Floskeln

Sehr geehrte Petra Pau,

unter Politkern aber auch Journalisten hat sich, sehr konzentriert jetzt auch während der Wahlkampfzeiten, eine Wortformulierung etabliert, die ich nicht so ganz verstehe, bzw. gerne näher erklärt haben möchte.

Die Rede ist von:
„Der kleine Mann“ und
„Der kleine Mann von der Straße“

Wären Sie so freundlich und würden mir dazu erklären, was genau gemeint ist? Menschen, die wenig Einkommen haben?, Menschen die demonstrieren?, nur männliche? Von welcher Perspektive aus wird das formuliert? Von denen, die mehr zu sagen haben, über mehr Geld verfügen oder sich einfach nur etwas über andere Menschen erheben möchten? Und warum sind diese Personen auf oder von der Straße?

Dennoch kann ich auch dann keinen Sinn in der Formulierung „kleiner“ oder „von der Straße“ erkennen, denn selbst Hatz IV-ler haben zumeist ein Dach über dem Kopf, wenn auch nur eine kleine, die auf genauen amtlichen Berechnungen beruhen.

Vielleicht haben Sie eine schlüssige Erklärung für diese Formulierungen, die tagtäglich Anwendung finden.

Für Ihre Bemühungen vielen Dank
 
Mit freundlichen Grüßen
Ursula Pidun
31. August 2005

Sehr geehrte Ursula Pidun,

ich kann es ihnen nicht erklären und ich werde mich hüten, es zu versuchen. Die Berufspolitiker haben eine eigene Sprache und ein eigenes Vokabular entwickelt. Sie glauben damit besonders populär zu sein. Sie sind damit zumeist nur sprachlich besonders daneben.

Beispiele gefällig? „Wir müssen Reformen auf den Weg bringen.“ Ich frage, was sollen die da? „Wir müssen Geld in die Hand nehmen.“ Ich grüble, wer macht das heute noch, jedenfalls wenn es um Großes geht? „Sie sind gesprungen wie ein Tiger und als Bettvorleger gelandet.“ Ich sage dazu in der Jugend-SMS-Sprache: „Gähn!“

Es gibt Begriffe, die werden alltäglich gebraucht und sie sind dennoch problembehaftet. Zum Beispiel: „Sozial Schwache.“ Gemeint sind Menschen, die finanziell benachteiligt sind. Aber sind sie deshalb automatisch „sozial schwach“? Diese Deutung würde im Umkehrschluss heißen: Wer ein prall gefülltes Konto hat, ist sozial stark. Nix da, was sich leicht beweisen lässt, wenn man „sozial“ mit „gesellschaftlich“ übersetzt.

Gregor Gysi ist mit 1,63 m Höhe vergleichsweise kurz. Aber er ist sicher nicht gemeint, wenn vom kleinen Mann die Rede ist, weder „hier und heute“, noch in „Raum und Zeit“, weder „fußläufig“, noch „zeitnah“.

Ich mühe mich, solche Floskeln zu meiden. Ich verspreche aber auch: Ich werde es nicht immer schaffen.

Mit solidarischen Grüßen

Petra Pau
2. September 2005

 

 

2.9.2005
www.petra-pau.de

 

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