Sehr geehrter Herr Dickopf,
um ihre Hauptfrage vorweg zu beantworten: Es ist nicht Aufgabe der Linken, Gutes schlecht zu reden. Die Linke setzt sich traditionell für die sozial Schwachen ein. Das war zu Bebels Zeiten so, das war zu Zeiten von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg so. Das war auch zu Willi Brandts Zeiten so.
Damit bin ich bei meiner Gegenfrage. Gibt es 2006 mehr Bürgerinnen und Bürger, die sich sozial benachteiligt, ausgegrenzt und schwach fühlen als vordem, oder überwiegen die blühenden Landschaften? Meine Erfahrung sagt: Es gibt immer mehr, die arbeitslos sind und sich abgeschrieben fühlen.
Sie haben natürlich Recht: Die DDR hinterließ eine gebeutelte Umwelt und all zu viele Stadtteile waren trist und grau. Dem unermesslichen Elend, dass sie anführen, widerspreche ich kräftig. Aber es hatte nachvollziehbare Gründe, warum die DDR implodierte und das habe ich nie in Frage gestellt.
Sie schreiben, Sie haben das Land erstmals 1990 bereist. Ich empfehle Ihnen: Bereisen Sie es erneut und schauen Sie nicht nur auf die wirklich vorzeigbaren blühenden Zentren. Fahren Sie in die Uckermark oder ins Mansfelder Land. Sie werden ganze Regionen erleben, die verarmen, verfallen, vergreisen.
Glauben Sie bitte nicht, das wäre die natürliche Erblast nach 40 Jahren DDR. Die Bürgerinnen und Bürger dort würden Sie dafür bestenfalls müde belächeln. Nicht aus Ostalgie, sondern aus erlebten Erfahrungen nach 16 Jahren Deutscher Einheit. Sie wollen die DDR nicht zurück. Sie wollen Zukunft, auch für sich.
Und für ihre Kinder. Die sind derweil in nahezu alle alten Bundesländer verstreut, auf der Suche nach Arbeit, Anerkennung und ein auskömmliches Einkommen. Das wird immer schwieriger. Denn die Not grassiert nicht nur im Osten. Schauen Sie nach Franken, nach Bremerhaven, nach Pirmasens.
Ich tue es, als Linke, als Mitglied des Bundestags, als Vizepräsidentin. Und als solche sage ich Ihnen auch: Weder ich, noch meine Partei haben seit 1990 "alles getan", um blühende Landschaften zu verhindern. Was wäre das auch für eine Linke, die sich Tristesse wünscht, statt Wohlfahrt. Meine wäre es nicht.
Deshalb trifft mich auch ihr fragender Vorwurf nicht, ob ich der verlängerte Arm der SED-Agitation sei. Mitnichten. Ich erlebe die falsche Erfolgspropaganda aus unseligen DDR-Zeiten allerdings tat-täglich neu: im Bundestag, in der Tagesschau, bei Christiansen, auch in Ihrer E-Mail.
Beim Kieler Staatsakt gab es weniger Lobhudelei, als befürchtet, aber mehr, als angebracht ist. Jene, mit denen ich sprach, waren auserwählt. Sie hatten sich trotzdem einen sehr kritischen Blick bewahrt. Sie teilten überwiegend meine Meinung. Und genau das habe ich in meiner Aktuellen Notiz beschrieben.
Ich freue mich, wenn Sie weiterhin auf meiner Homepage vorbei schauen.
Mit ehrlichen Grüßen
Petra Pau
12. Oktober 2006
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