Linkes Bündnis zur BT-Wahl

Sehr geehrte Frau Pau
 
eben las ich im Internet, dass sich Gregor Gysi als Spitzenkandidat für die anstehende Bundestagswahl zu Verfügung stellt. Diese Entscheidung von Herrn Gysi finde ich großartig.

Auf Grund der Beliebtheit von Herrn Gysi wird dies der PDS einen Zuwachs an Zustimmung in der Bevölkerung bringen. Dies ist auch dringend notwendig. Liest man die heutige Ausgabe der Stuttgarter Zeitung, wird die PDS an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.

Allerdings bin ich der Meinung, dass die PDS eine historische Chance leichtfertig vergibt, wenn sie das von Oskar Lafontaine vorgeschlagene linke Bündnis ausschlägt. Auch Oskar Lafontaine ist ein Politiker, der sehr viele Stimmen auf sich vereinigen kann. Sicher, hat er während seiner aktiven Laufbahn sehr viele „Prügel“ einstecken müssen, bedenkt man nur das Wahlergebnis, das er „einfuhr“, als er die SPD im Bundestagswahlkampf als Kanzlerkandidat anführte.

Diese Niederlage war vor allen Dingen darauf zurückzuführen, dass er damals die Wahrheit über die Zukunft Deutschlands und seiner Bürger sagte. Eine Wahrheit, die damals niemand hören wollte. Heute ist dies leider traurige Wirklichkeit geworden. Dies, so denke ich, haben viele der Bürger und Bürgerinnen, die damals noch schimpften, eingesehen.

In meinen Augen ist Oskar Lafontaine einer der wenigen Politiker, die in der Lage sind, die jeweilige politische und / oder wirtschaftliche Situation klar zu analysieren und die entsprechend notwendigen Schritte einzuleiten. Zugegeben, manchmal sind seine Wahrheiten unbequem, haben noch immer den Kern der Sache getroffen.

Deshalb halte ich es für falsch, ein Angebot, wie Oskar Lafontaine es gemacht hat, abzulehnen. Mag der Zeitdruck noch so groß sein, aber jetzt wäre der Zeitpunkt richtig. Was in vier Jahren ist, weiß heute niemand. Aber die Chance, es evt. dann mit Erfolg anzugehen, halte ich für ziemlich gering.

Was unser Land und seine Menschen absolut nicht brauchen, ist eine konservative Regierung, die den Arbeitgebern noch mehr Zugeständnisse einräumt und die Arbeitnehmerrechte weiter aushöhlt, bis wir irgendwann auf dem Stand der Zeit der Industrialisierung angelangt sind.

Bereits gestern kündigte Edmund Stoiber für den Fall eines Wahlsieges der Union an, die MWSt evt. anzuheben, Sonn-, Feiertags- und Nachzuschläge zu besteuern, die Km-Pauschale zu kürzen, im Gegenzug dafür die Unternehmensteuern zu senken. (Nur mal so nebenbei bemerkt: Unternehmen zahlen de facto eh keine Steuern, sondern geben sie über die Preise an die Verbraucher weiter).

Falls aber jemand glaubt, Steuererleichterungen würden sich für den Verbraucher bemerkbar machen, wird sich getäuscht sehen. Wahrscheinlich werden die Herren Ackermann und Co. dies nutzen, um die Kapitalrendite noch weiter anzuheben, oder eben ihre sowieso viel zu geringen Vorstands-Tandiemen deutlich anzuheben (Sollte allerdings einer der Arbeiter eine Erhöhung seines Stundenlohnes um 5 Ct verlangen, wird mal wieder der Standort Deutschland gefährdet sein.).

Wer will solchen Auswüchsen entgegentreten ? Eine CDU / CSU / FDP Regierung etwa ??????

Um solche Missstände klar aufzuzeigen, brauchen wir eine sehr, sehr starke linke politische Kraft / oder Kräfte. Deshalb bin ich der Meinung, dass die Entscheidung der PDS, auf das linke Bündnis nicht einzugehen, revidiert werden muss.

