Frieden, Gerechtigkeit, Demokratie und weniger Chaos

Rede von Petra Pau auf der Hauptversammlung der LINKEN Treptow-Köpenick am 26. März 2011

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Im Bundestag werden derzeit große Themen bewegt - allerdings zumeist kleinkariert, armselig und gefährlich, finde ich. Vier Beispiele:

Thema 1: Atom-Energie:

Wir sind Fern-Zeugen der größten Katastrophe der Neuzeit. Erst ein Erdbeben ungeahnter Stärke, dann ein Tsunami unvorstellbaren Ausmaßes und obendrauf ein nukleares Desaster, dessen Folgen überhaupt noch nicht absehbar sind.

Ich sehe die Bilder und ahne, was das Wort Apokalypse bedeuten kann. Ich höre die Nachrichten und spüre, wie Millionen Menschen ins Elend gestürzt werden. Und ich erlebe die partei-politische Debatte hierzulande. Unterirdisch!

Die erste Antwort auf das Desaster in Japan kann nur heißen: Unverzüglicher Ausstieg aus der Atom-Energie, hierzulande und weltweit.
Die zweite Antwort kann nur sein: Schnellstmöglicher Umstieg auf Solar-Energie, wiederum hierzulande und weltweit.
Und drittens: Die Energie, wie alle Grundlebensmittel der Daseinsvorsorge, müssen den Monopolen und ihrer Kapital-Logik entzogen werden.

Das ist die Position der LINKEN.

Es ist kein Jahr her, da hat Bundeskanzlerin Merkel und ihre schwarz-gelbe Koalition das Gegenteil getan. Sie hat die Laufzeiten deutscher Atom-Meiler verlängert und das nahezu bedingungslos. Sie hat dafür den irrsinnigen Begriff „Brücken-Technologie“ bemüht und das ganze „Revolution“ genannt.

Ich habe damals schon gesagt: Das war eine Konter-Revolution. Diese Brücke führt in den Abgrund. Die Atom-Lobby spielt mit dem Leben von Millionen Menschen. Schwarz-Gelb sind Alarmfarben. Sowas darf nicht regieren.

Thema 2: Nord-Afrika

Binnen zwei Monaten ist die scheinbar festgefügte Welt im Norden Afrikas aus den Fugen geraten. Allerorten ist von Demokratie-Bewegungen die Rede. Das mag sein, sie wären überfällig und allemal erstrebenswert.

In den Hintergrund ist dagegen geraten, dass es sich offensichtlich auch um soziale Bewegungen handelte. Um Menschen, die für sich keine Zukunft sehen. Diese soziale Frage spielt in den Medien kaum noch eine Rolle.

Umso mehr die militärische. Und da kann man im Bundestag verkehrte Welt erleben. CDU/CSU und FDP müssen sich gegenüber der SPD und den Grünen dafür rechtfertigen, dass sie nicht Hurra zum Krieg gegen Libyen sagen.

Das ist schizophren. Zumal alle vier Parteien stets zugelassen haben, dass deutsche Konzerne die plötzlich zum Bösen erklärten Regime hochgerüstet haben. Im Waffenhandel ist Deutschland der drittgrößte Täter.

Deutsche Konzerne haben auch Saudi-Arabien bewaffnet, deren Schergen nun in Barhein einmarschiert sind. Und erneut hat die schwarz-gelbe Regierungsfraktion ein weitgehendes Waffenexport-Verbot strikt abgelehnt.

Auch überraschende Bedenkenträger, wie Außenminister Westerwelle, schlingern verräterisch. Weil Deutschland in Libyen nicht mitkämpft, wird Deutschland sein militärisches Engagement in Afghanistan ausweiten. Aus Solidarität mit den kriegführenden Partnern, heißt es.

Wir hingegen haben klar gestellt: Die Bundeswehr muss raus aus Afghanistan. Der Konflikt in Libyen ist mit Krieg nicht zu lösen. Und mit Rüstungs-Geschäften ist kein Frieden zu schaffen.

Das ist die Position der LINKEN.

