Für einen politischen Neuanfang
Referat von Petra Pau, PDS-Landesvorsitzende, auf der Außerordentlichen Tagung des 7. Landesparteitags der Berliner PDS am 15. Juni 2001
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Wir haben rasante Wochen hinter uns. Wir haben brisante Wochen vor uns.
Und es gibt eine überfällige
Chance. Die große Berliner Koalition, die nie Lösung, sondern
immer Problem war, diese große Koalition hat politisch fertig, endlich!
(2)
Heute vor einer Woche begann
das Volksbegehren Neuwahlen jetzt. Seither haben rund 50.000 Berlinerinnen
und Berliner unterschrieben. Das Gros der Unterschriften, nämlich
33.650 haben wir gesammelt, und dafür sage ich allen Beteiligten:
Herzlichen Dank.
Damit haben wir auch einen
grundsätzlichen demokratischen Anspruch befördert. Nämlich
den ohnehin sprachlosen Koalitionsrunden das Wort zu entziehen, und es
den Bürgerinnen und Bürgern zurück zu geben.
Sie sind der Souverän,
oder wie es vor Jahren hieß: Das Volk.
Und wer in den letzten Tagen
auf den Straßen und Plätzen war, um Unterschriften zu sammeln,
der konnte Volkes Stimme pur hören. Alle korrupt, da oben, wir werden immer verarscht oder wegjagen, allesamt, waren noch gelinde Reaktionen
auf den Berliner Filz. Wütendes Schimpf-&-Schande, vor allem in
Richtung CDU, auch an die SPD gerichtet, vielfach aber alle Parteien meinend, auch uns.
(3)
Nun hören wir umgekehrt
aus CDU-Kreisen, hier sei ein Putsch im Gange, hier solle eine legitimierte
Regierung gestürzt werden, noch dazu von den Kommunisten. Drei Viertel
aller Berlinerinnen und Berliner, so belegen Umfragen, wollen Neuwahlen.
Mit anderen Worten: Dieser Senat ist längst nicht mehr legitimiert.
Er hat die rote Karte verdient.
(4)
Es ist keine acht Monate
her, da ging der PDS-Landesvorstand gemeinsam mit der Fraktionsspitze in
Klausur. Einen wesentlichen Punkt berieten wir damals gemeinsam mit Gabi
Zimmer. Nämlich die Frage: Wie lässt sich in Berlin die politische
Blockade aufbrechen und ein Politikwechsel einleiten? Im Ergebnis der Klausur
schrieben Carola Freundl und Harald Wolf das euch allen bekannte Strategie-Papier:
Vor der Kür kommt die Pflicht! unsere Pflicht.
Die entscheidende Analysen
und Überlegungen stimmen noch immer.
Nur eines hat sich verändert:
Wir wollten die Berliner Verhältnisse bis 2004 zum Tanzen bringen.
Jetzt haben wir Juni 2001 und sie tanzen.
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Und so stehen wir heute
vor der Alternative. Entweder wir sagen:
Gemach, liebe Berlinerinnen
und Berliner, Euer Unmut kreuzt unsere Pläne.
Oder wir bleiben dabei:
Jeder Tag große Koalition ist einer zuviel.
Ich meine: Die Große
Koalition muss umgehend abgelöst werden. Deshalb sollte unsere Fraktion
auch ein klares Votum erhalten: Stimmt dem Misstrauensvotum zu, toleriert
einen Übergangs-Senat und drängt auf Neuwahlen! Denn nur Neuwahlen
können politische Klarheit schaffen. Und nur Neuwahlen können
die Chance eröffnen: für einen politischen Neuanfang, mit neuem
Personal und mit neuen Prioritäten.
Übrigens erwarte ich
vom Übergangs-Senat nur Dreierlei: Erstens sind die normalen alltäglichen
Funktionen des Landes zu sichern. Zweitens sind die bevorstehenden Wahlen
akurat vorzubereiten. Drittens und obendrein kostensparend: Die Beobachtung
der PDS durch den Verfassungsschutz ist einzustellen.
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Insgesamt muss ein Neuanfang
natürlich viel mehr leisten. Begonnen damit, all das aufzubrechen,
was Berlin als Hauptstadt von Korruption und Filz auf Buchtitel und in
Notlagen bringt.
