dbb magazin - Juni 2002

Petra Pau (PDS) im Redaktionsgespräch:

„Krankenhäuser und Schulen müssen sich nicht rechnen“

Einerseits steht die PDS, die Partei des Demokratischen Sozialismus, nach eigenem Bekunden dem Beamtenstatus als solchem grundsätzlich kritisch gegenüber. Andererseits ist sie wahrscheinlich die deutsche Partei, deren Vertreter den Kernbereich der hoheitlichen Aufgaben am weitesten fassen. Wie und ob sich beide Aussagen unter einen Hut bringen lassen ist eine der zentralen Fragen in unserem Redaktionsgespräch mit Petra Pau, der stellvertretenden Vorsitzenden der PDS und ihrer Bundestagsfraktion.

„Machen wir und nichts vor. Wir sitzen ja auch hier zusammen, weil Wahlkampf ist und ich überlege mir doch genau, was ich sage und wen ich damit möglicherweise verschrecke.“ Petra Pau, Jahrgang 1963, Lehrerin für Deutsch und Kunsterziehung und seit 1998 Mitglied des Deutschen Bundestages, schätzt das offene Gespräch: „Wir sind dem Beamtentum gegenüber durchaus kritisch eingestellt, aber solange es Beamte gibt, sollen sie auch sozial abgesichert sein.“

Nach der deutschen Vereinigung 1990 sei eine große Chance vertan worden, den eigentlichen Kern der hoheitlichen Aufgaben zu definieren. Nur dort sei der Beamtenstatus eindeutig legitimiert, sei die besondere Loyalitätsbindung aber auch die Unabhängigkeit der Staatsdiener unabdingbar. Alle anderen öffentlichen Dienstleistungen könnten, so Petra Pau, „genauso gut“ auch von Angestellten und Arbeitern erledigt werden. Wenn das richtig ist, kann im Umkehrschluss auch alles beim Alten bleiben. Warum am Beamtenstatus rütteln, wenn die Staatsaufgaben hinterher auch nur „genauso gut“ erledigt werden? „Weil der Beamtenstatus der Einbeziehung dieser großen Beschäftigtengruppe in die solidarischen sozialen Sicherungssysteme entgegensteht. Statt letztere immer weiter aufzuweichen, sollten sie durch eine möglichst breite Mitgliederbasis gestärkt werden.“

Mit bisher 5,1 Prozent der Stimmen und ohne Regierungsbeteiligung im Bund reicht es bei der PDS noch nicht ganz, die über 1,8 Millionen Beamten in der Bundesrepublik nachhaltig zu verschrecken. Und jenseits aller „Statusfragen“ gibt Petra Pau sich auch alle Mühe, eher die Gemeinsamkeiten mit dem Beamtenbund herauszustreichen.

Beispielsweise zum Thema innere Sicherheit und Privatisierung staatlicher Aufgaben: „Berufsbedingt bin ich ja nun oft auf Flughäfen und Bahnhöfen unterwegs. Wenn ich sehe, wie viele der da im sicherheitsrelevanten Bereich Beschäftigten nicht mehr in geregelten Arbeitsverhältnissen sind. Und damit meine ich nicht nur die, die die Personenkontrollen durchführen. Das fängt beim Catering an und hört beim Reinigungspersonal auf. Dann ist das für mich ein Sicherheitsrisiko.“

Oder in der Diskussion um das Versorgungsänderungsgesetz: „Das halte ich in seiner jetzigen Form für grob fahrlässig, weil die Beamten doppelt zur Kasse gebeten werden - Stichwort: ,wirkungsgleiche Übertragung' der Rentenreform.“ Und auch für das schlechte Image der Staatsdiener, erklärt Petra Pau, tragen die Politiker ein gehöriges Maß an Mitverantwortung: „Warum ist das Ansehen des öffentlichen Dienstes so schlecht? Das hat natürlich auch damit zu tun, wie geht die Politik mit den Beamten oder auch den Angestellten des öffentlichen Dienstes um. Wenn ich über entsprechende Gesetzesinitiativen signalisiere, denen geht's doch noch viel zu gut, dann brauchen wir uns auch über ein entsprechend schlechtes Image in der Öffentlichkeit nicht zu wundern.“

