1. 

Wenn ich Recht habe, dann haben wir diese Woche im Bundestag etwas erlebt, was es seit 25 Jahren nicht gab: Zu Beginn der Sitzungswoche gab es keine parteiübergreifend vereinbarte Tagesordnung.
Der Hintergrund dieser Kontroverse zwischen Koalition und Opposition waren die Untersuchungsausschüsse zum „Fall Kurnaz“, zur KSK und weiterer Ungereimtheiten rund um den Anti-Terrorkampf.
Worum geht es: Der Verteidigungsausschuss wird sich diese Woche zum Untersuchungsausschuss erheben, um die Vorwürfe zu untersuchen, die KSK habe in Afghanistan Murat Kurnaz misshandelt.
Etliche Medien haben dies als Positivum vermeldet, als Zeichen dafür, dass die Bundesregierung gewillt sei, allen Vorwürfen gründlich nachzugehen bzw. diese aus dem Weg zu räumen.

2. 

Ich melde erhebliche Zweifel an. Das Gegenteil könnte nämlich der Fall sein. Und für diese, meine Annahme sprechen etliche Indizien. Wir haben - wie sie wissen - seit Monaten den so genannten BND-Ausschuss.
Entgegen aller Arithmetik sage ich: Zwei Ausschüsse sind mitnichten mehr als ein Ausschuss. Der Verteidigungs-Ausschuss ist nämlich ein Geheim-Ausschuss und geheim ist das Gegenteil von Aufklärung.
Anders gesagt: Zwei Untersuchungsausschüsse verheißen mitnichten, dass doppelt so schnell oder doppelt soviel aufgeklärt wird. Im Gegenteil: Die Gefahr wächst, dass noch mehr vertuscht und verheimlicht wird.

3. 

Nun gab es vorige Woche eine Doppel-Bewegung: Die Koalition wollte unbedingt den Geheimausschuss. Das ist ihr Recht. Und die Opposition will einen erweiterten Auftrag für den „BND-Ausschusses“.
Erweitert heißt: Wir wollen im BND-Ausschuss auch die Vorwürfe von Herrn Kurnaz klären. Und das sind weitaus mehr, als die gegen die KSK. Und wir wollen uns der Bespitzelung von Journalisten widmen.
Diesen Erweiterungsantrag hatten CDU und SPD bisher ignoriert. Was nur den Schluss zulässt: Sie wollen die Aufklärung be- oder verhindern. Was wiederum vermuten lässt: Sie haben etwas zu verstecken.

4. 

Um es etwas konkreter zu machen: Wenn der BND-UA sich dem Fall Kurnaz zuwendet, dann wird er selbstverständlich auch Frank-Walter Steinmeier befragen, damals Kanzleramtsminister, heute Außenminister.
Es deutet vieles daraufhin, dass die CDU und die SPD genau das verhindern wollen. D. h., der Bundestag wird von der großen Koalition und von der Regierung genauso hingehalten, wie das EU-Parlament.

5. 

Nun noch mal zum Verteidigungsausschuss. Er soll untersuchen, ob die KSK rund um den Jahreswechsel 2001/2002 irgendetwas mit Murat Kurnaz zu tun hatte. Meine grundsätzliche Kritik daran habe ich erläutert.
Aber selbst wenn es so kommt, dann greift der Auftrag viel zu kurz. Die Fraktion DIE LINKE will nicht nur wissen, was die KSK in diesen acht Wochen getan hat. Wir wollen grundsätzlich wissen, was die KSK treibt.
Und da heben wir einen grundlegenden Dissens mit den Grünen. Die haben vorgeschlagen, einen Spezial-Ausschuss einzurichten, der ausgewählte und verschwiegene Abgeordnete über die KSK informiert.
Ich darf erinnern: Die KSK ist zwar eine Spezial-Einheit, aber auch als solche regulärer Bestandteil der Bundeswehr. Die Bundeswehr insgesamt wiederum gilt als Parlaments-Armee, also auch die KSK.
De facto aber wird die KSK jeder parlamentarischen Kontrolle entzogen. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Und wenn der Bundestag sich selber ernst nimmt, dann muss er diesen Zustand beenden und für Transparenz sorgen.

6. 

Abschließend: Wenn Sie den Eindruck gewonnen haben sollten, DIE LINKE hält den 1. Untersuchungsausschuss für einen Hort der Aufklärung und den Verteidigungs-Untersuchungsausschuss für einen Ort der Vertuschung, dann stimmt das bestenfalls halb.
Auch der 1. Untersuchungsausschuss versucht alles zu verschleiern, was nicht irgendwie über andere Kanäle ruchbar wird. Deshalb bereitet mein Kollege Neskovic auch eine Verfassungsklage in Karlsruhe vor. Arbeitstitel: Sabotage und Blockade. Gemeint ist die Bundesregierung.