DIE LINKE und Free Gaza
Sehr geehrte Frau Pau,
gestern habe ich in der aktuellen Jungle World einen Artikel gelesen über die
Marvi Marmara Linken, in dem vermerkt war, dass Sie sich bei der jüdischen
Gemeinde Bremen, von der Gaza Boat Aktion als einzige Ihrer Partei distanziert
haben. Als ich im Fernsehen die 3 Überlebenden dieser so genannten
Friedensaktion von der Parteivorsitzenden der Linken, Fr. Lötzsch, mit Blumen
empfangen sah, kamen mir erhebliche Zweifel, ob ich Die Linke noch einmal
wählen kann.
Meine Familie, d. h mein Ehemann 62, meine Tochter 26, mein Sohn 30
und ich haben Die Linke seit ihrem Bestehen immer gewählt, weil sie in vieler
Hinsicht, nicht in allen, unserer politischen Auffassungen entsprach. Dass in der Partei Die Linke, wie in anderen linken Kreisen, viele Israel-Feinde zu Hause sind, war uns schon vorher klar. Diese Free-Gaza-Aktion, bei der schon einige Tage später sehr klar war, wer die Organisatoren der sogenannten Friedenaktion waren - wie nicht nur in der Jungle World, auch bei Report Mainz, Welt-online zu sehen, hören und lesen war, hätte ich von der Partei Die Linke erwartet, dass sie sich zumindest im Nachhinein davon distanziert. Ob wir vor diesem
Hintergrund Die Linke noch einmal wählen können?
Mit freundlichen Grüßen
Rosemarie Buhr-Westphal
Hamburg, 6. August. 2010
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Sehr geehrte Frau Buhr-Westphal,
es bringt nichts, um den heißen Brei herumzureden: In der Einschätzung der Free-Gaza-Schiffsaktion Ende Mai ist die Fraktion DIE LINKE gespalten. Die einen bewerten sie als überfällige Solidarität für Palästinenser. Andere, nicht nur ich, sehen sie höchst kritisch und als wenig geeignet an, den Nah-Ost-Konflikt zu entspannen. Das allerdings drängt mehr denn je. Und auch da will ich aus meinem Herzen keine Mördergrube machen: Die aktuelle Politik Israels ist dabei höchst kontraproduktiv.
Meinen Brief an die Jüdische Gemeinde Bremen können Sie übrigens im Original inzwischen im Web nachlesen, z. B. unter http://www.swr.de/report/-/id=6636856/property=download/nid=233454/mvqbrq/index.pdf. Ich habe ihn dort nicht lanciert. Aber nun ist er öffentlich. Meine grundsätzliche Position zu Israel lässt sich ebenfalls im Internet nachvollziehen. Ich habe im Bundestag 2008 zum 60. Jahrestag Israels für die Fraktion DIE LINKE gesprochen, siehe: http://de.youtube.com/watch?v=AYR2Q0mXnMU
Abschließend: Ich freue mich, dass die Joungle World auch in Hamburg gelesen wird. Sie ist nach grundsätzlichen Differenzen über Linkssein heute eine bewusste Abspaltung von der Tageszeitung junge Welt. Und ich bitte Sie: Binden Sie ihr Für und Wider zur Linkspartei nicht allein an die Kontroverse zur Free-Gaza-Schiffs-Aktion. DIE LINKE ist parteipolitisch ein Zukunftsprojekt. Gewiss, mit manchen Fragezeichen, aber was ist die bessere Alternative?
PS:
Es gibt eine schlimme, aber weise Erfahrung. Sie besagt: Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst. Nun war die Free-Gaza-Schiffs-Aktion und die Reaktion Israels darauf kein Krieg. Aber die Wahrheit, was wirklich geschah, wird weder durch einseitige Kommentare der Welt, noch der jungen Welt erhellt. Deshalb ist es richtig, dass hierzulande inzwischen parteiübergreifend gefordert wird, eine internationale Kommission möge aufklären helfen.
Mit solidarischen Grüßen
Petra Pau
Allgäu, 9. August 2010
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