Sehr geehrter Herr Jochen Wolf,
Zuerst zum Volksentscheid: Die dahinter stehende Idee ist weitgehend. Es geht um eine Energiewende, die ökologisch, sozial und demokratisch vollzogen werden soll. Mittelfristig zu 100 Prozent Solarenergie, also weg von Kohle, Gas und Öl, deren Vorräte ohnehin endlich sind, und weg von Atomenergie, da die Risiken unbeherrschbar bleiben.
Diese grundlegende Umstellung soll zugleich dezentral erfolgen. Daraus ergäbe sich die Möglichkeit, das Monopol der Energieriesen zu brechen. Sie wissen es: Derzeit wird der deutsche Strommarkt von vier Unternehmen beherrscht. Wobei von Markt keine Rede sein kann. Die großen Vier diktieren die Gebühren und raffen zugleich Subventionen.
Um das zu ändern, sind zwei Schritte nötig. Erstens: Berlin braucht ein kommunales Stadtwerk, um erneuerbare Energien auszubauen. Zweitens: Berlin muss die Energienetze wieder übernehmen, weil wir sonst auf Gedeih und Verderb von Vattenfalls Gnaden abhängig bleiben. Darum ging es beim Volksentscheid. Beide Ziele fanden sich auch in Slogans der Initiatoren wieder: Vattenfall den Stecker ziehen! und Netz oder nie!.
Das vorgeschlagene Modell sah übrigens für das Stadtwerk und das Netzwerk umfangreiche Bürgerbeteiligungen vor, also mehr Demokratie statt hoch dotierter Posten.
Ich bin überzeugt, dass wir um beides nicht umhinkommen: den Umstieg auf erneuerbare Energien und die Zerschlagung der Monopole. Umso eher, desto besser. Manches klingt utopisch. Aber ich empfehle Ihnen den Film von Hermann Scheer Die vierte Revolution. Er dokumentiert internationale Beispiele von Städten und Regionen, die dabei schon viel weiter sind als Berlin. Und auch ich beobachte Entwicklungen dieser Art, zum Beispiel in Bayern. So ist die Stadt Kempten auf dem besten Wege 2020 energieautark zu sein, dank eigener Netze und eines eigenen Stadtwerkes, dank zahlreicher engagierter Bürgerinnen und Bürger und einer Stadtregierung, die das befördert, anders als der Berliner Senat.
Nun noch kurz zur Berliner Politik: In den 1990er Jahren wurden zwei kapitale Fehler gemacht. Zum einen herrschte eine Politik des Wahns. Berlin sollte international das Größte werden: Großflughafen, Olympische Spiele, Bankenmetropole und so weiter. Das war die Strategie der CDU und der SPD damals. Sie platzte 2011 mit dem Bankenskandal und trieb die Verschuldung des Landes in Schwindel erregende Höhen. Zum zweiten wurde privatisiert, was nur ging: Wasser, Energie, Krankenhäuser, Wohnungen und so weiter.
Die damalige PDS war gegen beide Fehlentwicklungen und hatte zum Teil bis zum Verfassungsgericht dagegen geklagt. Das änderte natürlich nichts daran, dass die PDS Altlasten mittragen musste, als sie 2002 bis 2011 mit der SPD in Berlin regierte. Das betraf vor allem die über 60 Milliarden Euro Schulden des Landes.
Nun haben auch wir in dieser Zeit bestimmt Fehler gemacht. Aber die beiden Grundübel der 1990er Jahre haben wir gestoppt und begonnen, sie umzukehren, also keine weitere Privatisierung von Lebensmitteln im weiteren Sinne und keine Großprojekte zu Lasten einer sozialen Stadt. Leider verfällt die SPD, nunmehr im Bündnis mit der CDU, wieder in alte Fehler. Ein Vorbote einer großen Koalition auf Bundesebene.
Abschließend plädiere ich immer dafür, Ross und Reiter zu benennen und nicht alle Abgeordneten als nichtsnutze Strolche in einen Topf zu werfen. Und was die Bezüge, Diäten, von Abgeordneten betrifft, kenne ich die einschlägigen Debatten. DIE LINKE im Bundestag hat übrigens die letzten vier Diätenerhöhungen strikt abgelehnt. Alle anderen Fraktionen haben zugestimmt. Da die höheren Bezüge für alle Abgeordneten gelten, Abgeordnete der LINKEN die Mehreinnahmen also auch beziehen, spenden wir diese unisono an soziale oder kulturelle gesellschaftliche Projekte und Initiativen.
Gleichwohl kenne ich Bemerkungen, wie überbezahlte Schwatzbude und schlimmere. Das kann man beides so sehen, das überbezahlt und die Schwatzbude. Richtig finde ich es dennoch nicht, eher gefährlich. Deshalb gebe ich gelegentlich zu Bedenken: Die jährlichen Kosten des Bundestages auf 80 Millionen Bürgerinnen und Bürger umgerechnet, ergibt pro Person rund 10 Euro. Das ist natürlich kein Freibrief für schlechte Politik. Ich mühe mich jedenfalls weiterhin um eine soziale, gerechte, demokratische und friedfertige.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Pau
5. November 2013
|