Sehr geehrter Stefan Otto,
eingangs muss ich Ihnen widersprechen: Denn wir haben ein demografisches Problem. Das ist übrigens nicht neu. Wir hatten in der DDR seit Jahrzehnten eins, in der Bundesrepublik Deutschland noch mehr und das demografische Problem hat sich seit der Vereinigung deutlich verstärkt. Darüber muss man nachdenken und darauf muss politisch reagiert werden. Denn ein Land, in dem es immer weniger Kinder gibt und wo die Kinder vorwiegend als Problem behandelt werden, kann nicht gut sein. Es ist auch nicht zukunftsfähig.
Nun stimme ich Ihnen zu: Natürlich ist es falsch, das demografische Problem zur zentralen Frage aufzubauschen und damit auch noch den allgegenwärtigen Sozialabbau zu begründen. Sie wehren sich dagegen, zu Recht und offenbar als Rentner. Ich bitte Sie daher, einem Fehlschluss nicht zu folgen, der gern von den Grünen verbreitet wird. Wenn Ihnen nämlich die Rente gekürzt wird - wogegen die Linkspartei prinzipiell ist - dann ist das mitnichten ein Guthaben für künftige Generationen. Denn den heute Jungen wird damit ihre spätere Rente gleich mitgekürzt.
Die Positionen meiner Partei zu Ihren Fragen können Sie auf unseren Web-Seiten, zum Beispiel unter www.sozialisten.de nachlesen. Das empfehle ich natürlich. Spannend find ich zudem immer, wenn sich Leute mit ähnlichen Vorstellungen zu Wort melden, die bestimmt nicht links-verdächtig sind.
Vor Jahren gab es eine Initiative von Millionären aus Hannover. Sie wollten keine Steuersenkungen, sondern angemessen besteuert werden, damit der Sozialstaat nicht länger und nicht weiter systematisch verarmt wird. Vor Jahresfrist machte der Chef der dm-Drogerie-Kette Schlagzeilen. Er forderte eine bedarfsunabhängige soziale Grundsicherung für jede und jeden.
So viel ich weiß, ist er nicht Mitglied der Linkspartei. Aber unsere Analysen und unsere Schlussfolgerungen liegen sehr nahe beieinander. Und, wie ein Stern-Interview mit ihm im April 2006 ergab, sogar nahe bei Karl Marx.
Schließlich teile ich Ihre Auffassung: Die demografische Frage ist nicht das Schlüssel-Problem. Die zentrale Frage ist die soziale und damit auch die, ob sich die Politik weiter der Ökonomie unterwirft, in Deutschland, in Europa, weltweit. Dagegen werden wir weiter streiten. Was die Medien davon verbreiten, ist eine andere Frage. Und die sollten Sie - bitte - auch den Redaktionen stellen.
Mit solidarischen Grüßen
Petra Pau
Berlin, 9. Mai 2006
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