Wortklauberei Staatssicherheit

frage: Des Staates Sicherheit; des Staates Ordnung und des Staates Wirtschaft - anders gesagt: Staatssicherheit, Staatsordnung und Staatswirtschaft (Infrastruktur) ist nichts anderes als das, was unsere großen Parteien in ihren Wahl- u. Parteiprogrammen beschwören. Der Begriff „Staatssicherheit“ kann also nicht nur der ehemaligen DDR und ihren Ex-Funktionären zur Last gelegt werden - das ist schlichtweg Wortklauberei!

Ich persönlich würde mich demzufolge nicht distanzieren, denn diese 3 Punkte sind die Säulen eines Staates, für die jeder Parteienblock einsteht und einzustehen hat - wenngleich immer wieder die eine oder andere Wortverschönerung auftritt, so bleibt der Inhalt jedoch derselbe.

Gabriele Peschel
Niedersachsen
15. Februar 2008

Sehr geehrte Gabriele Peschel,

meiner Antwort schicke ich eine kurze Schilderung des aktuellen Konflikts vorweg, damit auch andere Leser oder Leserinnen, die heute oder später diesen Eintrag lesen, verstehen können, worum es geht.

Am 27. Januar 2008 wurde in Hessen und in Niedersachsen gewählt. DIE LINKE wurde jeweils mit einer Fraktion in die Landtage gewählt. Das ist ein bundesdeutsches Novum und wirbelt viel politischen Staub auf. DIE LINKE rückt dadurch noch mehr ins Zentrum der Öffentlichkeit. Das ist gut so.

Am 14. Februar 2008 brachte das TV-Magazin „Panorama“ einen Bericht über DIE LINKE und hatte dazu auch Christel Wegner interviewt. Sie ist Mitglied der DKP und stand auf der offenen Landtagsliste der Partei DIE LINKE in Niedersachsen. Die Sendung und weitere Teile des Interviews kann man unter http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2008/t_cid-4582812_.html nachlesen. Weitere Aussagen, Reaktionen und Kommentare finden sich über google schnell.

Die entscheidenden Äußerungen von Christel Wegner beziehen sich auf die Berliner Mauer und auf die Staatsicherheit der DDR. Die Mauer sei berechtigt gewesen, um Westler daran zu hindern, den Osten leer zu kaufen. Und ein neuer revolutionärer Versuch bräuchte zur Abwehr der Konterrevolution ähnliche Organe, wie die Staatssicherheit der DDR. (genauer Wortlaut, sie Link oben)

Und nun zu Ihrer Frage, besser Anmerkung: Ich halte es vielmehr für Wortklauberei, wenn diese Aussagen, zum Beispiel über die Staatssicherheit, aus dem historischen und aktuellen Kontext gerissen werden.

Die DDR ist nicht zuletzt an einem Sicherheitssystem gescheitert, das jegliche Opposition und letztlich auch jede Demokratie erdrückte. Das war übrigens kein „aus-dem-Ruder-laufen“ und auch keine Privat-Erfindung einiger Staatssicherheits-Generale. Das war ein Auftrag der SED, der im Selbstverständnis und per DDR-Verfassung legitimierten führenden Partei.

Ich füge hinzu: Ich war damals überzeugtes Mitglied der SED und stehle mich mitnichten aus meiner Verantwortung. Schon gar nicht wie Günter Schabowski, der bis zu letzt allerhöchste Funktionen in der Hierarchie der SED wahrnahm und heute als honorierter Kronzeuge gegen die vermeintlich unverbesserlichen Linken durch die CDU-Basis tingelt.

Natürlich hatte der real-existierende Sozialismus Gegner, die nichts unversucht ließen, diesen anti-kapitalistischen Versuch mit allen möglichen Mitteln zu bekämpfen und zu beenden. Berlin war Welt-Hauptstadt aller Geheimdienste. Hier wurde Krieg geführt, kalter Krieg, Geheimdienst-Krieg, beiderseits. Das alles wird in der aktuellen BRD-Publizistik systematisch ausgeblendet.

Ich warte ohnehin auf den Tag, an dem nicht nur die DDR-Archive, sondern endlich auch die BRD-Archive geöffnet werden. Die Sowjetunion hatte in Wendezeiten kurzzeitig Einblicke in ihre Archive gestattet. Die USA haben das noch nie getan. Ich wette: Wir alle werden uns wundern und alle alles besser wissenden Historiker werden in ein großes Grübeln fallen.

Aber das ändert nichts daran, dass der sozialistische Versuch an seinen eigenen Schwächen gescheitert ist. Die Bevölkerung hat ihn - zum Teil mit den Füßen - schlicht abgewählt. Trotz und wegen einer Staatssicherheit, die dagegen nahezu alles versucht hatte, was ihr möglich schien und was ihr aufgetragen wurde. Sie war keine Lösung, sie erwies sich letztlich als eines der schlimmsten Probleme.

All diese Erkenntnisse führten zum Bruch der PDS mit der SED und zu einer prinzipiellen Absage an den Stalinismus als System. Wesentliche Teile dieses Gründungs-Konsenses der PDS fanden Eingang in die programmatischen Eckpunkte der Partei DIE LINKE. Darauf wiederum müssen sich Wählerinnen und Wähler natürlich verlassen können, auch in Niedersachsen.

Christel Wegner hat in ihrem Interview aber etwas ganz anderes gesagt. Das ist ihr Recht, als DKP-Mitglied - aber nicht namens der Partei DIE LINKE und ihrer Fraktionen. Deshalb habe ich mich klipp und klar distanziert. Ich halte es übrigens nach wie vor für einen strategischen Fehler, dass DIE LINKE im Westen hie und da taktische Bündnisse mit der DKP geschlossen hat.

Petra Pau
20. Februar 2008

 

 

20.2.2008
www.petra-pau.de

 

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