Zum Debattenbeitrag „Schreckliche Tradition“, ND 09./10.08.2014

Sehr geehrte Frau Pau,

Ich lehne den Anspruch Israels, ein Recht auf Palästina als das heilige Land der Väter zu haben, ab. Das halte ich für ebenso religiös-fundamentalistisch wie die Ablehnung der darwinschen Entwicklungslehre durch evangelikale Christen in den USA oder die Errichtung von islamischen Kalifaten. Man kann historische Entwicklungen wie die Völkerwanderungen in Eurasien oder die Besiedlung Südamerikas durch Europäer nicht zurückdrehen. Und die Besiedlung Palästinas durch Araber eben auch nicht.
Ahmadinedschad sagte vor Jahren in einem ZDF-Interview, wenn die Europäer die Juden so lieben, sollen sie sie doch zurücknehmen. Das wurde von der Moderatorin als irre eingestuft. Hielt er uns nicht provokativ den Spiegel vors Gesicht? Wir haben in kolonialer Arroganz - Palästina war britisches Mandatsgebiet - die Juden ermuntert, dort zu siedeln, ohne Rücksicht auf die ansässige Bevölkerung. Warum haben wir nicht mehr getan, die in Europa heimischen Juden wieder zu integrieren? Wir hielten uns ein Problem vom Hals, indem wir ihre Ansiedlung in Palästina unterstützten. Den Staat Israel zu unterstützen ist einfacher, als Juden breiten Raum in Europa zu geben.
Nun existiert Israel seit mehr als 60 Jahren. Auch das ist nicht mehr zurückzudrehen. Aber es ist anzumahnen, die von der UNO beschlossene Zwei-Staaten-Lösung durchzusetzen und den Palästinensern ihr Existenzrecht in der Region zu garantieren. Ständig neuer israelischer Siedlungsbau in den Palästinensergebieten mit dem irrationalen Anspruch, dieses Land gehöre den Juden, führt nicht zum Frieden, sondern zu Haß gegen Israel, zur Stärkung der radikalen Kräfte unter den Palästinensern.
Kritik an der Politik Israels ist kein Antisemitismus. Vielleicht ist es Antizionismus. Wie wäre es, wenn der Zentralrat der Juden in Deutschland die Politik Isreals gegenüber den Palästinensern deutlich kritisiert? Dann könnten sich Antisemiten in Deutschland nicht auf diese Kritik an Israel setzen.
Der jüdische Glaube ist genauso schützenswert wie jeder andere, überall in der Welt. Vielleicht sollte der Staat Israel aber davon Abstand nehmen, der Staat der Juden zu sein, und sich zu einem Staat für alle in Palästina lebenden Menschen entwickeln.

Ich bin kein Politiker und auch kein Intellektueller, nur interessierter Laie, Jahrgang 1946.

Mit freundlichen Grüßen
Heinz Krauß
Land Brandenburg
10. August 2014

Sehr geehrter Heinz Krauß,

Ihr Schreiben werte ich als Reaktion auf meinen Beitrag im „Neuen Deutschland“ am 9. August 2014. Sein Thema war das innenpolitische Thema „Antisemitismus unter Linken“, nicht meine außenpolitische Sicht auf den „Nahost-Konflikt“.

Gleichwohl ein paar knappe Anmerkungen zu Ihren Gedanken:

1. Der Nahost-Konflikt ist nicht militärisch zu lösen, von keiner Seite. Davon bin ich überzeugt und nicht nur ich.

2. Der politisch sinnvollste Ansatz ist die Zweistaatenlösung mit einem sicheren und souveränen Palästina und einen ebenso sicheren und souveränen Israel.

3. Beide Seiten verhindern bislang eine solche Lösung. Israel z. B. durch den Siedlungsbau und die Hamas, indem sie gegen das Existenzrecht Israels ist.

4. Die Gründung des Staates Israels geht übrigens auf einen Beschluss der UNO zurück, letztlich als Konsequenz aus dem Holocaust in der Nazi-Zeit.

5. Dabei haben „wir“ Jüdinnen und Juden nicht ermutigt, dort zu leben. Viele suchten dort schlicht Überlebensschutz vor dem deutschen Juden-Wahn.

6. In Israel leben übrigens nicht nur Jüdinnen und Juden aus Deutschland, sondern aus ganz Europa, aus Amerika, aus dem arabischen Raum usw..

7. Es ist ein Geschenk an Deutschland, das hierzulande überhaupt wieder Tausende Jüdinnen und Juden leben und unsere Kultur bereichern.

8. Die meisten werden durch den Zentralrat der Juden vertreten, als Deutsche in Deutschland, nicht als Botschafter oder Interessenverband Israels.

9. In den zurückliegenden drei Monaten haben 6.000 jüdische Franzosen vor antisemitischen Angriffen im Raketenhagel auf Israel Zuflucht gesucht.

10. In der Jüdischen Gemeinde Wien spricht inzwischen ein Großteil ungarisch. Sie flohen dorthin vor der offenen Militanz in Ungarn gegen Juden.

11. Auch hierzulande ist der alltägliche Antisemitismus messbar, nicht nur an Einstellungen und Sprüchen, sondern auch an Straf- und Gewalttaten.

12. So kenne ich auch hierzulande viele Jüdinnen und Juden, die erwägen, aus Angst vor erlebten antisemitischen Repressalien Deutschland zu verlassen.

Das sind nur ein paar Stichpunkte und Hintergründe für meinen ND-Beitrag. Sie hatten in diesem Umfang dort natürlich keinen Platz. Aber das Thema „Antisemitismus“ ist nicht delegierbar, schon gar nicht an Israel.

Ebenso wenig hilfreich ist die Behauptung: Ja, es gibt Antisemitismus, aber nicht unter Linken oder in der Partei DIE LINKE. Er ist ein Problem inmitten der Gesellschaft und mithin unser aller Problem, meines jedenfalls.

Mit freundlichen Grüßen

Petra Pau
11. August 2014

 

 

11.08.2014
www.petra-pau.de

 

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