Haltung der Bundesregierung zur Berliner Finanzkrise

Aktuelle Stunde im Bundestag, 31. Mai 2001,
für die PDS-Fraktion sprach deren Berlin-Beauftragte, Petra Pau:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ein Bundesland durch Misswirtschaft und unglaubliche politische Fehler an den Rand des Bankrotts gesteuert wird, dann ist das zwar ungeheuerlich, aber deshalb noch nicht unbedingt ein Thema für den Bundestag, auch dann nicht, wenn es sich um die Hauptstadt, also um Berlin, handelt - selbst dann nicht, wenn die Berliner Spatzen von allen Dächern „Skandal“ und „Pleite“ pfeifen, während der Regierende Bürgermeister Diepgen heute Morgen noch meinte: „Der Stadt geht es gut, nur dem Haushalt geht es schlecht.“

Ich werde heute die Bundespolitik auch nicht auf so zynische Weise aufrufen, wie es der Banker und geschasste, zugleich zum stellvertretenden CDU-Landesvorsitzenden geadelte einstige CDU-Fraktionschef Landowsky schon 1998 tat, als er dem „Berliner Kurier“ mitteilte:

„Wenn erst Hunderte von Arbeitslosen auf den Treppen des Reichstages sitzen, dann wird die Republik sehen, dass die Probleme in Berlin ganz besonderer Art sind.“

Das ist zynisch, weil derselbe Landowsky an der vermutlich größten Bankenpleite der Neuzeit seine Aktien hat. Obendrein bleibt noch der Parteispenden-Verdacht, also der Verdacht, dass lange Zeit eine CDU-Hand die andere gewaschen hat.

Kurzum: Auch wenn die Berliner Probleme von besonderer Art sind, weil die Berliner Führung und der Berliner Politikstil eben von besonderer Art sind, so ist es doch das alte System „West-Berlin“, das wir hier in seinen Auswirkungen erleben können: ein Mix aus Großmannssucht, Realitätsverlust und wechselseitigen Gefälligkeiten.

(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es ist eine Politik mit ungedeckten Wechseln, durch die das von Diepgen so gern zitierte Unternehmen Berlin in die Pleite geführt wird.

Aber - deshalb sitzen wir heute zu diesem Thema hier - ich muss auch daran erinnern, dass das DIW der Auffassung ist, Berlin könne sich nicht mehr aus eigener Kraft aus dem Haushaltsdesaster befreien. Dies ist eine mehr als ernüchternde Bilanz nach mehr als elf Jahren großer Koalition in Berlin. Große Koalition heißt nun einmal: CDU und SPD.

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Immer noch besser als Ihre nach 40 Jahren!)

Spätestens aber dann, wenn ein Land zur Pleite neigt, wird es auch zum Bundesproblem. Deshalb haben wir die Aktuelle Stunde beantragt. Nun ist der Haushaltsnotstand noch nicht formal festgestellt und obendrein handelt es sich wohl auch kaum um einen unverschuldeten. Insofern kann ich schon nachvollziehen, wenn der Finanzminister und sicherlich auch sein Vertreter heute sagen: für diesen Pleitesenat keinen einzigen Heller zusätzlich!

Ich vermute, das verstehen auch die Berlinerinnen und Berliner. Jedenfalls haben wir schon Anfang der Woche ein Volksbegehren angeregt, bei dem die Bevölkerung - die Betroffenen - im Klartext sagen kann, was sie von dieser desaströsen Berliner Haushalts- und Landespolitik hält. Ich freue mich, Kollege Rexrodt, dass Sie und die Kollegin Michalik von den Bündnisgrünen mit mir darin übereinstimmen, dass man die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, die sich für ein solches Anliegen einsetzen wollen, unterstützen muss.

(Beifall bei der PDS sowie des Abg. Peter Dreßen [SPD] und der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Schizophrenie in dieser Stadt scheint endlos. Auf der einen Seite werden zu Beginn des Sommers die Schwimmbäder nicht geöffnet, bleiben also geschlossen; gleichzeitig höre ich aber auf der anderen Seite am letzten Wochenende, dass man in Berliner und Brandenburger Regierungsstuben über eine neue Olympiabewerbung fantasiert. Allerdings - auch deshalb müssen wir uns heute hier damit befassen - trägt die Fehlplanung nicht nur Landeshandschrift. Auch der Bund muss sein Vorgehen korrigieren. Für die Berliner ist ja der Begriff „Kanzler-U-Bahn„ ein geflügeltes Wort. Für die Nichtberliner sei gesagt: Geplant und gebaut wird nach wie vor eine U-Bahn-Trasse, die am Kanzleramt vorbeiführt. Diese U-Bahn, die niemand braucht, verschlingt Milliarden an Bundes- und Landesmitteln. Ich denke, hier sollte die Bundesregierung umsteuern und nicht darauf bestehen, dass weiterhin Milliarden verbuddelt werden.

(Beifall bei der PDS)

Ich komme zu einer letzten Facette der Berliner Krise, bei denen Bundes- und Landesambitionen über Kreuz liegen, anstatt sich zu ergänzen: Das prinzipiell richtige und gute föderale System der Bundesrepublik liegt schief. Nicht nur Berlin hat damit ein Problem; die Länder und Kommunen - bis hin zum letzten Dorf - wissen, dass viele Entscheidungen, die auf Bundesebene getroffen werden, von ihnen zu bezahlen sind. Auch bei Fragen, die die Hauptstadt betreffen, steht noch eine Klärung aus: Was ist Bundes-, was ist Landesaufgabe? Dabei ist es egal, ob es um die Kultur geht oder um kostspielige Polizeieinsätze, mit denen Staatsaufgaben abgesichert werden. Auch dies ist ein Problem.

Ich sage ganz deutlich: Das Duo Diepgen und Landowsky war bisher ungeeignet, dieses Knäuel zu entwirren. Sie sind nicht die Lösung, sondern das Problem. Der Regierende Bürgermeister Diepgen ließ sich im letzten Wahlkampf mit „Diepgen rennt“ plakatieren. Die nächsten Plakate sollten ihm den Laufpass geben.

(Beifall bei der PDS sowie der Abg. Peter Dreßen [SPD] und Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
 

 

 

31.5.2001
www.petrapau.de

 

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