Sozial und solidarisch zur Sonne, zur Freiheit

Rede von Petra Pau auf der Hauptversammlung der LINKEN Marzahn-Hellersdorf am 21. März 2010

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1. 

Die Programm-Debatte ist eine Hängepartie. Nicht etwa, weil die Medien und die Konkurrenz gern tönen, DIE LINKE hätte nicht einmal ein richtiges Programm. Das ist albern und dumm. Wir haben seit 2007 programmatische Eckpunkte. Sie beschreiben, was uns eint. Und sie listen ehrlich ungeklärte Fragen auf. So viel Mut hat keine andere Partei.
 
Es ist vielmehr eine Hängepartie in eigener Sache. Eigentlich war beschlossen, dass die 2007 berufene Programm-Kommission 2008 einen Entwurf zur Debatte stellt. Dazu kam es aus verschiedenen Gründen nicht. Mit dem Ergebnis, dass Teile der Partei nicht zusammenfinden, sondern auseinander streben. Das geht auf Dauer nicht gut.
 
Meine Erfahrung sagt: Das Wichtigste ist nicht das fertige Programm, sondern die programmatische Debatte. Sie ist unverzichtbar für den inneren Zusammenhalt. Sie ist aber auch entscheidend für die gesellschaftliche Ausstrahlung. Wir können also viel gewinnen. Wir können aber auch viel verspielen. Es liegt an uns, was wir daraus machen.

2. 

Ich habe aber auch Ansprüche an ein linkes Parteiprogramm. Oskar Lafontaine hat auf dem Neujahrs-Empfang der Linkspartei im Saarland gemahnt: „Man muss DIE LINKE an dem erkennen, was sie in keinem Fall machen wird.“ Genau das ist mir zuwenig. Man muss DIE LINKE daran erkennen, was sie will und warum und wie.
 
Hinzu kommt: Jede andere Partei kann sich damit bescheiden, was sie am Bestehenden aufhübschen will. DIE LINKE hat andere Ansprüche. Sie will eine andere Gesellschaft, eine bessere Gesellschaft. Entsprechend groß ist der politische Gegenwind und umso überzeugender muss das Programm für möglichst viele Bürgerinnen und Bürger sein.
 
Zumal: Wer einen demokratischen Sozialismus anstrebt, braucht dafür demokratische Mehrheiten. Eine LINKE, die sich allein oder auch nur vordergründig an Ausgegrenzte oder Abgehängte wendet, gibt sich schon verloren. Wir brauchen also ein Programm, das sich in Inhalt und Stil an gesellschaftliche Mehrheiten wendet. Das ist ein Riesenanspruch.
 
Schließlich: Es reicht nicht, en masse alte und neue Forderungen nach allem Guten und Schönen aufzuhäufen. DIE LINKE muss einen roten Faden spinnen, der erkennbar ist. Und wir müssen benennen: Was sind die drei, vier "archimedischen Punkte" gesellschaftlicher Veränderungen, um die sich der Kampf vor allem lohnt. Radikal und realistisch!

3. 

Ich will nur drei mögliche Leitlinien nennen:
 
Erstens: Grüne können durchaus auch eine schwarz-gelbe Seele haben. Das weiß man. Rote indes kommen im 21. Jahrhundert ohne grüne Seele nicht mehr aus. Wir brauchen einen sozial-ökologischen Umbau - nicht nur der Wirtschaft sondern - der gesamten Gesellschaft. Sonst versinkt die Zivilisation in Chaos, Katastrophen, Krieg.
 
Zweitens: Moderne Linke dürfen das Wort Demokratie nicht nur im Namen haben. Wir müssen dafür streiten, dass die Politik wieder entscheiden kann und die Demokratie nicht noch weiter entleert wird. Das, was wir Neoliberalismus nennen, bewirkt das Gegenteil. Er führt zu Entmündigung und Ohnmacht.
 