Es kommt... darauf an,
dass die verharschten, morschen Strukturen, die es hier gibt, ...aufgebrochen
werden. Dafür sind Neuwahlen notwendig.. Das war ein Zitat. Es stammt
von Eberhard Diepgen und zwar von 1981. Auch damals wurde das System West-Berlin
von einem Skandal erschüttert, auch damals wurde ein Senat aus dem
Amt gejagt. Nur ging es damals um rund 120 Millionen Mark. Beim aktuellen
Banken-Skandal geht es heute um Milliarden, und auch die sind nur die Spitze
des Eisberges.
Und deshalb ist es geradezu
schizophren, wenn der Oppositionelle Diepgen 1981 angesichts von Millionen
Verlusten Aufruhr predigt, und wenn der Regierende Diepgen nun angesichts
Milliarden Verlusten die Unschuld mimt.
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1991, also vor zehn Jahren,
sprach Eberhard Diepgen vom Unternehmen Berlin. Und er versprach, es
gewinnträchtig zu führen. Heute steht das Unternehmen Berlin
vor dem Konkurs. Jedenfalls meint das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung
(DIW), die Münchhausen-Nummer geht nicht mehr, das Land kann sich nicht
mehr am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen.
Der Schuldenberg beträgt
über 70 Milliarden Mark. Das Land Berlin müsste zwei Jahre lang
total pausieren, um diese Belastung mit zehn Nullen vor dem Komma abzutragen.
Schulden schultern, wir
wissen es nur zu genau, mussten bislang immer die Bezirke, die steuerzahlenden
Berlinerinnen und Berliner, egal ob sie im Wedding wohnen oder aus Friedrichshain
kommen. Zugleich wurden im Unternehmen Berlin Lando-Vorzugs-Aktien vergeben,
die guten Partei-Freunden risikofreien Reibach brachten. Und genau mit
dieser organisierten Kriminalität muss Schluss gemacht werden!
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Wir haben seit Jahren gesagt:
An uns, an der Berliner Partei des Demokratischen Sozialismus, wird ein
Politikwechsel nicht scheitern im Gegenteil. Und wir haben immer gesagt:
Eine Schlüsselrolle bei alldem hat die Berliner SPD inne sie muss
springen. Nun ist sie gesprungen. Jedenfalls ist sie dabei, sich aus der
Gefangenschaft der Berliner CDU zu befreien.
Nur eines geht natürlich
nicht: Man kann nicht elf Jahre große Koalition als SPD-Erfolg feiern
und zugleich das offensichtliche Desaster der CDU ankreiden.
Die ruinöse Olympia-Bewerbung
haben beide zu verantworten,
die ruinösen Flughafen-Pläne
haben beide zu verantworten,
die ruinöse Kanzler-U-Bahn
haben beide zu verantworten.
Und unter dem Strich bleibt
die belastende Hypothek eines Metropolen-Wahns, in dessen Schatten Armut
und Intoleranz gedeihen. Deshalb sage ich auch: Es reicht nicht, die Berliner
Pferde zu wechseln. Der hauptstädtische Kurs muss neu bestimmt werden!
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Der hauptstädtische
Kurs muss überhaupt bestimmt werden. Denn als die Große Koalition
1990/91 startete, da gab es zwei Kardinal-Fehler. Der eine war der Glaube,
das Prinzip West-Berlin nebst Personal sei die Lösung für das
neue, zu vereinigende Gesamt-Berlin. Der zweite war die politische Vorgabe,
Berlin müsse den Metropolen-Wettlauf mit Paris, London oder Frankfurt/M.
aufnehmen und obendrein gewinnen. Beides war falsch. Nicht, weil wir es
schon immer gesagt hätten. Sondern weil die Fakten es belegen.
Berlin hat seine eigene Geschichte
und ist auch psychologisch ein besonderes Feld. Berlin ist das Pilot-Projekt
für die deutsche Einheit, und entsprechend haben wir auch immer gesamtstädtische
Politik gemacht. Nehmen wir aber nur die Sozial-, Wirtschafts- und Haushaltsdaten,
dann ist die Hauptstadt das 6. neue Bundesland.
