Petra Pau, Bundestagsvizepräsidentin und Berichterstatterin Antisemitismus für die Linksfraktion im Bundestag, erklärt aus diesem Anlass:
Antisemitismus ist nirgendwo hinnehmbar, in Deutschland ist er unerträglich. Zur Erinnerung: Würde man jeder Jüdin und jedem Juden, die von den Nazis systematisch ermordet wurden, eine Schweigeminute widmen, so herrschte elf Jahre lang Stille, Totenstille.
Gerade Sachsen würde es gut zu Gesicht stehen, in der gegenwärtigen Situation ein klares Zeichen zu setzen, dass die Bekämpfung des Antisemitismus als dauerhafte Aufgabe und Herausforderung von Staat und Gesellschaft ernst genommen wird. Dies wäre die Einsetzung eines eigenen Landesbeauftragten gegen Antisemitismus.
Rico Gebhardt, Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag, fordert Konsequenzen:
Der zielstrebige Angriff einer Neonazi-Horde auf ein jüdisches Restaurant und seinen Besitzer in Chemnitz straft nicht nur all die Lügen, die glauben machen wollen, es habe an diesem Tag keine Jagd auf Menschen gegeben. Es stehen nun auch Vorwürfe im Raum, dass weder Polizeidirektion Chemnitz, Landeskriminalamt Sachsen noch Generalstaatsanwaltschaft Dresden von sich aus die Öffentlichkeit unmittelbar über den antisemitischen Angriff informierten. So stellte das Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus fest: Es ist ungeheuerlich, dass in Chemnitz ein vermummter Mob das einzige jüdische Restaurant attackiert, antisemitische Parolen ruft und die Öffentlichkeit erst Tage später von dem Fall erfährt. Dieser gewaltige Fall von Antisemitismus hätte zeitnah von den Behörden öffentlich gemacht werden müssen. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Der Bundesbeauftragte gegen Antisemitismus zeigt sich alarmiert. Er spricht von der mangelnden Sensibilität der Polizei vor Ort: Die Tat wurde offenbar zunächst behandelt wie eine normale Sachbeschädigung. Ich will niemandem unterstellen, das absichtlich unter dem Deckel gehalten zu haben. Aber es ist gravierend, wenn die Polizei nicht sofort die Brisanz einer solchen antisemitischen Tat erkennt. Einen Landesbeauftragten gegen Antisemitismus hat Sachsen noch nicht - einen entsprechenden Antrag hat die Linksfraktion zwar eingebracht, die zuständige SPD-Ministerin Köpping hat sich jedoch dagegen ausgesprochen.
Die Zahl antisemitischer Straftaten in Sachsen hat deutlich zugenommen. Allein im vergangenen Jahr sind 118 derartige Fälle bekanntgeworden, 2016 waren es 90 Vorfälle. Die Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Sachsen, Nora Goldenbogen, hatte ihre Unterstützung für den Antrag in der Landtagsanhörung begründet: Die Hemmschwelle zu Hetze und Judenfeindlichkeit sei in den vergangenen Jahren deutlich gesunken, Mitglieder der jüdischen Gemeinden hätten Angst, seien verunsichert. Es ist gut, wenn Ministerpräsident und Innenminister rasche Aufklärung der antisemitischen Attacke vom 27. August geloben. Doch das reicht nicht: Sachsens Sicherheitsbehörden brauchen mehr Sensibilität für das Thema Antisemitismus - und Sachsen einen Landesbeauftragten gegen Antisemitismus! Jetzt! Der Ministerpräsident kann nun zeigen, was seine Aufrufe zum gemeinsamen Kampf gegen Rechtsextremismus im Freistaat Sachsen wert sind.
Quellen:
https://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/32722
https://jfda.de/blog/2018/09/08/behoerden-informierten-nicht-ueber-angriff-auf-juedisches-restaurant-in-chemnitz/
https://www.welt.de/politik/deutschland/article181463300/Am-27-August-Attacke-von-Neonazis-auf-juedisches-Restaurant-in-Chemnitz.html
https://www.tagesspiegel.de/politik/anschlag-auf-ein-juedisches-restaurant-in-chemnitz-beauftragter-fuer-antisemitismus-wirft-polizei-mangelnde-sensibilitaet-vor/23014936.html
Antrag der Linksfraktion:
http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=12174&dok_art=Drs&leg_per=6&pos_dok=&dok_id=243796
Ablehnung des Antisemitismus-Beauftragten durch Integrationsministerin Köpping:
http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=12174&dok_art=Drs&leg_per=6&pos_dok=&dok_id=244905
Berlin, Dresden, den 11. September 2018
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