„Hartz IV“ und PDS in Regierungen

Sehr geehrte Petra Pau,

die PDS hat in den letzten Monaten immer wieder darauf hingewiesen, daß Hartz IV verfassungswidrig sei, und dies ja auch durch ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten bestätigen lassen. Trotz dieser Position scheint die PDS in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern mehr an ihrer Regierungsbeteiligung interessiert zu sein, als am Schutz der Verfassung. Denn anders läßt sich wohl die Haltung der PDS in beiden Ländern nicht erklären, die um des Koalitionsfriedens Willen ihre Regierungspartner nicht auffordern, eine Klärung vor dem Bundesverfassungsgericht anzustreben. Daß dies nach dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz möglich wäre, ist ja wohl auch in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern bekannt.

Natürlich würde die SPD ein solches Ansinnen ablehnen, aber dann müßte die PDS eben die Koalitionsfrage stellen, ihren Standpunkt deutlich machen und das Grundgesetz nötigenfalls auch gegen die SPD verteidigen.

In Berlin behauptet die PDS gern, sie könnte in der Regierungsverantwortung mehr für die Bürger tun, als in der Opposition. Das Beste, was die PDS für die Bürger tun kann, ist dem fortschreitenden Angriff auf Bürger- und Menschenrechte entgegenzutreten, auch wenn das eventuell dazu führt, eine Koalition aufzukündigen.

Für mich stellt sich wirklich die Frage, ob der PDS in beiden Ländern wirklich die Rechte der Bürger und der Schutz der Verfassung dieses Landes wichtiger sind oder die Regierungsbeteiligung um jeden Preis.
Das Motto für 2005 sollte deshalb lauten: Die PDS wird Verfassungsschützer.

Helmut Geppe, Berlin
31. Januar 2005

Sehr geehrter Helmut Geppe,

Ihrem Schluss-Satz stimme ich zu. Ich habe ihn in einer Presseerklärung jüngst sogar erweitert und auf den Punkt gebracht: „Hartz IV-Betroffene als Verfassungsschützer!“, hatte ich sie überschrieben. Denn sie, die tatsächlich Betroffenen - nicht Parteien - können den Rechtsweg gegen „Hartz IV“ bis vor das Bundesverfassungsgericht beschreiten. Ich ermutige sie dazu und Sozialverbände, zum Beispiel der Arbeitslosenverband, organisieren derzeit Sammelklagen. Das mindert das Finanzrisiko für die Klägerinnen und Kläger.

Die PDS konzentriert sich derzeit auf drei Ebenen, auch ich tue es. Wir bleiben natürlich in Opposition zu den so genannten Hartz-Gesetzen. Sie sind aus verschiedenen Gründen falsch und nicht hinnehmbar. Zugleich versuchen wir unsere Alternativen, die „Agenda sozial“, dagegen zu setzen und bekannter zu machen. Und wir unterstützen „Hartz“-Betroffene mit Rat und Tat, im Alltag, auf Demonstrationen, in Parlamenten und in Regierungen.

Und damit bin ich bei der Differenz zwischen Ihrer Meinung und meiner. Sie meinen, ein großer Tür-Knall, die Kündigung der beiden Koalitionen in Berlin und Schwerin, würde uns dazu besser befähigen und eher dazu beitragen, „Hartz IV“ zu revidieren. Genau das finde ich nicht. Die PDS würde nicht ehrlicher, wie sie annehmen oder unterstellen. Sie würde sich selber schwächen, auch in der öffentlich-wahrnehmbaren Auseinandersetzung.

Umgekehrt wird ein Schuh draus. Die PDS muss in allen Lebenslagen - mitregierend oder opponierend - verdeutlichen, wofür und wogegen sie ist. Ich räume gern ein: Das gelingt uns nicht immer, auch der Berliner PDS nicht. Das ist fühlbar und das wird auch in einer aktuellen Studie über die Regierungsbeteiligung der PDS in Berlin belegt. Aber auch ihr Autor, Prof. Reißig, warnt vor den falschen Schnellschlüssen, die Sie empfehlen.

Mit freundlichen Grüßen

Petra Pau
3. Februar 2005

 

 

3.2.2005
www.petra-pau.de

 

Seitenanfang

 

 

 

Treffpunkt

 

Startseite