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Deshalb greife ich eine
SPD-Debatte auf, die selten mit Berlin in Verbindung gebracht wird: Steht
der Osten auf der Kippe? Ein Bild, das Wolfgang Thierse geprägt hat,
und das - berechtigt - zuspitzt. Die SPD-interne Diskussion zu den neuen
Bundesländern läuft etwa so: Der Osten ist Chefsache, sagt
Kanzler Schröder. Dein Osten kippt, sagt sein stellv. SPD-Vorsitzender
Thierse. Gut, sagt der Kanzler, fahre ich halt noch mal hin!
Aber diese Satire, die fehlende
Bundes-Unterstützung, ist nur eine Seite der Berlin-Medaille. Die
andere ist hausgemacht. Wir kritisieren hart und zu recht den unsozialen
Sparkurs des Bundes. Aber ich kann auch verstehen, wenn der Bund und die
anderen Länder sagen: Für diesen Berliner Gurken-Senat geben
wir keinen Pfennig mehr. Auch deshalb brauchen wir Neu-Wahlen und einen
Neu-Anfang.
Aber ich sage zugleich: Pluster-Drohungen,
wie von Hessens CDU-Koch, entlarven ihn, nicht uns. Wer damit droht, einem
Bundesland den Finanzausgleich zu verwehren, weil die Partei des Demokratischen
Sozialismus dort respektabel agiert und respektiert wird, der mag sich
partei-politisch clever wähnen, bundespolitisch steht er neben dem
Grundgesetz!
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Zu Landowsky will ich nur
noch Zweierlei sagen:
a) Wir erinnern uns: Er
wollte sozialistische Wärmestuben in Brandenburg ausfegen. Zugleich
hat er seine West-Berliner Wärmestube gepflegt und geschmiert. Dass
ihm dafür auch noch satte Abfindungen hintergetragen werden, ist ein
Ding aus dem Berliner Toll-Haus.
b) Zum zweiten wurde Landowsky
in Kenntnis der Misere zum stellv. CDU-Landesvorsitzenden gewählt.
Er wurde geadelt, hieß es in Kommentaren. Gut, auch das ist Geschichte,
Diepgen-Geschichte. Ich finde nur. Wenn stellv. Vorsitzende, egal welcher
Landespartei, etwas Geadeltes sind, dann muss das auch positiv gelten.
Und wenn das so ist, dann gilt das auch für unsere Almuth, für
Stefan und für Udo. Alle drei haben viel Arbeit geschultert und geleistet.
Und allemal bessere, als
der stellvertretende Durchlauf-Erhitzer Landowsky.
Ich sage jedenfalls: Habt
Dank, alle drei, und stellvertretend für viele.
(12)
Überhaupt finde ich,
sollten wir bei allem Stress einen Moment inne halten und uns eines klar machen.
Wenn die Berliner PDS heute als respektabler Teil einer besseren Alternative
gehandelt wird, dann hat das zu aller erst etwas mit uns und unser aller
Arbeit zu tun. Ich weiß, dass in der einen oder anderen linken Brust
ein zwie-spältig Herz schlägt. Und ich weiß auch, dass
nicht nur Gregor Gysi Lebens- und Schaffens-Pläne hat, die nun durcheinander
geraten können. Auch unsere Bezirksbürgermeister und unsere Meisterin, unsere Stadträtinnen
und Räte, unsere Fraktion im Abgeordnetenhaus, ihre Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter, und all unsere Bezirksverordneten hatten sich bis 2004
viel vorgenommen. Zumal die Bezirks-Fusionen mitnichten abgeschlossen sind.
Nun gilt es neu zu planen
und auch in den Bezirken neu zu wählen. Und da die PDS weder Orden,
noch Rabatte zu verteilen hat, kann der Parteitag auch Euch nur herzlich
Danke sagen!
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Und noch ein Wort in eigener,
in PDS-Sache:
Was jetzt in Berlin ansteht
und was wir jetzt zu meistern haben, das ist nicht nur Bezirks-Politik,
das ist nicht nur Landes-Politik, das ist Bundes-Politik und hat bundesweite
Auswirkungen. Nicht um die Dramatik zu steigern, sondern um uns die Aufgabe
zu verdeutlichen, sage ich auch noch das: Keine der übergreifenden
Aufgaben, die wir uns als Landes-Verband vorgenommen haben, ist vom Tisch:
Struktur-Reformen, programmatische
Debatte, Finanz-Probleme, Personal-Entwicklung, West-Aufbau, Bezirks-Stabilisierung.
