I.
Ich steige mit einer Episode aus meinem Ordner Gottlose Type - ungedruckt ein. Nein, das ist keine heitere Geschichte.
Im Gegenteil, es ist bitter ernst. Sie heißt
Erich Kästner
Am 10. Mai 1933 ließen die Nazis in 22 deutschen Hochschulstädten Bücher ihnen nicht genehmer Autoren verbrennen. Zu ihnen gehörten unter anderen Karl Marx, Siegmund Freud, Kurt Tucholsky, Karl von Ossietzky, auch Heinrich Heine. Der hatte schon zu seinen Lebzeiten gewarnt: Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen. Und so kam es ja auch.
Alljährlich erinnern wir auf dem Bebel-Platz, wie der damalige Schloss-Platz seit langem heißt, mit einem Lesen gegen das Vergessen an diese Schande. 2018 las ich Passagen von Erich Kästner. Auch seine Bücher landeten 1933 in den Hass-Flammen. Später, 1956, hatte er rückblickend gemahnt:
Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf ...
Wie kam Kästner ausgerechnet auf 1928? Ich weiß es nicht.
Aber ich biete einige Zitate an und dann fragt euch selbst.
AfD-Gauland, (2017):
Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen!
Und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen!
AfD-Höcke, (2015):
Ich will, dass Deutschland nicht nur eine tausendjährige Vergangenheit hat.
Ich will, dass Deutschland auch eine tausendjährige Zukunft hat.
AfD-Gauland, (2018):
Wenn man Krieg haben will in diesem Bundestag, dann kann man auch Krieg haben.
AfD-Höcke, (2017)
Wir brauchen nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180-Grad.
o AfD-Gauland, (2017)
Wir haben das Recht stolz zu sein,
auf Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen.
AfD-Höcke, (2017)
Das große Problem ist, dass Hitler als absolut böse dargestellt wird.
Schließlich noch dieses Zitat:
Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahm zu legen.
Uns ist jedes gesetzliche Mittel recht, den Zustand von heute zu revolutionieren. [...] Wir kommen nicht als Freunde, auch nicht als Neutrale. Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir.
Nein, das war weder Gauland, noch Höcke, wie man an den Bezügen auf den Reichstag und die Weimarer Gesinnung erkennen kann.
Das war Joseph Göbbels, NSDAP, 1928.
So weit die angekündigte Geschichte. Auch sie zeigt,
die aktuellen Grenzen zwischen Rechtspopulisten und Nazis sind fließend.
Deshalb erstens:
DIE LINKE darf nicht im Ansatz versuchen, Anleihen bei der AfD zu nehmen.
DIE LINKE ist sozial, solidarisch und weltoffen oder sie ist nicht links.
Ich will, dass DIE LINKE links bleibt.
Und zweitens: Gegen den Rechtstrend auch hierzulande wird am 13. Oktober unter dem Motto #unteilbar - Solidarität statt Ausgrenzung - für eine offene und freie Gesellschaft in Berlin demonstriert.
Ich freue mich auf euch alle und mehr.
Wir lassen uns unser Land nicht nehmen,
schon gar nicht von Ewiggestrigen!
Zwei Nachschläge zu diesem Punkt:
Der erste:
Die Bedeutung der Rufs Wir sind das Volk war 1989:
für offene Grenzen,
für Demokratie,
für freie Presse.
Wir sind das Volk bedeutet bei Pegida und all den anderen Idas heute:
gegen offene Grenzen,
gegen Demokratie,
gegen freie Presse.
Das ist das Gegenteil einer Bürgerrechtsbewegung und rückwärtsgewandt.
Der zweite Nachschlag:
Der 11. 11. 2011 hat sich mir fest eingeprägt.
Nein, nicht weil er irgendwas mit Karneval zu tun haben soll.
An diesem Freitag wurden im Bundesamt für Verfassungsschutz die Schredder angeschmissen, um wichtige Akten im NSU-Nazi-Mord-Komplex zu vernichten.
