Sehr geehrter Michael Potrafke,
Ihre Frage geht von mehreren Annahmen aus, die nicht stimmen. Das mag vielleicht die Schärfe in Ihrem Ton erklären, führt aber nicht weiter.
Also der Reihe nach:
1. Ich solidarisiere mich mitnichten mit jenen, die rund um den G8-Gipfel Steine warfen und damit verletzte, im schlimmsten Fall auch tote Polizistinnen und Polizisten tatkräftig in Kauf nahmen. Das ist unmenschlich und hat auch nichts mit Links zu tun. Die das taten haben obendrein der G8-Kritik einen Bärendienst erwiesen.
2. Sie beschreiben mich und meine Partei als in der tiefsten Opposition. Das halte ich für einen doppelten Denkfehler. Auch Opposition ist verantwortliche Politik. Sie ist für die Demokratie sogar unverzichtbar. Als Berliner sollten Sie zudem wissen, dass die Linke in Berlin seit 2002 gemeinsam mit der SPD regiert. Das ist übrigens genau der Zeitraum, in dem es gemeinsam mit der Polizei, dem Bezirksamt, zahlreichen Verbänden und Initiativen und natürlich mit vielen Berlinerinnen und Berlinern gelang, die berüchtigten Kreuzberger Gewalt-Orgien zum 1. Mai zurück zu drängen.
3. Gern nehme ich Ihnen auch noch zwei falsche Bilder über mich und die Polizei. Ich bin Fördermitglied der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und ich habe auch die Gewalt der Volkspolizei gegen Oppositionelle 1989 zum 40. Jahrestag der DDR abgelehnt. Eines sollte Ihnen allerdings zumindest zu denken geben: Es waren CDU- und SPD-Politiker, die die Sicherheits-Politik rund um den G8-Gipfel in den Medien mit DDR-Verhältnissen verglichen haben, nicht ich. Ich werde das auch nicht tun, aber es gibt in der Tat Ähnlichkeiten.
Nun sachlich zur Sache: Sie schreiben, dass die Polizei ausübendes Organ der Staatsmacht ist. Das stimmt und das führt erstens zu der Frage, welche Macht sie ausführt, also auch welche politischen Vorgaben? Und das führt zweitens zu der Frage, wie sie die Macht ausübt?
Ich will jetzt gar nicht mit Ihnen die eine oder andere, möglicherweise unterschiedliche Wahrnehmung austauschen. Mein Part ist der Bundestag und damit die Bundespolitik. Und deshalb muss ich selbstverständlich Fragen zum Sicherheitskonzept der Bundesregierung vor und während des G8-Gipfels stellen. Anderenfalls sollte ich mich wirklich aus der Politik zurückziehen, wie Sie empfehlen. Das habe ich nicht vor.
Einige der offenen Fragen habe ich vorgestern in einer Presseerklärung benannt. Zitat: Was hatten Bundeswehr-Panzer am Tagungsort zu suchen? Wer hat die Käfig-Haltung von inhaftierten G8-Kritikern angeordnet? Wie wird künftig die verfügte Inflation von Demonstrationsverboten ausgeschlossen? Welche Rolle haben Zivilfahnder der Polizei inmitten der G8-Kritiker gespielt?
Alle Fragen, und es gibt noch mehr, betreffen auch das Grundgesetz. Ich nehme an, dass die darin verbrieften Grund- und Bürgerrechte auch Ihnen am Herzen liegen. Und wenn Sie einmal unvoreingenommen nachdenken, dann werden Sie vielleicht feststellen, dass die weitergehenden Gefahren für die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland aktuell derzeit weniger von brutalen Krawall-Tätern ausgehen - die ich politisch und menschlich verurteile - sondern leider von gutbetuchten Sicherheits-Politikern.
Da sei hoffentlich weiterhin das Bundesverfassungsgericht vor und dagegen werde ich mich auch künftig als Linke politisch engagieren - übrigens auch für und mit kritischen Polizistinnen und Polizisten, Anwältinnen und Anwälten, Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtlern.
PS:
Sie wollten irgendetwas von Ihnen verwetten… Mein Rat: Tun Sie es bitte nicht. Sie könnten verlieren und hernach etwas vielleicht Wichtiges vermissen.
Petra Pau
11. Juni 2007
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