Jetzt kann sich diese neue, linke Kraft das notwendige politische Profil erarbeiten. Nach Lage der Dinge wird die künftige, konservative Regierung ein breites Betätigungsfeld hierfür bieten.

Mit freundlichen Grüssen
Thomas Napiralla, Baden-Württemberg
3. Juni 2005

Sehr geehrter Thomas Napiralla,

ich lasse die ganze politische Einschätzung mal beiseite. Ich teile sie weitgehend und verkürze sie: Die vorherrschende Politik ist unsozial, ungerecht und es gibt selbstverständlich Alternativen.

Der Kern Ihrer Frage betrifft ein mögliches Bündnis verschiedener Linker, speziell der PDS und der WASG zur Bundestagswahl.

Es gibt derzeit ernsthafte Gespräche zwischen den Vorständen der PDS und der WASG. Dabei geht es nicht nur darum, ob man ein Bündnis will. Die beiderseitige Bereitschaft ist bekundet worden. Es geht um zwei weitere Fragen: Was sind die politischen Schnittmengen und was ist rechtlich möglich.

Ich höre das Argument: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!“ Doch so einfach ist es nicht. Jedes Bündnis zwischen PDS und WASG muss rechts- und gerichtsfest sein. Ansonsten haben beide nichts gewonnen. Im Gegenteil: Die Gefahr ist groß, dass beide viel verlieren.

Bei Euphorikern und bei Skeptikern fällt oft das Wort vom „Zeitfenster“. Beide meinen etwas anderes. Die Euphoriker meinen: Wann soll sich „die Linke“ einigen, wenn nicht jetzt. Sie haben Recht.
Die Skeptiker meinen: Wenn eine vereinte Linke nicht dem geltende Wahlrecht entspricht, dann führt das zur organisierten Niederlage. Auch sie haben Recht.

Ich skizziere nur einmal die Variante: PDS und WASG gründen eine gemeinsame, neue Linkspartei. Dazu müssten sich beide Parteien de facto auflösen. Das wäre Sache der jeweiligen Parteitage. Sie müssten sich vereinigen, ein Programm und ein Statut geben und dem Bundeswahlleiter ihre Kandidatur zur vorgezogenen Bundestagswahl anzeigen. Die Kandidatinnen und Kandidaten müssten in den Wahlkreisen und auf Landeslisten gewählt werden. Die entsprechenden Wahlprotokolle müssten ebenfalls - bis Mitte August - dem Bundeswahlleiter übergeben werden. Doch damit wäre die neue Linkspartei noch immer nicht wählbar. Da sie neu ist, müsste sie vordem in jedem Bundesland und in jedem Wahlkreis Unterstützerunterschriften sammeln.

Sie merken sicher, was in dem Wort „Zeitfenster“ alles steckt, was binnen zwei Monaten, noch dazu in der Ferienzeit, zu leisten wäre, wenn man denn diesen Weg beschreiten würde. Ich halte ihn für unrealistisch. Eine andere Variante wäre realistischer: Die PDS kandidiert immer mit offenen Listen. D. h. WASG-Leute, auch Oskar Lafontaine, könnten auf dieser offenen Liste gut nominiert werden. Sie müssten sich dabei allerdings auf die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) beziehen. Das wäre rechtlich sicher, aber genau das will die WASG-Spitze - bisher - vermeiden.

Ich bin also offen für Bündnisse. Aber ich sage auch: Wenn alle Bemühungen - und sie werden wirklich ernsthaft besprochen - auf ein vages Bündnis hinauslaufen, das obendrein rechtlich anfechtbar ist, dann werde ich selbstverständlich weiter für die PDS als bundesweite Alternative kämpfen - und für ihre Wiederkehr in den Bundestag in Fraktionsstärke.

Mit solidarischen Grüßen

Petra Pau
4. Juni 2005

 

 

4.6.2005
www.petra-pau.de

 

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