Lieber Rolf Bollow,
Ihre Frage, warum wir in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr direkte Demokratie haben, kann ich Ihnen ganz einfach beantworten: Die Unionsparteien haben das nie gewollt. Die SPD hatte einst mehr Demokratie als Markenzeichen, dann aber stets gekniffen. Und selbst die Grünen schlugen sich in die Büsche, als es ernst wurde.
Es gab zuletzt zwei große Chancen, bundesweite Volksabstimmungen zu ermöglichen. Die erste hing mit der deutsch-deutschen Vereinigung zusammen. Damals wurde über eine neue Verfassung diskutiert. Es gab dafür einen modernen Entwurf, der auch mehr direkte Demokratie vorsah. Die CDU/CSU und die SPD schlugen damals das Angebot allerdings aus.
Die nächste Chance gab es rund um die EU-Verfassung 2005. In etlichen EU-Staaten gab es Volksabstimmungen und auch hierzulande gab es eine große gesellschaftliche Bewegung für eine Volksabstimmung. Kanzler Schröder (SPD) behauptete damals, das sei verfassungswidrig. Und Vize-Kanzler Fischer (Grüne) beschied, er lasse sich seine Verfassung nicht vom Volk zerreden.
Kurzum: In Fragen direkter Demokratie ist Deutschland auf Bundesebene noch immer ein EU-Entwicklungsland. Dass es auch anders geht, zeigt das Land Berlin. Seit dort nicht mehr die CDU/SPD-Koalition, sondern Rot-Rot regiert, wird Berlin bei Mehr Demokratie e.V. nicht mehr auf Platz 15 sondern inzwischen als Nummer 1 im Ländervergleich geführt.
Das Problem auf Bundesebene bleibt: Volksabstimmungen sind zwar im Grundgesetz, Artikel 20 (2), potenziell angelegt. Sie müssten aber mit Zwei-Drittel-Mehrheit des Bundestages politisch aktiviert werden. Die derzeitige große Koalition wird dies nicht tun. So bleibt uns allen vorerst nur: Wir müssen die außerparlamentarischen Bewegungen für mehr Demokratie unterstützen.
Mit solidarischen Grüßen
Petra Pau
Berlin, 5. März 2008
|