„Otto-Katalog“? Find ich nicht gut!

von Petra Pau (MdB)

Irgendwie klingt der Name freundlich - „Otto-Katalog“. Womit aktuell allerdings nicht das Prospekt eines Küsten-Versandhauses gemeint ist, sondern das „Anti-Terror“-Bündel, vorgelegt von Otto Schily, Bundesinnenminister. In seinem Angebot sind mehrere Dutzend Maßnahmen. Zu viele, um alle allgemein und bis zum letzen Anstrich zu würdigen, aber genug, um sich der Generalkritik zahlreicher Bürgerrechtler und Datenschützer anzuschließen: rechtstaatlich-untauglich, obendrein kreuz-gefährlich.

Dabei kommt so mancher Vorschlag ganz harmlos daher. Etwa die Ankündigung, künftig Fingerabdrücke und weitere biometrische Angaben in Ausweise zu prägen, und zwar verschlüsselt, um die Pässe so gegen Fälschungen zu sichern.

„Warum soll ich meinen Fingerabdruck nicht geben“, höre ich vielfach, „schließlich habe ich nichts zu verbergen“? Mag sein, doch darum geht es - vorerst - nicht. Auch nicht um die Frage, ob Sie Ihren Fingerabdruck geben wollen. Sie sollen es müssen! Und das ist schon eine andere Qualität. Im Gespräch sind weitere ‚Daten', zum Beispiel die Iris des Auges, vielleicht auch der genetische ‚Fingerabdruck', also Ihre DNA. Die wiederum ‚sagt' nicht nur, wer Sie sind, sondern auch, wie es um Sie steht, etwa, zu welchen Krankheiten Sie neigen.

Das alles, wohlbemerkt, verschlüsselt, was wiederum hieße: Sie würden genötigt, sensible Daten mit sich herumzutragen und auf Verlangen vorzuweisen, ohne dass Sie wirklich wissen, welche Angaben das sind und wozu sie ‚gut' sein sollen.

Womit das Problem noch längst nicht vollständig beschrieben ist. Denn sinnvoll wäre ein so datenreicher und verschlüsselter Pass erst, wenn er schnell auf seine Echtheit überprüft werden könnte. Das wiederum ginge am besten, wenn es eine entsprechende Zentral-Datei oder ein Computer-Netzwerk gäbe, so dass die Ausweis-Angaben flugs abgleichbar wären. Können Sie sich vorstellen, welche Brisanz einer solchen ‚Sammelstelle' innewohnt, wie viel Missbrauch damit denkbar wird? Längst ist unter Kritikern vom „gläsernen Menschen“ die Rede. Und Fragen der PDS an die Regierung, ob es entsprechende Pläne gibt, werden bislang mit beredtem Schweigen beantwortet.

Außerdem: In einer rechtsstaatlich verfassten Gesellschaft gilt die Unschuldsvermutung. Sensible Angaben zur Person dürfen erst dann ‚ermittelt' werden, wenn gegen diese ein begründeter Verdacht vorliegt. Andersherum: Niemand ist gehalten, möglichst viele persönliche Angaben zu hinterlegen, prophylaktisch, um im Falle des Falles die eigene Unschuld belegen zu können. Obendrein gilt laut Grundgesetz das informationelle Selbstbestimmungsrecht. Ein hölzernes Fachwort, aber im Kern besagt es: Von eng umrissenen Ausnahmen abgesehen entscheiden die Bürgerinnen und Bürger, und nur sie, wer über sie Interna wissen darf, geschweige denn speichern. Gewiss, mehr Anspruch als Wirklichkeit, aber aus gutem Grund gibt es für Ärzte, Anwälte und andere Personen des Vertrauens eine geschützte Schweigepflicht. Was Ihnen nun - allein mit der Ausweis-Geschichte - feilgeboten wird, ist das Gegenteil: Nämlich eine ungeschützte Aussagepflicht.

Die Crux oder Gerissenheit des „Otto-Kataloges“ ist ohnehin: Es wird behauptet, damit wäre dem internationalen Terrorismus beizukommen. Bewiesen wird es nie, es wird nicht einmal versucht.

Artikel für „Mittendrin“
Berlin, November 2001

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19.11.2001
www.petrapau.de

 

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