Thema Mindestlohn:

Auf der Webseite der Bundespartei tickt eine Uhr rückwärts. „Die Zeit drängt: Noch 34 Tage, um Dumpinglöhne zu stoppen. MINDESTLOHN JETZT!“ ist heute dort zu lesen.

Ihr kennt unsere Position: Wir fordern einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn zwischen 8,50 Euro und 10 Euro bis 2013. Anderenfalls droht eine weitere Verarmung von Millionen Bürgerinnen und Bürgern.

Fast Sieben Millionen Beschäftigte, mehrheitlich Frauen, erhalten für ihre Arbeit nur Niedriglöhne. Und 1,4 Millionen Beschäftigte müssen ihren kargen Lohn mit Hartz IV aufstocken. Dagegen helfen gesetzliche Mindestlöhne.

Das ist die Position der Linken.

Aber es geht nicht nur um den sozialen Aspekt. Ab 1. Mai 2011 droht eine neue Lohndumping-Runde. Unternehmen können dann hierzulande auch Arbeitskräfte aus Mittel- und Osteuropa zu Niedriglöhnen einsetzen, so wie sie in den jeweiligen Herkunftsländern Usus sind.

Gesetzliche Mindestlöhne und das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“. könnten das verhindern, im Interesse aller. Aber CDU/CSU und FDP stellen sich weiterhin quer. Sie blockieren eine Lösung der Vernunft.

Wer das aber tut, nimmt eine neue rassistische Stimmung billigend in Kauf und spielt Rechtsextremisten regelrecht in die Hände, egal, ob sie NPD oder Pro Berlin heißen oder parteilos als schwarz-autonomer Block daher kommen.

Thema: Rentenunrecht

Mit 19 Einzelanträgen hat die Fraktion DIE LINKE erneut versucht, Rentenunrecht zu beseitigen. Generell, weil Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern noch immer systematisch benachteiligt werden.

Und bezogen auf einzelne Berufsgruppen, die mit dem Einigungsvertrag um Rentenansprüche betrogen wurden. Davon dürften auch in Treptow/Köpenick sehr viele leben. Denn betroffen sind zum Beispiel auch Eisenbahner und das ingenieurtechnische Personal der INTERFLUG.

Das ist die Position der LINKEN.

Wiederum war keine andere Partei bereit, unseren Anträgen zu folgen oder eigene Lösungen anzubieten. Die Ost-West-Mauer in den Köpfen der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der Grünen steht weiter ehern.

Ich bitte euch dabei immer mitzudenken: Wenn wir Rentenunrecht beklagen, dann nicht nur für Seniorinnen und Senioren. Systematisch benachteiligt werden auch Jugendliche, die heute noch gar nicht an Rente denken.

Ein Gedankenspiel. Am frühen Morgen des 3. Oktober 1990, also am Tag der deutschen Einheit, wurden zwei Jungs geboren. Einer in Frankfurt am Main, einer in Frankfurt/Oder, beide als Bundesbürger.

Beide werden Informatiker. Und beide haben das Glück, in ihrem Beruf tätig zu bleiben, der eine in Frankfurt am Main, der andere in Frankfurt/Oder.

Und dann kommt der 2. Oktober 2057. Beide erhalten ihren endgültigen Rentenbescheid und damit bekommt unser Bundesbürger aus Frankfurt/Oder Schwarz auf Weiß bescheinigt, was er ein Arbeitsleben lang war: Ein Ossi.

Ich habe diesen 4-Punkte-Schnellflug durch die aktuelle Bundespolitik gemacht, weil damit noch mal konkret deutlich wird, was die Markenzeichen der LINKEN sind: Frieden, Gerechtigkeit, Demokratie und Bürgerrechte.

Dasselbe könnte ich für die Berliner Landespolitik tun. Aber das überlasse ich gern anderen. Ich will stattdessen noch etwas über die Partei DIE LINKE sagen.

Wir waren ja grandios ins Super-Wahljahr 2011 gestartet. Mit Ausflüssen über den Kommunismus in Bernau und über Spitzenwein auf der Alm. Das waren Alleinstellungs-Spitzen-Themen. Daran kam niemand vorbei.

