Aktuelle Notiz: LINKE - Kurs halten?

von Petra Pau
Berlin, 14. Mai 2012

1. 

Geschichte wiederholt sich, meinte Karl Marx, auch als „Tragödie“, („Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“). Droht der LINKEN nun dasselbe? Manches spricht dafür, jedenfalls nach den jüngst verlorenen Wahlen und vor dem Parteitag in Göttingen. Eine ähnliche Geschichte gab es 2002 bei der PDS nach dem Desaster zur Bundestagswahl.

2. 

Der damalige Parteivorstand hatte eine Analyse nebst Beschlussantrag vorgelegt. Demnach hatten alle anderen Schuld. Dazu gab es einen Alternativantrag. Er fand im Vorstand sogar eine knappe Mehrheit. Auf dem Geraer Parteitag wurde er gnadenlos niedergestimmt. Es ging nicht um gesellschaftlichen Aufbruch, sondern um innerparteiliche Macht.

3. 

Droht der LINKEN in Göttingen dasselbe? Es gibt unterschiedliche Ansichten, warum DIE LINKE seit 2009 im Abwind ist. „Kurs halten“, fordern die einen. „Neuanfang“, raten andere. Das Problem der LINKEN seien Nestbeschmutzer, böse Medien und die SPD, sagen die einen. Andere mahnen: DIE LINKE müsse sich ändern und öffnen.

4. 

Auf dem Parteitag in Göttingen wird ein neuer Parteivorstand gewählt. Es geht also um Personalia, über die bislang ein Schweigegelübde schwebte - für die anderen. Ich hielt und halte das für Unsinn. Personen stehen öffentlich für Inhalte und Strategien oder sie bieten Anlass für Spekulationen. Mein Links-Verständnis sieht anders aus.

5. 

Nun lese ich wieder Aufrufe, die LINKE brauche eine neue Kultur. Auch ich habe das vielfach gefordert - wiederholt, aber vergeblich. Mein jüngster Appell: „DIE LINKE muss sich endlich als Ökumene begreifen, in der Protestanten vom Forum Demokratischer Sozialismus genauso gefragt sind, wie Katholiken aus der Antikapitalistischen Linken.“

6. 

Doch die Personal- und Kulturdebatte ersetzt nicht die eigentliche Frage: Mit welcher politischen Erzählung will DIE LINKE wieder Zuspruch und Zukunft gewinnen? Versprochen war eine „neue soziale Idee“. Seit Jahren! Das neoliberale Dilemma beschreiben wir richtig. Aber unsere Antworten heißen eher Zurück als Aufbruch ins 21. Jahrhundert.

7. 

Die zentrale Frage aller Linken bleibt die soziale. Sie brennt lichterloh. Für DIE neue LINKE aber bleibt sie im Kern der alte Klassenkampf gegen Kapitalisten und Banker. Wieder zu Recht und erneut zu kurz gesprungen. Die linken Schlagworte heißen „Verstaatlichen“ oder „Generalstreik“. Und immer weniger katschen Beifall. Weshalb?

8. 

Möglicherweise auch, weil manches noch immer mit avantgardistischem Anspruch daher kommt: Wir sind Spitze, stets und überall, zur Not auch allein! Ausrufe- statt Fragezeichen, Ansage statt Werbung, Fertigkost statt Wikipedia. Das können andere auch, aber DIE LINKE kann selbst das besser. Und so lassen sich potentielle Linke von anderen entern.

9. 

Momentan gibt es zwei übergreifende Herausforderungen: Der sozial-ökologische Umbau und die digitale Revolution. Beide Zukunftsthemen werden nicht mit der LINKEN verbunden. Das Manko kann man den Wählerinnen und Wählern ankreiden oder ignoranten Medien. Es hilft nur nichts. Will DIE LINKE vorwärts weisen, muss sie sich erneuern.
 

 

 

14.5.2012
www.petra-pau.de

 

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