Hartz-Problem und Widerspruch
Sehr geehrte Frau Pau,
ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie und Ihre Kollegin Gesine Lötzsch mit
der nötigen Hartnäckigkeit am Hartz-IV-Thema dranbleiben und sich auch nicht
scheuen, den Klein(lichen)-Krieg zwischen Hilfesuchenden und der
Arbeitsagentur zur Sprache zu bringen.
Ihre Fragen vom vergangenen Mittwoch und deren hinhaltende Beantwortung
durch den (in Berlin ja sattsam bekannten) Herrn Staffelt geben mir Anlass
zu einem Hinweis auf eine weitere Problematik des Hartz-IV-Gesetzes und
dessen praktische Handhabung.
Grundsätzlich ist verständlich, dass die Arbeitsagenturen bzw. die neu
gebildeten Arbeitsgemeinschaften die Antragsformulare für ALG II sehr
frühzeitig verschickt und den Hilfesuchenden Termine für die Abgabe schon im
Oktober und November gesetzt haben. Allerdings ist dadurch ein Problem
entstanden: Wie aus der alten Sozialhilfe bekannt, orientieren die
Behörden sich bei der Entscheidung über Anträge an aktuellen Daten, so auch
am aktuellen Stand von Vermögen.
Bei mir führte das zu folgendem Ablauf: Ich hatte von meiner bisher relativ
hohen Arbeitslosenhilfeleistung über den Sommer einiges angespart, weil
absehbar war, dass zum Jahresende hin Kosten für bestimmte
Renovierungsarbeiten in meiner Wohnung anstehen würden. Nun wurde wegen
Vermögens, das die Freigrenzen des § 12 Abs. 2 SGB II übersteigt, mein
Antrag auf ALG II abgelehnt - übrigens mit einem Ende November eingegangenen Bescheid, der das Datum 1. 1. 2005 trägt. (Das ist wohl der von Herrn Staffelt erwähnte Trick, der dazu führt, dass Widersprüche erst ab Anfang 2005 bearbeitet werden und die Hilfesuchenden erst mal von der frischen Luft leben müssen.)
Diese Verwaltungspraxis halte ich - trotz meines Verständnisses für die
Probleme, die die gesetzliche Neuregelung für die Arbeitsagenturen bzw. die
neu gebildeten Arbeitsgemeinschaften mit sich bringen - für untragbar. Wenn
man sich, wie aus der Sozialhilfepraxis bekannt, gesetzlich sehr zeitnah an
den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Hilfesuchenden orientiert,
muss das konsequenterweise auch in der Verwaltungspraxis erfolgen, und zwar
auch in einer Situation, die für die Verwaltung zweifellos belastend ist.
Mit vordatierten Bescheiden zu arbeiten, die auf z. T. Monate alten Angaben
beruhen, kann nicht angehen.
Bitte bleiben Sie an diesem Thema dran. Die Widerspruchsmöglichkeiten helfen
den Betroffenen wenig bis nichts, denn ein Widerspruch gegen einen
ablehnenden Bescheid hält lediglich das Verfahren offen, bringt ihnen aber
keinen Cent ein.
Freundlicher Gruß
Stephan Schilde
18. Dezember 2004
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