Wir können sie weder wegdrücken, noch kleinschreiben. Wir müssen
uns besser organisieren,
wir müssen Prioritäten
setzen, und wir müssen uns aufeinander verlassen können.
(14)
Vor uns liegt ein Wahlkampf,
den wir so noch nicht hatten. Ich befürchte, es könnte ein böser
Wahlkampf werden, eine Schlamm-Schlacht. Jedenfalls deuten viele CDU-Signale
darauf hin. Ich höre von der CDU, ja selbst von der Bayerischen
CSU, die Schlacht um Berlin sei eröffnet. Ich sage:
Wir haben gottlob keinen
kalten Krieg mehr und wir wollen auch keinen!
Ich höre, die CDU wolle
Berlin nicht der PDS vor die Füße werfen. Ich sage: Genau das
beschreibt das aktuelle Problem. Die Stadt ist kein CDU-Eigentum.
Berlin für alle!,
das bleibt unser Anspruch!
Ich höre, die CDU plane
erneut einen Lager-Feldzug. Ich sage: Frau Merkel, Herr Meier und Herr
Diepgen sollten aufpassen, dass sie nicht in den Schützengräben
des Kalten Krieges vergessen werden. Die Berliner Geschichte geht weiter,
sie muss es!
(15)
Wir können uns sachlich,
auch kontrovers, über das zurückliegende Jahrhundert streiten,
und wir werden das auch tun. Wir kennen das besondere Berliner Argument:
Die Mauer stand hier, nicht in Schwerin oder Magdeburg.
Und weil das so ist, und
weil es gerade hier, in der Ost-West-Stadt, gravierende Verletzungen und
fortlebende Ängste gibt, werden wir weiterhin sehr selbstkritisch
zu unserer Vorgeschichte stehen müssen. Nicht irgend jemandem zum
Gefallen,sondern um unser selbst willen, um unserer Glaubwürdigkeit,
um unsrer Zukunft
wegen.
Zitat Rosa Luxemburg aus
LW 5; 53:
Die geschichtliche Erfahrung
ist (unser) einziger Lehrmeister...
Kein ein für allemal
gültiges Schema,
kein unfehlbarer Führer
zeigt (uns) die Pfade...
Selbstkritik, rücksichtl ose,
grausame, bis auf den Grund der Dinge gehende Selbstkritik ist Lebensluft
und Lebenslicht der proletarischen Bewegung!
Nun weiß ich sehr wohl,
das sich ein Zitat, auch eines von Rosa Luxemburg,
gut und schön anhört,selbst
wenn darin von "rücksichtslos" und "grausam" die Rede ist. Im wahren
Leben nimmt es dann aber doch sehr schmerzhafte Züge an.
Wir haben die Diskussion
um die Erklärung von Gabi und von mir zur Gründung der SED noch
alle in uns. Und ich weiß, dass es so manche Verletzung gibt, auch
so manches Miss-Verständnis.
Ich möchte nur an ein,
zwei kleinen Episoden schildern, warum wir dennoch nicht umhin kommen,
uns weiter "rücksichtslos" und "grausam" selbst zu prüfen:
a) SPD-Genossin in der Jüdischen
Gemeinde zu Berlin;
b) Unterschriften-Aktion,
80jährige in Prenzlauer Berg.
Übrigens können
wir auch nicht glaubhaft gegen die aktuelle Einschränkung von Bürger-
und Freiheitsrechten opponieren, gegen permanente Menschenrechtsverletzungen
im Kapitalismus aufbegehren, wenn wir nicht zugleich ebenso scharf kritisieren,
dass im Namen der sozialistischen Idee Bürger- und Menschenrechte
versagt wurden, ja selbst Verbrechen begangen wurden.
(16)
Aber ich wiederhole auch
zwei weitere Gedanken. Die Mauer stand in Berlin.