Am selben Tag hatte Prof. Heitmeyer & Team die Ergebnisse ihrer Langzeitstudie von 2002 bis 2011 über Deutsche Zustände vorgestellt.
Ihr Fazit in Kürze:
Die Gruppen bezogene Menschenfeindlichkeit nimmt zu,
ebenso die Akzeptanz von Gewalt als Politikersatz.
Damit war nicht der rechte Rand der Gesellschaft gemeint, sondern deren Mitte.
Wohl bemerkt: Das war 2011. Die Flüchtlinge, die vielfach für schlechte Stimmungen in Haft genommen werden, kamen erst deutlich später.
DIE LINKE muss ihnen daher doppelt helfen:
in ihrer Not und vor falschen Anschuldigungen,
so, wie es Klaus-Jürgen Dahler und viele andere tun.
II.
Angriffe gegen unsere Gesellschaft und deren Verfasstheit kommen aber nicht nur von Rechtspopulisten und Rechtsextremen, sondern auch von Staats wegen.
Schon zwei Mal haben in München Zehntausende gegen das neue Polizeiaufgabengesetz in Bayern demonstriert. Zu Recht!
Ich gehöre zu jenen, die in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht dagegen klagen.
Nun will der CDU-geführte Freistaat Sachsen nachziehen. Auch dort soll es mehr Videoüberwachung mit Gesichterkennung geben, mehr Attacken auf Smartphones und mehr Eingriffe in die Intimsphäre. Mehr Leute sollten ohne Richter-Spruch länger weggesperrt werden können. Obendrein soll die Polizei mit Maschinenpistolen hochgerüstet werden.
Für Bundesinnenminister Seehofer (CSU) sind das Beispiele für alle Bundesländer. Der Weg in einen Polizeistaat ist sein Ziel - wider Bürger- und Freiheitsrechte, wider das Grundgesetz. Davon war allerdings bei den aktuellen Jubelfeiern am 3. Oktober über die deutsch-deutsche Einheit nicht die Rede.
Aber auch das wird Thema bei der Groß-Demo am 13. Oktober in Berlin sein. Digitalcourage und weitere Initiativen rufen dazu auf.
Ein Grund mehr, dabei zu sein.
III.
Mein Abschlussgedanke greift weiter.
Das herkömmliche Parteiensystem wankt.
Möglicherweise ist die Ära großer Volksparteien passé.
CDU, CSU und SPD verlieren massiv an Zuspruch.
Die AfD legt zu, ohne soziale Angeboten für Gegenwart und Zukunft.
Ich schließe nicht aus, dass die große CDU/CSU/SPD-Koalition noch 2018 platzt.
Und das hieße aller Wahrscheinlichkeit nach vorgezogene Bundestagswahlen.
Zugleich stagniert DIE LINKE, zumindest bundesweit.
Ihr kennt meine Forderung nach einer neuen programmatischen und strategischen Grundsatzdebatte. Bisher fand sie wenig bis keine Zustimmung:
nicht im Parteivorstand, nicht auf dem Bundesparteitag.
Ein Antrag, der Ähnliches wollte, wurde dort ohne Debatte versenkt.
Ich halte das für kreuzgefährlich. Denn eine Linke, die Zukunftsthemen ausweicht, könnte sich alsbald im historischen Museum wieder finden. Und das in einer Zeit, in der linke Alternativen - nicht nur für Deutschland - nötiger denn je sind.
Deshalb meine drei Schlusssätze:
Wir müssen das Nötige engagiert tun und das heißt Kampf gegen Rechts.
Wir müssen das Plötzliche im Auge haben, zum Beispiel vorgezogene Wahlen.
Und wir müssen das Künftige endlich in den Blick nehmen, wozu Themen wie Migration und Integration, die Zukunft der Europäischen Union, ein bedingungsloses Grundeinkommen und die umfassende Digitalisierung gehören.
Danke!
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