Bisky-Nichtwahl und Geschäfts-Ordnung

frage: Wenn die Geschäftsordnung es festlegt, das jeder Fraktion ein Sitz zusteht, wieso muss dann noch gewählt werden? Es kann doch nicht demokratisch sein, wenn die Abgeordneten des Bundestages gewählt durch des Volkes Willen, dann nicht legitim sind, einen entsprechende Funktion zu besetzen. Diese Spiele können auf Grund der Mehrheitsverhältnisse im Bundestag bei jeder Sitzung bis zum Ende der Amtszeit wiederholt werden. Wäre es nicht angebracht und erstrebenswert diese Geschäftsordnung hier zu ändern?

Ich wünsche Euch viel Erfolg bei Eurer so wichtigen Arbeit. Denkt bitte immer daran, Ihr seid mit dem täglichen Handeln und Auftreten ein großer Hoffnungsträger für viele Menschen, auch außerhalb der Linken. Für eine geschlossene Linke mit vereinten Kräften gegen den Sozialabbau lasst uns kämpfen.

Carsten Hanke,
Mecklenburg-Vorpommern, Lambrechtshagen,
3. Dezember 2005

Lieber Carsten Hanke,

natürlich war die viermalige Nichtwahl von Lothar Bisky ein schlimmes Signal, aus dem Bundestag heraus, in die Gesellschaft hinein und für Lothar selbst. Wir gehen auch nicht einfach darüber hinweg. Deshalb lassen wir unseren Anspruch auf einen Vizepräsidenten derzeit ruhen, um politisch und öffentlich zu signalisieren: Hier stimmt etwas nicht. Aber das ist natürlich keine Dauerlösung.

Zugleich bezweifle ich, ob Dein Vorschlag eine gute Lösung ist. Er läuft im Kern darauf hinaus: Jede Fraktion benennt ihr Präsidiumsmitglied und so ist es dann, ohne Wahl. Ein Präsidium muss leiten, es muss moderieren und es muss dafür - auch in persona - anerkannt sein. Politisch trennen mich z. B. von Bundestags-Präsident Lammert Welten. Aber ich weiß aus Erfahrung, er kann seine CDU-Sicht zugunsten gemeinsamer Regeln auch zurücknehmen.

Ich wage einen Vergleich. Im aktuellen Fußball-Wett-Skandal meinte das Gericht: Schiedsrichter dürfen alles falsch machen. Aber sie müssen neutral sein. Spieler müssen das natürlich nicht, Abgeordnete auch nicht. Wir werden schließlich gewählt, weil wir parteiisch und politisch sind, nicht neutral. Und spätestens da zeigt sich der Unterschied zwischen Fußball und Parlament. In beiden gibt es „Spieler“ und „Schiedsrichter“. Beim Fußball werden die „Neutralen“ gesetzt, den „Spielern“ vom Verband vorgesetzt. Im Parlament müssen sich die „parteiischen Spieler“ aus ihren eigenen Reihen „neutrale Schiedsrichter“ suchen. Das ist etwas anderes.

Ich kenne übrigens etliche Mitglieder des Bundestages, denen würde ich diese „Schiedsrichter-Neutralität“ nie zutrauen. Deshalb kann die Wahl des Präsidiums durchaus sinnvoll sein. Vorausgesetzt: Es geht dabei um eben diese, fürs Präsidium wichtige Eigenschaft und nicht doch um politische Scharmützel, wie bei Lothar Bisky.

Ich werde über Deinen Vorschlag weiter nachdenken, so wie Du sicher über meine Gedanken. Und dafür schreibe ich Dir noch einen Einwand mehr: Die Nicht-Wahl Lothar Biskys war ein Politikum. Ich finde: Als solches sollte es auch kenntlich bleiben. Dein Vorschlag würde den politischen Vorgang formal verdecken. Auch deshalb glaube ich: Das wäre keine gute Lösung.

Für Deine Erfolgswünsche danke ich Dir. Ich versuche weiterhin, was ich kann, und notfalls noch mehr.

Mit solidarischen Grüßen

Petra Pau
5. Dezember 2005

 

 

5.12.2005
www.petra-pau.de

 

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