Sehr geehrter Marc Hirdes,
das Thema Zuwanderungspolitik ist leider aus den Schlagzeilen, allemal aus den positiven. Es wird vorwiegend negativ besetzt, aktuell durch die CDU/CSU rund um die vermeintliche Visa-Affäre.
Vor fünf Jahren, in der ersten Legislatur von Rot-Grün, begann eine überfällige Diskussion über das deutsche Einwanderungsrecht. Ich hatte damals an einem PDS-Konzept mitgearbeitet und es öffentlich vertreten.
Uns ging und geht es um einen Paradigmenwechsel: Wir wollten ein bürgerrechtliches Zuwanderungsgesetz und keines, das Migrantinnen und Migranten als potentielle Kriminelle und verwertbare Lückenbüßer betrachtet.
Einige unserer Positionen finden Sie unter: http://www.petrapau.de/bundestag/index_i.htm.
Davon ist der zum Gesetz erhobene Kompromiss zwischen Rot-Grün einerseits und der CDU/CSU andererseits weit entfernt. Deshalb habe ich ihn im Bundestag auch abgelehnt.
Nun zur Jugendarbeitslosigkeit: Sie ist Teil der schlimmen Massenarbeitslosigkeit und sie ist schlimmer, weil jungen Leuten schon zu Beginn ihrer Karriere signalisiert wird: Euch brauchen wir nicht, ihr seid überflüssig, ihr seid belastend.
Heute wurden Zahlen bekannt, wonach aktuell mindestens 600.000 Jugendliche bundesweit als arbeitslos registriert sind, wahrscheinlich mehr. Allein dieses Ausmaß drängt geradezu nach besonderen Maßnahmen.
Allerdings: So lange generell die falschen Wege eingeschlagen werden, so lange helfen auch Sonderprogramme wenig. Sie kennen vielleicht meine Generalkritik an der rot-grünen Agenda 2010 nebst Hartz IV. Ich halte sie für Gegenentwürfe zu einem modernen sozialen Rechtsstaat.
Sie sind auch nicht geeignet, die Massenarbeitslosigkeit zu mildern. Im Gegenteil: Sie schwächen den Binnenmarkt und sie gefährden dadurch weitere Arbeitsplätze. Außerdem greifen sie den Sozialstaat an zwei seiner wichtigsten Säulen an: An seiner Finanzierbarkeit und am Solidaritätsanspruch.
Gerade wird Bundeswirtschaftsminister Clement im ZDF zur Jugendarbeitslosigkeit zitiert. Wir müssen die Beweislast umdrehen, sagt er. Jugendliche, die nicht arbeiten, sollen begründen, warum sie nicht arbeiten. Ich finde des angesichts der Realität - nicht nur im Osten - zynisch.
Gleichwohl:
Wir haben eingangs des 21. Jahrhunderts andere Verhältnisse, als Ende des 19. Jahrhunderts. Deshalb muss es Reformen geben und deshalb - so ein aktueller Vorschlag der PDS - brauchen wir einen neuen Gesellschafts-Vertrag.
Mit der Agenda sozial schlägt die PDS einige Alternativen vor.
Näheres dazu finden Sie im Internet unter http://sozialisten.de/politik/agenda_sozial/index.htm.
Mit solidarischen Grüßen
Petra Pau
6. März 2005
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