Marathon der Demokraten mit ressortübergreifender Strategie
Petra Pau, auf der Pressekonferenz der Fraktion DIE LINKE, Berlin, 17. Oktober 2006:
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Deutlicher Anstieg bei Straf- und Gewalttaten
Das Bundesinnenministerium registriert einen deutlichen Anstieg rechtsextremistischer Straf- und Gewalttaten. Das geht aus meinen monatlichen Anfragen hervor und das haben der Tagesspiegel und weitere Medien heute bereits berichtet.
Zum Vergleich: Von Januar bis August 2006 wurden bereits mehr Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund erfasst, als im gesamten Jahr 2004 (knapp 8.000). Dabei bitte ich zu beachten: Die Zahlen gelten als vorläufig und sind nach allen Erfahrungen letztlich doppelt so hoch und mehr.
Dennoch haben wir ein Ausmaß erreicht, wonach im Bundesschnitt stündlich 1 ½ Straftaten und täglich mehr als zwei Gewalttagen mit rechtsextremistischen Hintergrund registriert werden. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Entsprechend größer ist auch die Zahl der Opfer.
Anmerkung 1:
Diese Entwicklung kommt nicht aus heiterem Himmel. Sie zeichnet sich ebenso über einen längeren Zeitraum ab, wie die verbreitete Armut, die plötzlich als "Unterschichten-Debatte" die Medien beherrscht.
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2. |
Unabhängige Beobachtungs-Stelle nach EU-Vorbild
Die oben genannten Zahlen sind z. T. Interessen geleitet. Diese Annahme drängt sich immer auf, wenn einzelne Bundesländer plötzlich Null rechtsextremistische Straftaten vermelden, obwohl die Medien oder Initiativen vor Ort etwas anderes berichten. Deshalb greife ich einen alten Vorschlag erneut auf: Wir brauchen in der Bundesrepublik Deutschland endlich eine unabhängige Beobachtungsstelle für Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus nach dem Vorbild der EU.
Die Fraktion DIE LINKE wird dafür im Bundestag konkrete Vorschläge unterbreiten, inklusive zur Finanzierung einer solchen Einrichtung. Denn wahr bleibt: Wenn wir ein ungenaues Bild über das Ausmaß rechtsextremistischer Aktivitäten, aber auch über regionale Schwerpunkte haben, dann werden wir nicht in der Lage sein, wirksam dagegen vorzugehen.
Anmerkung 2:
Eine solche unabhängige Beobachtungsstelle galt übrigens schon mal im Bundestag als beschlossene Sache. Sie geriet ebenso ins Vergessen, wie seinerzeit der Aufstand der Anständigen.
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3. |
Partei- und ressort-übergreifende Gesamtstrategie
Inzwischen zeigt die Entwicklung der letzten Jahre: Mit einem Aufstand der Anständigen ist es ohnehin nicht getan. Wir brauchen einen Marathon aller Demokraten für mehr Demokratie und Toleranz.
Deshalb müssen erstens die bestehenden Initiativen und Programme, die sich vor Ort für mehr Demokratie und Toleranz engagieren, unbedingt erhalten und gestärkt werden. Das ist noch nicht gesichert.
Aber auch das ist nicht ausreichend. So lange das Thema Rechtsextremismus vorwiegend als innenpolitisches Thema behandelt wird, und so lange sich die Innenpolitiker sich gegenseitig den Ball zu spielen, so lange ist die gesellschaftliche Gefahr nicht zu bannen.
Deshalb brauchen wir zweitens endlich eine partei- und ressortübergreifende Gegenstrategie, die sich auf Sach- und Fachverstand stützt und eine couragierte Zivilgesellschaft unterstützt. Dabei geht es um Bildung, um Kultur, um soziale Fragen, um kommunale Fragen, natürlich auch um innenpolitische und Rechtsfragen, um Demokratie- und EU-Fragen, und unvermeidlich auch um Finanzfragen.
Anmerkung 3:
Die Statistiken über rechtsextremistische Straf- und Gewalttaten - auch im langjährigen Ländervergleich - finden sich auf meiner Web-Seite via Bundestag / Anfragen. Die Zahlen der tatsächlichen Straftaten sind deutliche höher, als die vom Bundesinnenministerium ausgewiesenen.
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