In mir reifte damals ein Horror-Szenario. Und das ging so:
Wir vergeigen die Wahlen in Hamburg, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, möglicherweise auch die in Sachsen-Anhalt.

Daraufhin drehen spätestens Ostern alle Fliehkräfte der Linkspartei frei. Einen Hauen und Stechen gegen die vermeintlich Schuldigen beginnt. So richtig Rot, so dass auch die Folgewahlen verloren gehen.

Das Finale folgt dann im November. Statt eines Programm-Parteitages in Erfurt zelebrieren wir einen Personal-Parteitag á la Gera anno 2002.

Dieses Szenario ist (bislang) nicht eingetroffen.
DIE LINKE wurde erneut in die Hamburger Bürgerschaft gewählt. In Sachsen-Anhalt haben wir ein respektables Ergebnis erzielt. Und zu Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind wir morgen Abend klüger.

Diese positive Wendung besagt aber nicht, dass unser Chaos-Potential plötzlich erschöpft sei. Drei aktuelle Beispiele dazu:

Das erste: In Bremen fand eine Aktion vor einem Super-Markt statt. Die Botschaft: Boykottiert Waren aus Israel. Genossinnen und Genossen der LINKEN fanden diese Demonstration so prima, dass sie das ganze flugs in Wort und Bild über die Webseite des Landesvorstandes verbreiteten.

Seither werden bundesweit in der Linkspartei Unterschriften gesammelt. Die einen für die Aktion, die anderen dagegen. Das entspannt den Nah-Ost-Konflikt ungemein und ist ein Segen für die Medien.

Das zweite: Aus unserem Studierenden-Verband heraus wird zu eine Demo gegen die Berliner LINKE, hin zum Landesparteitag morgen geworben.

Es geht um die Novelle des Berliner Hochschulgesetzes. In einem Papier dazu wird im Nazi-Sprech vor einer „Ermächtigungsklausel“ und einer „Diktatur der Hochschulleitungen“ gewarnt.

Ein Aktivist dieser Demo beendet seinen Aufruf mit der Losung „Von Kairo lernen - wir können es schaffen!“ Ich fürchte, er hat zu lange in gleißender Sonne auf einem Kamel geschaukelt.

Das dritte: „Kein weiter so!“, heißt ein so genannter Berliner Appell, für den ebenso Unterschriften gesammelt werden. Auch er kommt aus der eigenen Partei, ursprünglich aus Bezirksorganisationen im Westteil der Stadt.

In ihm werden der Berliner Linkspartei Verrat an der linken Bewegung und Kungelei mit dem Kapital vorgeworfen sowie eine Aufkündigung der rot-roten Landesregierung gefordert.

Sollte es ein revolutionäres Gesetz geben, wonach Linke bei Wahlen besser verlieren sollten und dies nach Möglichkeit auch noch selbst zu erwirken hätten, dann wären wir mit diesen Beispielen rasant auf dem Pfad der Tugend.

Verstockt, wie ich bin, will ich aber nicht verlieren. Ich will, dass wir bei den Wahlen zulegen und dort, wo es geht, unsere politischen Alternativen umsetzen: für Frieden, für Gerechtigkeit, für Demokratie und Bürgerrechte.

Und weil ich annehme, dass ihr das ebenso wollt, wünsche ich eurer Hauptversammlung und den zwei folgenden Berliner Landesparteitagen einen konstruktiven Verlauf mit werbenden Ergebnissen.

Ich werde euch dennoch alsbald verlassen, in Richtung Potsdamer Platz, wo heute eine von vier bundesweiten Demonstrationen gegen das atomare Komplott der Bundesregierung mit den Energie-Multis stattfindet.
 Ich werde euch dennoch alsbald verlassen, in Richtung Potsdamer Platz, wo heute eine von vier bundesweiten Demonstrationen gegen das atomare Komplott der Bundesregierung mit den Energie-Multis stattfindet.

 

 

26.3.2011
www.petra-pau.de

 

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