„Leitbild Berlin-Brandenburg“

Werkstatt Deutschland e.V. - 18. Januar 2001

Werkstatt 3:
„BerlinBrandeburg oder: Aufbruch in ein produktives Jahrzehnt? Über die Berlin-Klein-DDR-Nostalgie, active governance und gemeinsame Aufgaben“
Statement Petra Pau, PDS-Landesvorsitzende Berlin

1. Im vergangenen Jahr gab es - wellenförmig - Debatten und Vorstöße zu der Frage: Wann sollte ein zweiter Fusionsanlauf Berlin-Brandenburg gewagt werden - 2004, 2009 usw., usf. Ich hielt und halte diese Spekulationen für falsch und Zeitverschwendung. Ebenso müßig finde aber auch Nachtrab-Gefechte zu der 1996 abgelehnten Fusion. (Es sei denn, sie dienen einer sachlichen Analyse und sie sind nach vorne gerichtet.) Eine Provokation möchte aber dennoch an den Anfang stellen: Es gibt Täter und Wiederholungstäter - letztere gelten als schlimmer. Auf Personen komme ich später zu sprechen.

2. In der Überschrift dieser Gesprächsrunde ist von einer „West-Berlin-Klein-DDR-Nostalgie“ die Rede. Das es so etwas gibt, können Soziologen sicher belegen. Wobei meine Erfahrungen aus zehn Jahren Gesamt-Berlin sagen: Die Berlin-Westalgie ist bestimmt nicht kleiner, als die DDR-Ostalgie - im Gegenteil. Umfragen (s. Sozialreport / Hans-Böckler-Stiftung / 1998) heben sogar hervor, dass „der Anteil der Westdeutschen, die die DDR wiederhaben möchten, wesentlich höher liegt“, als bei Ostdeutschen.

Ins Positive gewendet, möchte ich an ein gern genommenes Zitat von Willi Brandt erinnern: „Nun wächst zusammen, was zusammen gehört...“ Das Original-Brandt-Zitat (4. 10. 1990 im Bundestag) aber lautete: „Die wirtschaftliche Aufforstung und die soziale Absicherung (der NBL - PP.) liegen nicht außerhalb unseres Leistungsvermögens. Die Überbrückung geistig-kultureller Hemmschwellen und seelischer Barrieren mag schwieriger sein. Aber mit Takt und Respekt vor dem Selbstwertgefühl der bisher von uns getrennten Landsleute wird es möglich sein, dass ohne entstellende Narben zusammen wächst, was zusammengehört.“ Willi Brandt hatte also nicht Vollzug signalisiert, sondern Ansprüche formuliert. Wir sollten es beim Thema Berlin-Brandenburg ebenso halten und nicht umgekehrt.

3. Die Fragen, die heute - wieder - über uns schwebt, lautet: „Gehören Berlin und Brandenburg zusammen und wachsen sie zusammen?“ Die erste Frage wird sicher niemand bezweifeln, die zweite aber, nämlich ob Brandenburg und Berlin zusammenwachsen, die kann ich jedenfalls nicht mit Ja beantworten. Gerade auch nicht im (politischen) Rückblick der letzten fünf Jahre.

Nun liest man ja ab und an durchaus Ermutigendes, so vorgestern in einer Berliner Tageszeitung. Demnach werde das gerade eröffnete Preußenjahr dem Fusionsgedanken Tür und Tor weit öffnen. Am selben Tag meldete Reuters: „Georg Friedrich Prinz von Preußen halte die Wiedereinführung der Monarchie in Deutschland für nicht abwegig.“ Soviel zum Thema Spaßgesellschaft!

Deshalb meinen dritten Punkt abbindend: Zusammenwachsen ist etwas anderes, als Zusammenschließen. Oder anders gesagt: Es gibt keinen Königsweg, der die Mühen der Ebene umschifft.

4. Ich werde mich dennoch nicht um die Fusionsfrage drücken, so wie sich die PDS auch 1995/96 nicht gedrückt hat. Sie wurde nur damals nicht gestellt, jedenfalls nicht zur Volksabstimmung. Meine Überschrift heißt: „den Föderalismus stärken“, und zwar vor dem Hintergrund, dass über die Jahre hinweg Manches in eine ungesunde Schieflage gekommen ist, und dass in europäischen Dimensionen gedacht, eine bewusste Stärkung der Regionen auf der Tagesordnung steht. Dazu gehört
a) eine Überprüfung der Kompetenzen, zugunsten der Länder und Kommunen,
b) eine Stärkung der Ressourcen (Finanzen), zugunsten der Länder und Kommunen, und
c) also an dritter Stelle folgt die Frage, ob derzeitige Ländergliederung noch zukunftsfähig ist. All das ist keine isolierten Berlin-Brandenburg-Fragen.

5. Wir ahnen alle, dass die Formulierung, „den Föderalismus stärken“,, weder Brandenbürger, noch Berliner vom Sessel reißt. Sie wollen anderes wissen und auch ich möchte anderes diskutieren. In Kurzform: Weniger Massenarbeitslosigkeit, weniger Umweltzerstörung, mehr Mitbestimmung. Das sind die eigentlichen Mega-Themen. Und sollten diese nachweislich mit einer Länderneugliederung besser zu bearbeiten sein, als ohne, wird es an Zustimmungen nicht mangeln.

Wir, und damit meine ich die PDS in Brandenburg und die PDS in Berlin, wir haben uns vor Jahresfrist an alle in den Landesparlamenten vertretenen Fraktions- und Parteivorsitzenden gewandt. Wir hatten vorgeschlagen, eine gemeinsame Enquete-Kommission einzusetzen, die sich dieser Fragen annimmt. In Berlin bewegt sich derzeit etwas. Ich nehme auch zur Kenntnis, dass der Regierende Bürgermeister ein größere Lösung durchaus für denkbar hält, etwa Mecklenburg Vorpommern, Brandenburg, Berlin und Teile von Sachsen-Anhalt.

Ich erlebe aber auch, dass die Brandenburger SPD und vor allem die märkische CDU mit beiden Beinen auf der Bremse steht. Auf eben genannten Brief antwortete nämlich Jörg Schönbohm sinngemäß: Für ihn sei a) alles klar; b) brauche er keine - wie auch immer gearteten -Diskussionsrunden; c) der Ministerpräsident und der Regierende Bürgermeister würden's schon richten. Das ist es, was ich eingangs über Wiederholungstäter sagte. Jedenfalls scheint mir Innenminister Schönbohm akut gefährdet zu sein.

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18.1.2001
www.petrapau.de

 

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