Und wer sie zwölf Jahre
nach ihrem Fall als General-Begründung gegen die PDS hoch hält,
betreibt rückwärtsgewandte Politik. Und bei aller ehrlichen Auseinandersetzung
mit der Geschichte Eine Arbeitsteilung geht natürlich auch nicht.
Nämlich, dass wir für die Schattenseiten der Geschichte zuständig
seien und die SPD für die lichte Zukunft. Das ist mit uns nicht zu
machen, es wäre zudem a-historisch und unpolitisch.
(17)
Das alle bewegende Thema
heißt Berlin im 21. Jahrhundert, heißt Wege aus der Krise,
heißt Zukunft gewinnen. Deshalb meine ich auch: Wir dürfen und
werden keinen Wahlkampf nach dem Motto Auge um Auge, Zahn um Zahn führen.
Wer das will, der spaltet, und das ist nicht unser Ding.
Wir wollen die Ost-West-Stadt
zusammenführen. Wir wollen soziales Unrecht abbauen. Wir wollen mehr
Demokratie. Das bleiben unsere Leit-Linien für den Wahlkampf und für
die Zeit danach.
(18)
Zugleich wissen wir: Egal
in welchen Konstellationen ein Neuanfang gewagt wird, niemand kommt an
dem Berliner Schuldenberg vorbei Deshalb sollten auch wir nicht im Ansatz
so tun, als hätten wir eine Lizenz zum Geld-Drucken. Die Berlinerinnen
und Berliner wissen oder ahnen zumindest, welches Scherben-Gericht angerichtet
wurde. Sie sind zu recht wütend und erwarten gerade deshalb solide
Angebote und keine Luftschlösser. Brecht sagte dereinst: Die Verhältnisse
sind nicht so. Und auch wir stehen vor der uralten linken Gretchenfrage:
Sagen wir: Nein, das sind nicht unsere Verhältnisse, allemal keine,
die mit unseren Visionen kompatibel sind. Oder sagen wir: Gerade weil wir
Visionen und nicht nur Utopien haben, werden wir uns auf die Verhältnisse
einlassen, um sie verändern zu können.
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Nun werden zuweilen Felle
verteilt, ehe die Bären erlegt wurden. Allemal in den Medien, die
längst - humorvoll oder anmaßend Amtsposten zuteilen und künftige
Senate würfeln. Ich wiederhole gern und zum Mitschreiben: Erstens
werden die Küken im Herbst gezählt. Und zweitens könnte
die Berliner PDS auch gut damit leben, als gestärkte Opposition aus
der Wahl hervorzugehen. Meine Betonung liegt klar auf gestärkt!
Und mit diesem Anspruch sollten wir selbstbewusst und als Partei des Demokratischen
Sozialismus erkennbar antreten.
Wir führen keinen Wahlkampf
für Rot-Rot-Grün.
Wir führen auch keinen
Wahlkampf für Rot-Rot.
Wir führen unseren
Wahlkampf für die Chance in der Krise!
Wir führen einen Wahlkampf
für einen Neuanfang.
Sollte die Chance aus der
Berliner Krise Rot-Rot-Grün oder Rot-Rot heißen, dann werden wir uns entscheiden
müssen, gemeinsam und in der Sache, aber erst dann!
(20)
Es geht um das Schicksal
dieser Stadt! Derart pathetische Rufe kommen nicht von uns, das war O-Ton
Steffel, also der neue CDU-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus. Und
er nannte drei Gründe, warum er gegen uns zu Felde ziehen wird: weil
wir die Geschichte nicht aufgearbeitet hätten, weil er Antikommunist
sei, und weil wir die Zukunft der Stadt gefährden würden.
Den vierten, und viel näher
liegenden Grund, den verschweigt Steffel natürlich. Denn in dem Moment,
wo die Blockade gegen die PDS aufbricht, in dem Moment verliert die CDU
auch ihre Macht-Versicherung. Das vor allem ist es, was sie wütend
macht.
Und deshalb auch noch ein
inhaltliches Wort: Wer die CDU-Reden im Abgeordnetenhaus gehört hat,
der weiß, wo sie uns packen wollen:
Freiheit, Demokratie und
soziale Marktwirtschaft!, sind die Stichwörter.
Und da kann ich nur sagen:
Nur zu! Wir werden die besseren Antworten haben!
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