Migrantinnen in der Arbeitswelt

Einführungsvortrag auf der Tagung der Rosa-Luxemburg-Stiftung und des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg
am 29. Mai 2002 in Berlin, Werkstatt der Kulturen, Wissmannstr. 32, 12049 Berlin

Dafür, dass der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg und die Rosa-Luxemburg-Stiftung diese Tagung organisiert haben, gebührt ihnen großer Dank. Denn diese Konferenz füllt eine Lücke. Wir haben in den letzten Monaten eine intensive Diskussion gehabt über Einwanderung. Dabei erschienen die Migrantinnen und Migranten in der Regel nur als homogene Masse, entweder pauschal als Chance für die deutsche Wirtschaft oder als Bedrohung der „völkischen Identität“.

Schon ein Blick in das Programm für diese Tagung macht zwei Dinge deutlich:

1.  

Ein Großteil der Migration wird von Frauen bewältigt. Von den rund 7,3 Millionen Menschen ohne deutschen Pass, die am 31. Dezember 2000 in Deutschland lebten, waren rund 3,3 Millionen, das heißt 45,7 Prozent, Frauen.

2.  

Migrantinnen und Migranten finden sich in der Arbeitswelt längst nicht mehr nur auf den klassischen "Gastarbeiter"-Arbeitsplätzen. Sondern sie machen auch einen Teil des Mittelstandes aus, viele von ihnen sind selbständig und das weit über den Gemüsehandel hinaus. Nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes waren im Jahre 2000
- insgesamt 3.012.000 Ausländerinnen und Ausländer erwerbstätig;
- davon 147.000 Selbständige mit einem Betrieb ohne weitere Beschäftigte (= 4,9 %)
- 111.000 Selbständige in Betrieben mit weiteren Beschäftigten (= 3,7 %).
Das heißt: Immerhin 8,6 Prozent der erwerbstätigen Migrantinnen und Migranten waren Selbständige.
Hinzu kommen 26.000 mithelfende Familienangehörige (= 0,9 %), 891.000 Angestellte, also rund 29,6 Prozent, sowie 1.827.000 Arbeiterinnen und Arbeiter, die mit etwa 60,7 Prozent die Mehrheit der ausländischen Beschäftigten stellen.

Mit anderen Worten: Wenn wir eine ernsthafte, sachliche Diskussion über die Rahmenbedingungen für Einwanderung führen wollen, dann müssen wir die Dinge so differenziert betrachten, wie sie im richtigen Leben sind.

Migrantinnen stehen in der deutschen Arbeitswelt vor einer doppelten Herausforderung, um es einmal etwas schönfärberisch zu formulieren.

• 

Sie sind Frauen. Das bedeutet, sie müssen sich immer noch gegen traditionelle Rollenverständnisse, die einer Frau eher den Platz im Hause zuweisen, durchsetzen.

• 

Sie sind Ausländerinnen. Sie müssen sich also gegen die strukturelle Diskriminierung gegenüber ausländischen Erwerbstätigen, die schon im deutschen Rechtssystem angelegt ist, durchsetzen.

Im Jahre 2000 waren 436.788 Migrantinnen und Migranten arbeitslos. Davon waren 161.473 Frauen, das sind rund 37 Prozent.

Im Zusammenhang mit der Einwanderung wird auch immer wieder über Integration diskutiert. Die PDS - das sage ich hier ganz offen - war bei den Beratungen über das Zuwanderungsgesetz bitter enttäuscht. In den konkreten Bestimmungen des Gesetzes ist nämlich Integration als gesellschaftliches Problem weitgehend ausgeblendet worden. Sie wird mehr oder weniger nur als Frage von Sprachkursen behandelt.

Die Bedeutung von Angeboten zum Spracherwerb und zur interkulturellen Bildung will ich gar nicht kleinreden. Aber Integration bedeutet auch Zugang auf den Arbeitsmarkt. Das heißt nach unseren Vorstellungen:

• 

Verbesserter Zugang von Migrantinnen und Migranten in die qualifizierten Bereiche des Arbeitsmarktes und die berufliche Ausbildung. Dabei ist besonders der Staat selbst gefordert: der öffentliche Dienst ist in allen verfassungsrechtlich zulässigen Bereichen für Migrantinnen und Migranten zu öffnen.

• 

Gezielte Beschäftigungsförderung von Erwerbstätigen mit Einwanderungshintergrund ähnlich wie in der Frauenförderung. Ein Mittel dazu kann auch die Bindung der öffentlichen Auftragsvergabe an ausreichende Maßnahmen zur Ausbildung von inländischen und eingewanderten Jugendlichen sowie zur beruflichen Integration von MigrantInnen sein.

• 

Stärkere Öffnung der sozialen Regeldienste für MigrantInnen als zu Beratende wie als BeraterInnen und Förderung der Vernetzung von sozialen Regeldiensten mit Eigeninitiativen der MigrantInnen.

Parallel dazu muss aber auch eine Integration durch rechtliche Gleichstellung und Schutz vor Benachteiligung erfolgen. Das bedeutet unter anderem:

• 

Abschaffung aller fremdenfeindlichen Gesetze und Bestimmungen.

• 

Schaffung eines wirksamen Antidiskriminierungsrechts, das Migrantinnen und Migranten auf zivilrechtlichem Gebiet Schutz gegen Benachteiligung bietet, auf strafrechtlichem Gebiet die Diskriminierenden verfolgt.

Solche Regelungen hätten ganz konkrete und praktische, positive Auswirkungen für die Situation gerade von Migrantinnen auf dem Arbeitsmarkt.

Ich habe hier mehrere Themen und Problemkomplexe berührt, die in den einzelnen Blöcken sicher noch vertiefend diskutiert werden. Auf die Ergebnisse bin ich gespannt. Ich bin aber schon jetzt sicher, dass Ihre Erkenntnisse für unsere politische Arbeit sehr hilfreich sein werden.
 

 

 

29.5.2002
www.petrapau.de

 

Seitenanfang

 

Innenpolitik

 

Lesbares

 

Startseite