Natürlich, so die stellvertretende PDS-Vorsitzende, kann man die Notlage der Öffentlichen Haushalte bei einer Modernisierung des öffentlichen Dienstes nicht außer Acht lassen. Aber es ist genauso wenig akzeptabel, „... dass immer mehr Politiker die totale Deregulierung ausrufen, nach dem Motto: Das wird sich schon alles von allein regeln. Das regelt sich natürlich. Aber es bleibt eine immer größer werdende Gruppe von Menschen auf der Strecke.“ Petra Pau meint hier nicht nur die, die bereits durch das soziale Netz gerutscht sind, sondern auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes: „Sparzwänge hin oder her, wenn es darum geht, denjenigen, die heute beim Staat beschäftigt sind eine Perspektive zu geben, dann gehört hier AUS- und Weiterbildung bis hin zur Umschulung mit dazu.“

Zugegebenermaßen herrscht Wahlkampf und zugegebenermaßen ist die PDS nicht in unmittelbarer Gefahr, ihre Forderungen und Versprechen auf Bundesebene in die Tat umsetzen zu müssen. Dennoch steckt in mancher Antwort von Petra Pau gewerkschaftspolitisches Potenzial. Wie steht sie beispielsweise zum DGB-Slogan „Verhandeln statt Verordnen“? Sieht sie die PDS da eher an der Seite der gewerkschaftlichen Konkurrenz oder beim dbb? „Über die tarifrechtliche Stellung der Beamten und die Frage Besoldungsverhandlung oder -gesetz würde sie gerne mit den betroffenen Beamten selbst reden, wieweit das aus ihrer Sicht sinnvoll ist oder ob nicht die Gefahr besteht, dass wir Vorhaben, die wir gerade gemeinsam zurückgeschlagen haben - siehe Bandbreiten -Tür und Tor öffnen. Es kann nicht sein, dass wir im Verhandlungsweg einen öffentlichen Dienst erster, zweiter oder dritter Klasse schaffen, je nach Finanzlage der Länder und Kommunen.“

Wie alle Politiker plädiert auch Petra Pau für eine gründliche Staatsaufgabenkritik, geht allerdings dabei von einem eher fürsorglichen Staatsverständnis aus: „Wir sind nicht dafür, dass sich der Staat immer mehr aus der Daseinsvorsorge zurückzieht. Krankenhäuser und Schulen wurden nicht erfunden, damit sie sich rechnen. Da bedarf es eines gesellschaftlichen Konsenses: Was wollen, was müssen wir uns leisten? Wie wollen wir das finanzieren?“

Und als Lehrerin fällt der stellvertretenden PDS-Vorsitzenden dabei sofort ein Beispiel aus dem Bildungsbereich ein. Die Modernisierung des öffentlichen Dienstes ist nicht nur eine Frage der Sachausstattung, sondern auch des Personalmanagements und der Aus- und Fortbildung: „Es reicht nicht, dass alle Schulen am Netz sind, wenn man nicht gleichzeitig dafür sorgt, dass die, die davor sitzen auch über die notwendige Kompetenz verfügen und auch Wegweiser sein können. Wenn man in Berlin in eine Schule geht, wird einem immer zuerst stolz das Computerkabinett vorgeführt. Nur wenn man dann fragt, wer eigentlich in den letzten Jahren eine IT-Fortbildung besucht hat, wer denn den Kindern Hinweise - auch über gefährliche Internetinhalte - geben kann, macht sich betretenes Schweigen breit.“

Auch in der Frage der überfälligen Angleichung der Einkommen im öffentlichen Dienst der neuen Länder an das Westniveau stellt sich die PDS eindeutig auf die Seite der Beschäftigten: „Wir haben nun wirklich schon seit Jahren einen festen Fahrplan für die Ostangleichung gefordert und vor allem auch verbindliche Regelungen darüber, wie man die Kommunen in die Lage versetzt, das auch zu leisten. Das muss und wird Konsequenzen für den Bundeshaushalt haben.“

Solange die PDS nicht den Bundesfinanzminister stellt, lässt sich so manche Forderung leicht formulieren. Die Sicht auf die Dinge ändert sich mit dem Standpunkt. Beim Wechsel von der Bundes- auf die Landesebene, von der Opposition zur Regierungsbeteiligung, schwindet auch bei der PDS die Großzügigkeit. Als Koalitionspartner in Berlin spricht auch Petra Pau plötzlich nur noch über Sparen, Streichen und Kürzen: „Wir müssen in Berlin drastische Einschnitte hinnehmen und wir werden eventuell für eine gewisse Zeit auch auf Ausbildung im öffentlichen Dienst verzichten müssen.“ Das hätte die PDS-Frau vor Eintritt ihrer Partei in den Berliner Senat noch ganz anders formuliert.
 

 

 

13.7.2002
www.petra-pau.de

 

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