Drittens: Eine neue Linke muss auf neue Art und Weise international und global agieren. Es gibt kein Zurück hinter national-staatliche Schutz-Wälle. Also muss die Linke lokal und zugleich grenzüberschreitend denken und handeln. Es reicht daher nicht, wenn wir von links die EU kritisieren oder die UNO ignorieren.

4. 

Nun haben wir einen umfassenden Programm-Entwurf. Das ist gut und zugleich habe ich eine Sorge. Nämlich dass sich die programmatische Debatte in einem kurzsichtigen Streit um Halbsätze und Unterpunkte erschöpft. Das wäre ätzend und brotlos. Deshalb empfehle ich: Lasst uns erst über die großen Linien reden.
 
Was nicht heißt, dass ich nicht auch Reizwörter hätte, auf die ich besonderten Wert lege. Zum Beispiel darauf, dass wir - aus Erfahrung klug - für immer mit dem „Stalinismus als System“ gebrochen haben. Wohl bemerkt, nicht nur mit dem „Stalinismus“, sondern wie 1989 innerhalb der PDS beschlossen, „als System“.
 
Ich streite auch weiterhin dafür, dass sich DIE LINKE als moderne „sozialistische Bürgerrechtspartei“ versteht. Sage bitte niemand, das sei doch klar. Ich kenne Stellungnahmen aus der Partei, die genau das für Teufels-Werk halten. Wir brauchen aber ein grundlegendes Verständnis zur Einheit von sozialen, Bürger- und Freiheitsrechten.

5. 

Linke wollten von je her eine bessere Welt. Das war bei Jesus so. Das war bei Marx so. Das ist heute so. Das aktuelle Zauberwort heißt für mich „sozial-ökologische Revolution“ - oder lyrisch, in Anlehnung an ein bekanntes Lied gesagt: „sozial und solidarisch zur Sonne, zur Freiheit“.
 
Freiheit hat auch etwas mit Eigentum zu tun. DIE LINKE ist derzeit die einzige große Partei, die die Eigentumsfrage stellt. Übrigens durchaus in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz.
 
Überhaupt werden die Medien nun suchen, welcher Satz in ihren Kram passt. Auch Linke werden suchen, welcher Satz in ihren Kram passt. Und so könnten Ignoranten und Linke denselben Unsinn tun.
 
Genau dieses Schauspiel sollten wir nicht bieten. Deshalb noch mal mein Appell. Über Änderungsanträge zum Entwurfstext können wir in einem Jahr streiten. Jetzt sind Grundsatz-Debatten gefragt.
 
Wobei die eigentliche Frage lautet: Wie wollen und wie können wir morgen leben: sozial - gerecht - friedlich. Eine uralte Frage. Sie drängt mehr denn je! Aber auch unter neuen Bedingungen.
 
Der Programm-Entwurf der Linkspartei umfasst 25 Seiten. Komprimiert heißt das Kernangebot: Gerechtigkeit statt Armut - Demokratie statt Diktat - Frieden statt Ausbeutung.

6. 

Schließlich eine letzte Bitte: Die Welt wird unglaublich übersichtlich, wenn man sie in Schwarz und Weiß einteilt. Das Dumme ist nur: Die Welt ist nicht so simpel gestrickt. Gut und Böse kommen zuweilen sogar dialektisch daher, als Zwillinge. Das wusste schon Karl Marx. Wir sollten ihn daher ernster nehmen und ihm alle Ehre machen.
 
Dazu gehört auch: Slogans ersetzen keine Inhalte. „Freiheit durch Sozialismus“ klingt prima. Aber die Pointe wirkt nur, wenn wir vordem überzeugend darstellen, warum wir gerade das so wollen. Sollte uns das - ausnahmsweise auch noch sprachschön und prägnant gelingen, dann wäre das allemal eine Kiste Rotkäppchen-trocken wert. Aber erst dann.
 

 

 

21.3.2010
www.petra-pau.de

 

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