeln. Gleichwohl muss es Gründe geben, warum eine regierende Partei gewinnt, die ihre ursprünglichen Wurzeln gekappt hat und eine Politik betreibt, deren Hauptlinien mehrheitlich abgelehnt werden.

5. 

Zu den Markenzeichen von Bündnis 90/Die Grünen gehörten stets Bürgerrechte, Umwelt und Frieden. Ich erlebe die Fraktion im Bundestag. Sie müht sich in Umweltfragen gegen die SPD, mit mäßigem Erfolg. Sie gibt Bürgerrechte preis, auch diese Woche wieder, als es um Datenschutz und gegen Telefonüberwachung ging. Sie hat die deutsche Militärstrategie und das Rüstungsgebot der EU akzeptiert und befördert. Die Grünen agieren neu, nicht besser. Die soziale Frage gehört ohnehin nicht zu ihren Top-Themen, auch der Osten nicht.

6. 

Die Gegenfrage ist: Warum gewinnen sie dennoch an Zustimmung, zumindest relativ? Zumal bei jungen Wählerinnen und Wählern, die zugleich massenhaft Anti-Kriegs-Demonstrationen beleben und die „Agenda 2010“ des Kanzlers als Sozialabbau ablehnen. Wer wählen geht, entscheidet mit Bedacht. Der „Grüne“ Wahl-Erfolg muss also Gründe und Begründungen haben. Im Westen, aber auch im Osten, denn die Grünen haben diesseits der CDU gewonnen. Also da, wo auch die PDS - aus besten Gründen - gern stärker wäre.

PS 1: Wären am Sonntag Wahlen in Berlin, dann käme die PDS erstmals seit 2 Jahren wieder auf 16 Prozent. Die zwei „Gysi-Dellen“ - die sehr hohe 2001 und die extrem tiefe 2002 - sind offenbar ausgebeult.

PS 2: infratest-dimap verkündet zugleich: Die PDS käme auf 6 Prozent, würde am Sonntag ein neuer Bundestag gewählt. Das lässt hoffen.

PS 3: Die neue Wahl-Initiative in Bayern "links von der SPD" will mit der PDS nichts zu tun haben und als Partei agieren. Das lässt zweifeln.
 

 

 

20.6.2004
www.petra-pau.de

 

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